Landeschef nach OP zurück
Doskozil: "Manches trifft einen völlig unerwartet ..."
Comeback des Burgenland-Chefs: Nach seiner sechsten Kehlkopf-OP ist Hans Peter Doskozil zurück im Amt – das große "Heute"-Weihnachtsinterview.
"Heute"-Interviewserie mit den Landeshauptleuten zum Jahreswechsel: Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hatte die zahlreichen Entlastungen ihrer Regierung herausgestrichen und ein neuerliches Plädoyer gegen das Gendern vorgebracht. Teil zwei führte "Heute" nach Eisenstadt, wo Burgenland-Chef Hans Peter Doskozil nach einer Operation am Kehlkopf bereits wieder Bürodienst schiebt. In seinem Zimmer ist der Christbaum ("Aus der Christbaum-Gemeinde Sieggraben") bereits festlich geschmückt – in den Landesfarben Rot und Gold. Doskozil wirkt nachdenklich ("Gesundheitliche Beschwerden treffen einen völlig unerwartet und unverschuldet"), lehnt ein Aus des Pendlerpauschales ab ("Schlag ins Gesicht") und tritt weiter für einen österreichweiten Mindestlohn ein ("2.000 Euro netto bei Vollzeit-Arbeit"). Das Interview:
Herr Landeshauptmann, Ihre Stimme hört sich schon wieder beinahe normal an. Wie dramatisch war die sechste Operation am Kehlkopf?
Eine Operation ist immer mit einer Unsicherheit verbunden. Aber ich weiß, dass ich in der Klinik in Leipzig in guten Händen bin und vertraue den behandelnden Ärzten. "Dramatisch" würde ich daher nicht sagen, aber am Kehlkopf ist es immer ein heikler Eingriff, das will ich gar nicht verharmlosen. Es ist auch schon eine gewisse Routine dabei – und diesmal verläuft auch die Genesung noch schneller als bisher.
„Ich bin nach wie vor für einen bundesweiten Mindestlohn von 2.000 Euro netto.“
Hat Ihre Ehefrau Sie wieder ins Krankenhaus nach Leipzig begleitet?
Ja, sie war mir eine große Stütze.
Der Eingriff im November war bereits der sechste. Ist die Sache damit nun ausgestanden?
Die Erkrankung ist chronisch. Das heißt, in unterschiedlichen Zeitabständen kann es notwendig werden, erneut zu operieren. Damit muss ich leben. Ich hoffe, die Abstände werden immer größer.
Sie arbeiten bereits wieder, nehmen aber noch keine öffentlichen Termine wahr. Wie kann man sich einen Bürotag bei Ihnen vorstellen, sitzen Sie da selbst über Akten?
Natürlich. Ich kann mir gar nicht vorstellen, nur Repräsentationsaufgaben zu übernehmen, daher habe ich auch meine Ressorts, für die ich brenne. Es ist mein Ansporn, treffsichere Maßnahmen für die Bevölkerung umzusetzen, damit die positive Entwicklung im Burgenland weiter geht – da sind mir neben dem aktuellen Thema Teuerung die Spitäler, die Pflege oder der soziale Wohnbau besonders wichtig.
Die Inflation ist in Österreich anhaltend hoch, weit höher als in den meisten anderen westeuropäischen Ländern. Hat die Regierung ausreichend gegengesteuert?
Nein, absolut nicht. Es wurde schlicht und einfach verabsäumt, rechtzeitig in die Märkte einzugreifen. Da hatte man ideologische Scheuklappen auf – und das traurige Ergebnis ist, dass wir im Europa-Vergleich bei der Inflation leider weit vorne liegen. Auch die gesetzten Maßnahmen gegen die Teuerung waren nicht treffsicher. Der Mietpreisdeckel des Bundes kommt zu spät und ist unzureichend.
„Wir sind die einzigen, die 2024 eine echte Null-Lohnrunde für Landespolitiker umsetzen.“
Welche Maßnahmen bräuchte es denn Ihrer Meinung nach?
