Grünen-Attacke auf ÖVP
"Diametral anders" – Koalitionsstreit immer heftiger
In der türkis-grünen Regierung ist ein offener Streit ausgebrochen. Bei einem Gipfeltreffen will sich Gewessler jetzt mithilfe der SPÖ durchsetzen.
Neuer Koalitionskrach gefährdet den Koalitionsfrieden! Um die Frage, ob Österreich dem sogenannten "EU-Renaturierungsgesetz" zustimmen soll, ist ein heftiger Streit entbrannt– die Diskussionen werden auf offener Bühne ausgetragen. Bei einem Gipfeltreffen am Freitag will sich Umweltministerin Gewessler nun durchsetzen. Sie braucht dafür Hilfe aus der SPÖ.
Das Treffen der Landesrätinnen und Landesräte für Umweltschutz in Weißensee (Kärnten) wird man auch in Wien mit Spannung verfolgen. Das EU-Renaturierungsgesetz spaltet die Regierung, Länder in Österreich, aber auch Europa. Noch fehlt auf EU-Ebene die Mehrheit für das Gesetz, das könnte sich mit einem "Ja" aus Österreich ändern.
"Argumente vorgeschoben"
Als Vertreterin Österreichs im EU-Ministerrat ist Gewessler aktuell noch dazu verpflichtet, sich bei einer möglichen Abstimmung zu enthalten, was wie ein Nein zählt. Grund dafür war das bislang das einstimmige Veto der Länder. Wie "Heute" berichtete, bröckelt die Blockade nun: Doch die geschlossene Front der Landeskaiser bröckelte zuletzt durch die Ankündigung von Michael Ludwig und Peter Kaiser (beide SPÖ), doch noch einmal über die Zustimmung diskutieren zu wollen. Die ÖVP blockiert aber weiterhin.
Im ö1 Morgenjournal greift die Grüne Klimaschutz Leonore Gewessler den Koalitionspartner scharf an. Sie sei "diametral anders" anderer Meinung als Landwirtschaftsminister Totschnig. Dessen Argumente seien nur "vorgeschoben". "Dieses Gesetz ist keine Gefahr, sonders unsere Lebensversicherung. Eine intakte Natur ist die Grundlage unseres Lebens", betonte die Grüne.
"Ernährungssicherheit steht vorne drin"
Von Kärnten und Wien forderte Gewessler beim Gipfeltreffen am Freitag nun eine klare Positionierung. "Wenn wir die einheitliche Länderstellungnahme überwinden, werde ich alles dafür tun, dass Österreich für das Gesetz stimmt", versprach sie.
Auch das von Landwirtschaftsminister Totschnig aufgebrachte Argument, wonach das Renaturierungsgesetz Österreichs Ernährungssicherheit gefährde, lässt die Ressortchefin nicht gelten. Die Ernährungssicherheit stehe im Renaturierungsgesetz vorne drinnen. Gewessler attackiert den Koalitionspartner nochmals. Die Blockadehaltung der ÖVP um den Minister für Landwirtschaft wischt die Ministerin weg: "Eine Rechtsauslegung, die immer die Position der ÖVP unterstützt, möchte ich hinterfragen", sagte sie. "Wenn Landwirtschaftsminister Totschnig eigenständig in Brüssel die Umweltstandards abschwächen kann, muss das auch umgekehrt gehen.
Darum geht es beim EU-Renaturierungsgesetz
Durch das Renaturierungsgesetz ("Nature Restoration Law") sollen bis zum Jahr 2050 alle zerstörten Ökosysteme der EU wiederhergestellt werden oder unter Wiederherstellung sein.
Zwischenziel bis 2030 ist, dass ein Fünftel aller Meeres- und Landflächen in der EU Wiederherstellungsmaßnahmen in Kraft sind. So sollen etwa Moore wieder vernässt, Flüsse renaturiert und Wälder zu vielfältigen Mischwäldern umgebaut werden.
Noch fehlt auf EU-Ebene die qualifizierte Mehrheit für das Gesetz im Ministerrat, das könnte sich mit einem "Ja" aus Österreich ändern. Sollte es wie bisher bei der durch die Bundesländer erzwungenen Enthaltung bleiben, gilt diese de facto als "Nein"-Stimme zählen.
Die Bilder des Tages
Auf den Punkt gebracht
- In der türkis-grünen Regierung ist ein heftiger Streit über das EU-Renaturierungsgesetz entbrannt, der den Regierungsfrieden gefährdet
- Klimaministerin Gewessler will sich beim Gipfeltreffen mit Hilfe der SPÖ durchsetzen und fordert eine klare Positionierung von Kärnten und Wien, während sie den Koalitionspartner scharf kritisiert