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Dokument zeigt, wie TikTok dich süchtig machen will
Eine Milliarde Menschen weltweit nutzen mindestens einmal pro Monat TikTok. Ein geleaktes Dokument zeigt nun, wie die App süchtig machen soll.
Die Videoplattform Tiktok des chinesischen Mutterkonzerns ByteDance schafft es wie wohl kein anderes Medium, seine Nutzerinnen und Nutzer an sich zu binden. Ende September hat TikTok nach eigenen Angaben die Schwelle von einer Milliarde monatlich aktiven Nutzerinnen und Nutzern überschritten. Für einige kann das sogar in einer Sucht enden. Ende März 2019 teilte TikTok mit, man sorge sich um seine Nutzerinnen und Nutzer. Deswegen könne man seine Bildschirmzeit in der App per sofort kontrollieren und auf Wunsch limitieren – auf 40 bis maximal 120 Minuten pro Tag.
Nun berichten die "New York Times" und der "Spiegel" über ein internes Dokument mit dem Titel "TikTok Algo 100", das bis ins Detail beschreiben soll, wie der bisher unbekannte Algorithmus von TikTok funktioniert. Die Erkenntnisse aus diesem geleakten Dokument lassen nicht darauf schließen, dass TikTok ernsthaft daran interessiert ist, dass weniger Zeit auf der App verbracht wird. Im Gegenteil.
Laut den englischsprachigen Unterlagen ist als oberstes Ziel definiert, dass immer mehr Menschen die App täglich nutzen. Ähnlich wichtig ist TikTok eine starke Bindung und hohe Loyalität der Kundinnen und Kunden. Einfacher zu messen und beeinflussen sei aber, wie viel Zeit jemand auf der App verbringt. Dazu heißt es im Dokument: "Alle Verbesserungen bei der Verweildauer verbesserten auch die Kundenbindung."
Algorithmus zielt auf möglichst lange Bildschirmzeit
TikToks Algorithmus ist demnach konsequent für eine möglichst lange Nutzungsdauer der App ausgerichtet. Von einer Begrenzung oder von Maßnahmen zur Eindämmung der Bildschirmzeit sei im Dokument nirgends die Rede, so der "Spiegel" weiter. Stattdessen werde zum Beispiel erklärt, was man gegen das "Problem der Langeweile" tun könne.
Langeweile könne auftreten, wenn Nutzerinnen und Nutzer ausschließlich Videos angezeigt würden, die ihnen sowieso gefielen. Die Befürchtung von TikTok: Wird jemandem langweilig, schließt diese Person die App. Der Algorithmus soll nun offenbar genau das verhindern. Zum Beispiel durch eine breitere thematische Streuung der angezeigten Videos.
Der Algorithmus zeichnet sich dafür aus, die kleinsten Signale der Anwenderinnen und Anwender zu erkennen. Dazu gehört, wie lange sich jemand ein Video anschaut, wo ein Kommentar gepostet oder ein Like gesetzt wird, oder wann jemand vorzeitig zum nächsten Video wechselt. So gut wie keine Rolle spielen laut des Dokuments die Interessen der Freundinnen und Bekannten. Die App setze stattdessen ganz auf die Analyse der Nutzer-Interaktion.
TikTok als "Abhängigkeitsmaschine"
Nicolas Kayer-Bril von der Berliner Forschungsorganisation AlgorithmWatch bezeichnet TikTok im Interview mit dem "Spiegel" als "eine Abhängigkeitsmaschine". Das Ziel der Videoplattform sei eindeutig: Die Verweildauer auf der App soll erhöht werden. TikTok müsse den "Für-Dich-Feed" eigentlich in "Für-uns-Feed" umbenennen, so Kayer-Bril weiter.
Die App schlage nicht in erster Linie Videos vor, die die Zufriedenheit der Nutzerinnen und Nutzer erhöhen würden, sondern solche, die die Bildschirmzeit erhöhen würden. Kayer-Bril vergleicht die Videoplattform mit Tabakkonzernen: "Die wissen auch, was sie tun müssten, damit ihre Produkte weniger süchtig machen. Aber sie gestalten sie trotzdem anders."
Instagram führt Pausen-Funktion ein
Instagram hat eine Funktion eingeführt, die jugendliche Nutzerinnen und Nutzer der Plattform zum Pause-Machen auffordert. Zudem kündigte die Social-Media-Plattform im Besitz des Facebook-Mutterkonzerns Meta am Dienstag weitere Funktionen an, die junge Nutzerinnen und Nutzer vor schädlichen Inhalten schützen sollen. Die "Take A Break"-Funktion ermuntere Teenager, das Scrollen nach einer Weile zu unterbrechen, teilte Instagram-Chef Adam Mosseri in einem Blog-Post mit. Sie sei am Dienstag für die USA, Großbritannien, Irland, Kanada, Neuseeland und Australien eingeführt worden und solle Anfang nächsten Jahres auch den Rest der Welt erreichen.
Der Tech-Gigant war mit dem Vorwurf konfrontiert worden, nicht genug für den Schutz junger Nutzerinnen und Nutzer zu tun und sieht sich mit neuen Gesetzen konfrontiert, die ihm Beschränkungen auferlegen wollen. Instagram kündigte am Dienstag außerdem an, dass Anfang nächsten Jahres die ersten Tools für Eltern auf den Markt kommen werden, mit denen sie sehen können, wie viel Zeit ihre Kinder bei Instagram verbringen und auch Zeitlimits festlegen können. Zudem würden Funktionen entwickelt, die verhindern sollen, dass Menschen Jugendliche in Beiträgen markieren oder sie erwähnen, die ihnen in dem Netzwerk nicht folgen. Außerdem werde an einer Funktion gearbeitet, die junge Nutzerinnen und Nutzer benachrichtige, wenn sie sich eine Weile auf ein Thema konzentriert hätten. Auch die Empfehlungen für Posts, Hashtags und Konten sollten stärker auf einen Schutz junger Menschen ausgerichtet werden.