Bleiben wir gleich bei einem wirksamen Mietpreisdeckel, der diesen Namen auch verdient. Viele Österreicherinnen und Österreicher können sich auch das Heizen, Tanken oder den Lebensmitteleinkauf nicht mehr leisten. Hier bräuchte es in jedem Bereich treffsichere Maßnahmen. Die Menschen müssen aber auch so viel verdienen, dass sie davon leben und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Als Sozialdemokrat blutet mir das Herz, wenn Tausende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Vollzeit arbeiten gehen, mit ihrem Gehalt aber ihr Leben nicht mehr finanzieren können. Ich bin daher nach wie vor für einen bundesweiten Mindestlohn nach burgenländischem Vorbild, mit 2.000 Euro netto bei Vollzeit.
Gut, einen gesetzlichen Mindestlohn wird eine ÖVP-geführte Regierung niemals einführen, damit tut sich ja sogar Ihre eigene Partei schwer ...
Aber was macht die Bundesregierung? Man diskutiert über die Abschaffung des Pendlerpauschales, man setzt mit Jahreswechsel die nächste Erhöhung der CO2-Abgabe um. Hier stimmt doch etwas nicht. Wir werden im Burgenland deshalb weiter eigenständige Akzente setzen – sei es bei den nun beginnenden Gehaltsverhandlungen im öffentlichen Dienst, sei es bei den Politikerbezügen. Wir sind das einzige Bundesland, das 2024 eine echte Null-Lohnrunde für Landespolitiker umsetzt. Das gibt es in Bundesländern mit FPÖ-Regierungsbeteiligung nicht.
Das ist eine nette Geste, bringt der Bevölkerung selbst aber keinen Cent mehr in der Börse. Viele Menschen stehen wegen der angespannten finanziellen Lage mit dem Rücken zur Wand. Planen Sie weitere Unterstützungen?
Wir bemühen uns sehr, das Versagen der Bundesregierung mit hausgemachten Maßnahmen zu kompensieren. Eine Umfrage bestätigt uns auch in diesem Kurs ...
Die Opposition kritisiert diese Schuldenpolitik.
Wir haben im Burgenland gut gewirtschaftet. Das Ergebnis ist, dass wir 2024 ohne Neuverschuldung auskommen, aber gleichzeitig in der Lage sind, alle Anti-Teuerungsmaßnahmen weiterzuführen. Unseren burgenländischen Wärmepreisdeckel, der treffsicher und sozial gestaffelt jene unterstützt, die es am nötigsten brauchen, haben wir bis Ende 2024 verlängert. Unser Wohnkostendeckel, den wir gemeinsam mit gemeinnützigen Wohnbauvereinigungen umgesetzt haben, entlastet über 11.000 Haushalte. Die Mieten wurden auf dem Niveau von Dezember 2022 eingefroren, auf Annuitätensprünge bei der Wohnbauförderung verzichten wir. Beides gilt bis Ende 2024. Wir werden weiterhin rasch und zielgerichtet reagieren, wenn nötig.
„Die Diskussion über eine Abschaffung des Pendlerpauschales ist ein Schlag ins Gesicht.“
Im Burgenland gibt es prozentuell zur Bevölkerung die meisten Pendler, auf sie kommen erneut höhere Preise an der Zapfsäule zu, da die CO2-Steuer erhöht wird, wie Sie eingangs bereits bemerkt haben. Ist das der richtige Weg?
Keinesfalls. Mit der CO2-Steuer hat die Bundesregierung der Bevölkerung eine weitere Belastung beschert. Auch die Diskussion über eine Abschaffung des Pendlerpauschales ist ein Schlag ins Gesicht jener Menschen, deren Weg zur Arbeit ohnehin strapaziös ist und die auch von der Teuerung besonders betroffen sind. Aus dem Burgenland gibt es da ein klares "Nein". Es braucht ein sozial gerechtes kilometerabhängiges Modell der Pendlerpauschale, gerne auch mit zusätzlichen ökologischen Komponenten!
Für welches Tempo plädieren Sie auf Autobahnen?
Es wäre schon viel erreicht, wenn sich alle Verkehrsteilnehmer an die Geschwindigkeitsbeschränkungen halten würden.
Ein weiteres Thema, das derzeit akut ist, ist der Ärztemangel. Für viele Österreicher ist es kaum noch möglich, zeitnah einen Termin für eine Behandlung zu bekommen. Was läuft schief?
