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Darum haben Geheimdienste nun Sorgen vor IS-Anschlägen

Im Evakuierungs-Chaos am Flughafen-Kabul könnten IS-Terroristen Raketenangriffe, Autobomben oder Attentäter einsetzen. Nun geht die Angst um. 

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Das Terrornetzwerk Islamischer Staat hat seine "Hauptstadt" Raqqa in Syrien verloren. (im Bild)
Das Terrornetzwerk Islamischer Staat hat seine "Hauptstadt" Raqqa in Syrien verloren. (im Bild)
APA/Picturedesk

Als wäre das Chaos rund um die westlichen Evakuierungsflüge nicht schon groß genug: Die USA halten auch einen Anschlag auf den internationalen Flughafen in Kabul für realistisch. Ihre Sorge gilt aber nicht den militant-islamistischen Taliban, sondern dem mit den Taliban verfeindeten Terrornetzwerk "Islamischer Staat" (IS).

Seine Filiale "Wilaya Khorasan" (Provinz Khorasan), auch IS-Khorasan (IS-K), hat sich längst in Afghanistan etabliert. Wer ist sie? Und wie eng ist sie mit dem "Original-IS" verbunden? Auf die zweite Frage lautet die Antwort: enger als lange gedacht.

Der IS hatte bereits 2014 ehemalige Veteranen der berüchtigten pakistanischen Terrorgruppe Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP) abgeworben - jene Terrorgruppe, die 2011 in die Entführung eines Schweizer Paars involviert gewesen war (der Zürcher Regisseur Michael Steiner hat das Drama eben erst verfilmt).

Befehle vom "Original-IS" aus Syrien/Irak

Zusammen mit einem ganzen Kontingent aus Mitgliedern weiterer pakistanischer Terrormilizen leisteten sie IS-Chef Abu Bakr al-Baghdadi den Treueschwur. Ein Jahr später, 2015, kündigte der IS seine Ausdehnung auf die Region Khorasan an. Diese umfasst historisch gesehen Teile des heutigen Irans, Zentralasiens, Afghanistans und Pakistans.

Der IS-K war so geboren, der zentralasiatische Zweig des "Islamischen Staates". Bis heute soll der IS-K seine Befehle aus den IS-Kernländern Irak und Syrien erhalten.

Afghanistan: "Hauptziel ausländischer terroristischer Kämpfer"

Denn als der IS begann, sein Territorium in Syrien und im Irak zu verlieren, wurde Afghanistan umso wichtiger – es sollte eine neue Basis für sein weltweites Kalifat werden. Entsprechend butterte der IS Hunderttausende Dollar in Aufbau und Organisation seiner Netzwerke in der Region, schreibt das "Center for Strategic and International Studies".

Damit wurde der IS-K auch für ausländische Kämpfer interessant. So freute sich ein Englisch sprechender IS-Kämpfer in einem Video, das der auf Terrorismus spezialisierten SITE-Gruppe vorliegt, bereits 2017 über die Anwesenheit russischer und indischer Kämpfer in "Khorasan".

"Afghanistan ist nach wie vor ein Hauptziel für ausländische terroristische Kämpfer in der Region", hielt der Sicherheitsrat der UNO 2018 fest. "Das öffentliche Auftreten des IS-K, sein globales Prestige und seine nachhaltigen Ressourcen erleichtern die Rekrutierung dieser Kämpfer und ziehen sie von anderen militanten Bewegungen ab."

Angst vor "spektakulärem Anschlag" auf Flughafen begründet

Mittlerweile ist der IS-K für zahlreiche tödliche Angriffe auf Zivilisten in Afghanistan und Pakistan verantwortlich. Erst im Juni bekannte er sich zu einem Anschlag in Kabul mit sieben Toten.

Auch jetzt sei die Angst vor einem "spektakulären Anschlag" groß, wie ein US-Regierungsbeamter "USA Today" sagte. Am Wochenende seien auch deswegen ein Teil der Evakuierungsflüge aus Kabul vorübergehend gestoppt und Alternativrouten zum Flughafen angeschaut worden.

Von einem Raketenangriff auf ein Transportflugzeug, das auf dem internationalen Flughafen Hamid Karzai startet oder landet, bis hin zu einem bombenbeladenen Lastwagen oder Selbstmordattentätern, die sich in die Menschenmenge vor dem Flughafen einschleusen – diese Möglichkeiten liegen gemäß "New York Times" alle auf dem Tisch.

Durch den Sturz der Zentralregierung sei ein Vakuum entstanden, das der IS-K in der ohnehin schon chaotischen Zeit zu nutzen versuche, so Douglas London, einst oberster CIA-Terrorismusbekämpfer für die Region und Afghanistan zum gleichen Portal.

Der direkte Druck fällt weg

Der IS-K sei in der Lage, eine terroristische Operation in Kabul auszuführen – auch wenn er "aufgrund des Drucks, den wir auf sie ausgeübt haben, vor vielen Herausforderungen stand".

Tatsächlich töteten US-Drohnen regelmäßig IS-K-Anführer. Angesichts der umhergehenden Angst vor einer Terror-Tat stellt sich die Frage, wie sehr das die Gruppierung im Land und der Region tatsächlich geschwächt hat. Sicher ist, dass der direkte Druck auf den IS-K mit dem Abzug der westlichen Truppen aus Afghanistan fortan wegfällt.

"Der Islamische Staat wirkt in alle Ecken und Enden der Welt hinein"

Fest steht auch, dass die "Originalversion" der Islamisten, der IS in Syrien und im Irak, sich mit ihren Unterorganisationen ausbreitet und die Gefährdung durch sie weltweit nicht zurückgegangen ist.

"Aus dem Zentrum inspiriert der IS mit modernen Kommunikationsmitteln und wirkt in alle Ecken und Enden der Welt hinein", so Bruno Kahl, Direktor des deutschen Bundesnachrichtendienstes in einem Interview mit der "Süddeutschen-Zeitung". Kahl zufolge werden im Zentralgebiet geplante Initiativen durch sogenannte Tochtergesellschaften exportiert – das zeigt auch das Beispiel IS-K.

Die Machtübernahme der Taliban werde mit einer weltweit erhöhten Terrorgefahr einhergehen, befürchten Sicherheitsexperten. Sie argumentieren: Durch den Erfolg der Taliban fühlen sich Jihadisten aus der ganzen Welt zu Anschlägen ermutigt.

Afghanistan, Libyen, Syrien: Neue Stützpunkte für Anschlagsplanung?

Neben Afghanistan könnten sich auch Libyen und Syrien zu Stützpunkten für die Vorbereitung von Terroranschlägen auch auf europäische oder amerikanische Ziele entwickeln, fürchtet Terrorismusforscher Jassim Mohamad gemäß "DW.de".

Mittlerweile schließen Analysten wie Mohamad oder Guido Steinberg auch nicht mehr aus, dass der IS künftig mit der früher verfeindeten al-Qaida zusammenarbeiten könnte. Es sei durchaus denkbar, dass IS und al-Qaida künftig unter einer Art Schutzschirm der Taliban von Afghanistan aus agierten.

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