Klimaschutz
Ein Drittel der Kleidung wird für die Tonne produziert
Mit einer spektakulären Aktion demonstrierten Umweltschützer in Wien gegen Überproduktion und Warenvernichtung.
Rund 30 Greenpeace-Aktivisten hissten am Mittwoch Vormittag ein sechs mal fünf Meter großes, zerschreddertes T-Shirt auf der Wiener Mariahilfer Straße mit der Aufschrift “Produziert für den Müll?”. Darunter wurde ein Müllberg aus Textilien und weiteren Konsumprodukten aufgetürmt. Mit dieser Aktion prangert die Umweltschutzorganisation die "exzessive Überproduktion" sowie die "kurzen Lebenszyklen von Kleidung, Elektronik, Spielzeug und Co." an.
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Greenpeace schätzt, basierend auf Studien und Handelsbilanzen, dass 2021 mindestens 4,6 Millionen Kilogramm (4.600 Tonnen) der in Österreich angebotenen Kleidung und Schuhe nicht verkauft und schlussendlich vernichtet wurden.
Das entspricht einem Warenwert von rund 155 Millionen Euro. Wie auch der Österreichische Klimarat fordert Greenpeace, dass "die Bundesregierung die Entsorgung von neuwertiger Ware gesetzlich sanktioniert und so die Ressourcenverschwendung stoppt".
Jede Sekunde wird eine LKW-Ladung Kleidung vernichtet
Laut "Ellen McArthur Foundation" wird jede Sekunde weltweit eine LKW-Ladung an Kleidungsstücken verbrannt oder auf einer Mülldeponie entsorgt. Jedes Jahr würden pro Kopf rund sechs Kilogramm Textilien aus reichen EU-Staaten exportiert, hauptsächlich in afrikanische und osteuropäische Länder. Vieles davon Altkleider, aber auch Neuware sei dabei.
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Die aktuelle Teuerung, bedingt durch hohe Gaspreise, führt - wie zuletzt auch die Corona-Pandemie - erneut zu Umsatzeinbrüchen im Handel. Der Handelsverband berichtet, dass der Umsatz im Online-Handel im zweiten Quartal 2022 um 4,8 Prozent niedriger lag als im Vorjahr. Insgesamt hat der Handel 3,3 Prozent weniger umgesetzt, vor allem der Möbel- und Elektrohandel verzeichnet deutlich weniger Umsatz.
Der Handel sitzt also vermutlich auch heuer auf großen Mengen an Waren, die teilweise mit extremen Rabatten abverkauft oder als Überschuss an Großhändler verkauft werden.
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“Mitten in der Teuerung können sich viele Menschen alltägliche Bedarfsgüter nicht mehr leisten. Währenddessen produzieren Unternehmen weiterhin für die Tonne", ärgert sich Lisa Panhuber, Konsumexpertin bei Greenpeace in Österreich. "Das Konzept Fast-Fashion war immer schon extrem umweltschädlich und ist in Zeiten der Krisen endgültig überholt. Konzerne und Händler müssen dringend ihr Geschäftsmodell ändern und die Überproduktion stoppen."
Wussten Sie, dass...
... die Textilindustrie weltweit pro Jahr mehr als 1,2 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalente produziert? Das sind mehr als die direkten Emissionen von internationalen Flügen sowie der Seeschifffahrt zusammen gerechnet.
... die Menge an weltweit verkauften Kleidungsstücken sich von 2000 bis 2014 verdoppelt hat? Die Menge an weltweit verkauften Kleidungsstücken lag 2019 bei 183 Milliarden Stück. In Österreich gehen jährlich rund 130.000 Tonnen Bekleidung und Schuhe über den Ladentisch. Die Menge an in Verkehr gebrachten Elektronikgeräten ist in Österreich zwischen 2015 und 2021 von 172.000 Tonnen auf 250.000 Tonnen gestiegen.
... nur ein Prozent der produzierten Kleidungsstücke wieder zu Mode recycelt werden? Mehr als drei Viertel des Textilmülls wird verbrannt oder landet auf Deponien - oft in Ländern in Osteuropa oder im Globalen Süden. Da rund 65 Prozent der Textilien aus Kunststofffasern hergestellt sind, gelangen auch Mikroplastik und Chemikalien in die Umwelt.
... vergangenes Jahr rund 4,6 Millionen Kilogramm der in Österreich angebotenen Kleidung und Schuhe vernichtet wurden? Die Waren hatten umgerechnet einen Wert von rund 155 Millionen Euro.
Amazon entsorgt weiterhin Neuwaren
Zuletzt geriet der Online-Riese Amazon massiv in Kritik. Greenpeace-Recherchen zeigten, dass beim Versand-Riesen systematisch neuwertige, teils original verpackte Ware zur Entsorgung geschickt wird.
Filmaufnahmen aus dem Jahr 2021 eines Greenpeace-Rechercheurs belegten etwa, dass Amazon allein an einem Standort in Deutschland jede Woche mindestens eine LKW-Ladung nicht verkaufter Ware, von T-Shirts über Bücher bis hin zu fabrikneuen Elektroartikeln vernichtet.
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Auch im Jahr 2022 geht die Zerstörung weiter. Berichte von Mitarbeitern, die im Oktober 2022 vom ZDF veröffentlicht wurden, zeigten, dass neuwertige Solarleuchten, Lampen, Sportgeräte, Tonerkartuschen, Keyboards, Babydecken, Kettensägen, Töpfe, Auto-Felgen, Laptops oder Kopfhörer entsorgt wurden. Das einzige, das sich im Vergleich zu den Recherchen in den Vorjahren geändert hat, ist, dass die Produkte nicht mehr bei "destroy", sondern in "remove"-Stationen gesammelt werden. Statt "zerstören" heißen die Sammelstationen jetzt "entfernen".
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Amazon hat in Österreich zwar einige Versandzentren, aber keine Warenlager. Das heißt, alle Waren, die in Österreich von Amazon verkauft werden, kommen aus den großen Amazon-Lagern in den Nachbarländern, werden hierzulande verteilt und zugestellt. Insider haben Greenpeace berichtet, dass der Großteil aus Deutschland kommt, teilweise auch aus Italien. Auch die Retouren aus Österreich landen wieder in den Warenlagern in Deutschland oder Italien.