Wenn heute jemand dringend eine spezielle ärztliche Leistung braucht, hat man kaum mehr eine Chance, diese auch sofort zu bekommen – außer man zahlt es privat. Das muss sich ändern. Dafür müssen wir unser Gesundheitssystem neu denken und verkrustete Strukturen aufbrechen. Über den Zugang zu medizinischen Leistungen darf nicht die Kreditkarte, sondern ausschließlich die E-Card entscheiden. Dazu braucht es mehr und attraktivere Kassenverträge sowie eine gesetzliche Neuregelung der Bereitschaftsdienste. Eine zentrale Frage ist auch, wie wir auf Kosten der öffentlichen Hand teuer ausgebildete Ärzte in Österreich halten können. Es ist jedenfalls die Aufgabe der Politik, die bestmögliche medizinische Versorgung zu garantieren. Auch da haben wir uns im Burgenland für einen offensiven Weg entschieden – wir treten finanziell in Vorleistung, um ausreichend Ärztinnen und Ärzte für unsere Spitäler zu bekommen. Und wir schaffen es durch ein neues Anstellungsmodell für angehende Pflegekräfte auch, dass wir in den Spitälern im pflegerischen Bereich nahe an der Vollbesetzung sind.
„Weihnachten verbringe ich mit meiner Frau, meinen Eltern und Kindern. Wir beten gemeinsam, das ist Brauch“
Im Jahr 2024 hebt der ORF die neue Haushaltsabgabe von 15,30 Euro monatlich ein. Warum schlägt das Burgenland hier noch 4,60 Euro auf?
Wir haben nichts verändert und sind bei 30 Prozent geblieben – damit ist die Landesabgabe im gleichen Ausmaß gesunken wie die Haushaltsabgabe, und die Burgenländerinnen und Burgenländer zahlen nun insgesamt um 8,56 Euro weniger. Allerdings haben wir neu eine Zweckwidmung beschlossen, damit das Geld gezielt unseren Musikschulen zugutekommt.
Wie feiern Sie heuer Weihnachten?
Wir werden den 24. Dezember – wie auch schon in den letzten Jahren – mit meinen Kindern und meinen Eltern verbringen. Wir beten gemeinsam, das ist Brauch und gehört zu Weihnachten für uns einfach dazu. In die Christmette schaffen wir es am 24. Dezember wahrscheinlich nicht, aber vielleicht holen wir das in Deutschland nach. Am 25.12. steht uns eine längere Autofahrt bevor, den Abend des Christtags wollen wir heuer mit Julias Eltern in Deutschland verbringen. Wir machen Weihnachten immer stressfrei. Es ist uns ganz wichtig, diese zusätzliche Zeit rund ums Fest in der Familie zu genießen.
Welche Aufgabe kommt Ihnen zuhause zu?
Ich schmücke den Baum, heuer werde ich auch das Weihnachtsessen zubereiten. Es gibt laktosefreies und glutenfreies Cordon Bleu.
„Wir wollen in einer Koalition mit der Bevölkerung bleiben“
Haben Sie einen Vorsatz für das neue Jahr?
Ich habe erst vor kurzem wieder erlebt, dass Gesundheit das höchste Gut ist. Manche gesundheitlichen Beschwerden treffen einen völlig unerwartet und unverschuldet, aber für das allgemeine Wohlbefinden kann man schon etwas tun – und dafür muss man durchaus ein wenig Zeit investieren. Mein ganz persönlicher Vorsatz ist daher wieder ein bisschen mehr Sport zu machen, Radfahren, Wandern, Zeit mit Julia und der Familie verbringen.
Was wünschen Sie der SPÖ?
Im Burgenland stehen 2025 Landtagswahlen an. Wir wollen unsere Koalition mit der Bevölkerung fortsetzen. Es kann daher nur unser Anspruch sein, unser Ergebnis von 2020 zu verteidigen.
Glauben Sie trotz aller innerparteilicher Turbulenzen in der letzten Zeit an die absolute Mehrheit?
Mein Ansatz ist klar: Es geht um Glaubwürdigkeit, Ehrlichkeit und eine klare, erkennbare Linie mit Hausverstand. Politik kann nicht gelingen, wenn man es allen recht machen will. Aber unser Grundsatz ist, das umzusetzen, was wir versprochen haben – und damit dann vor die Bevölkerung zu treten und um das nötige Vertrauen zu werben. Wenn wir damit erfolgreich sind, brauche ich mir sonst nichts zu wünschen. Weil wir damit den Beweis antreten können, dass die Sozialdemokratie Wahlen gewinnen kann, wenn sie auf die richtigen Themen setzt und glaubwürdig ist.