Der von der AfD unterstützte Unionsantrag zur Migration wurde im Deutschen Bundestag angenommen. Das berichten mehrere deutsche Medien übereinstimmend. Wie die "Bild" schreibt, stimmte eine Mehrheit im Bundestag für die Asylwende. Der erste Antrag für mehr Zurückweisungen erhielt 348 Ja-Stimmen, 345 Nein-Stimmen, 10 Abgeordnete enthielten sich.
In der Debatte hatten sich Abgeordnete von Union, FDP und AfD sowie einige fraktionslose Abgeordnete für den Vorschlag ausgesprochen. Das BSW kündigte an, man werde sich enthalten. SPD, Grüne und Linke positionierten sich dagegen.
Der zweite Antrag für weitreichende Reformen bekam 190 Ja-Stimmen, 509 Nein-Stimmen und 3 Enthaltungen. In der Debatte hatten sich Abgeordnete von SPD, Grünen, Linke, BSW, AfD und FDP gegen den Vorschlag der CDU/CSU-Fraktion ausgesprochen.
Die CDU/CSU hatte mit ihrer Initiative Empörung bei SPD und Grünen ausgelöst, weil absehbar war, dass die Pläne nur mit Stimmen der AfD eine Mehrheit finden könnten. Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) hatte über die Vorhaben gesagt: "Und wir werden sie einbringen, unabhängig davon, wer ihnen zustimmt", hatte der Unionsfraktionschef betont. Unmittelbarer Auslöser der Unions-Verstöße war eine Bluttat in Aschaffenburg.
Ein offenbar psychisch kranker Mann aus Afghanistan soll ein zweijähriges Kind mit marokkanischen Wurzeln aus einer Kindergartengruppe mit einem Messer getötet. Ein 41 Jahre alter Familienvater, der sich zwischen Angreifer und Kinder stellte, starb ebenfalls. Weitere Menschen wurden schwer verletzt, darunter ein zwei Jahre altes Mädchen syrischer Abstammung. Der 28 Jahre alte mutmaßliche Angreifer war ausreisepflichtig, er befindet sich in einer psychiatrischen Einrichtung.
Was bedeutet die Asyl-Wende für Deutschland – und auch für Österreich, wo viele der Punkte auch von der möglichen FPÖ-ÖVP-Koalition angedacht sind? Dazu war am späten Mittwochabend der Europarechts- und Völkerrechtsexperte Walter Obwexer in der "ZIB2" bei ORF-Moderator Armin Wolf. Dauerhafte Grenzkontrollen zu den Nachbarstaaten, von denen der Europäische Gerichtshof sage, dass diese nicht möglich seien, könne Deutschland diese umsetzen? "Beim derzeitigen Stand des Unionsrechts zweifelsohne nicht möglich", attestierte Obwexer, sie würden nur befristet möglich sein und verlängert werden könnten sie nur für einige Monate mit glaubhaftem Grund.
Abweisungen von Menschen an der Grenze, etwa alle Menschen, die ohne Papiere einreisen wollen, oder auch Menschen, die Asylanträge stellen? Das würde gegen das deutsche Grundgesetz und Europarecht verstoßen, so Obwexer. Mitgliedsstaaten seien verpflichtet, den Asylantrag zu prüfen, wenn einer gestellt werde. "Eine Zurückweisung an der Grenze ist vom geltenden europäischen Asylsystem derzeit eindeutig nicht erlaubt und verboten", so Obwexer.
Ausreisepflichtige in Haft stecken? "Das geht unter ganz gewissen Voraussetzungen", so Obwexer, etwa wenn Fluchtgefahr bestehe oder Drittstaatenngehörige die Rückführung zu vereiteln versuchen. Aber: Es gehe nur mit richterlicher Anordnung, nur für maximal sechs Monate und das sei auch nur unter ganz strikten Voraussetzungen verlängerbar. Mehr Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan? "Grundsätzlich nein, nur ganz eingeschränkt", so Obwexer, nämlich wenn es in den Ländern Zonen geben würde, in denen die Abgeschobenen sicher wären. Aber: Es ginge dann zwar nach der Genfer Flüchtlingskonvention, aber nicht beim geltenden Unionsrecht.
Unbefristete Haft für ausländische Straftäter und Gefährder? Das würde gegen das Recht verstoßen, so Obwexer. Und wenn Friedrich Merz Kanzler werden und das alles umsetzen würde? "Deutschland hätte eine einzige Möglichkeit, diese Maßnahmen durchzusetzen", so Obwexer, indem man sich auf die Notstandsklausel im EU-Recht stütze. Dazu brauche es aber einen Nachweis, dass es eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gebe, zweitens müsste Deutschland belegen, alle EU-rechtlich gegebenen Möglichkeiten genutzt zu haben ("das ist derzeit sicher nicht der Fall") und drittens müssten die Maßnahmen verhältnismäßig sein (auch das sei nicht der Fall).
Folge sei wohl, dass sich Betroffene vor deutschen Gerichten wehren würden, diese seien dann verpflichtet, Unionsrecht mit Vorrang gegenüber deutschem Recht umzusetzen – oder die EU leite ein Vertragsverletzungsverfahren ein, hieß es. Was da geplant sei, sei Ungarns Premier Viktor Orbán sehr ähnlich, auch da sei ein solches Verfahren eingeleitet worden. Klar sei aber auch: Das EU-Recht würde sich ändern lassen und sei bereits auch schon verschärft worden, aber nicht in dem Ausmaß, dass es die Pläne von Merz möglich machen würden.
Und in Österreich, wo der FPÖ-ÖVP-Plan kursiert, die medizinische Versorgung von Asylwerbern und anerkannten Flüchtlingen stark einzuschränken? Die Reduktion der Gesundheitsleistung für Schutzsuchende auf erforderliche Behandlungen sei vom EU-Recht erlaubt, so der Experte, es sei jedoch eine Definitionsfrage, was "erforderlich" heiße. Auch hier ein "Aber": Bei anerkannten Schutzsuchenden verlange das Unionsrecht eine Gleichbehandlung mit inländischen Bürgern, eine Reduktion wäre also eine "verbotene Diskriminierung".