Welt
Demos in Frankreich eskalieren – Touristen fliehen
Präsident Emmanuel Macron will seine umstrittene Pensionsreform durchboxen. In verschiedenen Teilen des Landes kam es daraufhin zu Protesten.
Der französische Präsident Emmanuel Macron hat am Donnerstag das Parlament umgangen und sich auf eine besondere verfassungsrechtliche Befugnis berufen, um eine umstrittene Pensionsreform durchzusetzen, die das Pensionsalter um zwei Jahre auf 64 Jahre anhebt. Der Schritt löste Proteste aus und wird voraussichtlich Misstrauensanträge gegen seine Regierung auslösen, wie "France 24" berichtet.
Das wütende Gegröle in der Nationalversammlung und die spontane Demonstration auf dem Place de la Concorde gaben wohl einen Vorgeschmack auf die nächsten Tage. "Wer Elend sät, erntet Wut", war auf einem der Plakate zu lesen. Die Polizei löste vereinzelte Proteste mit Wasserwerfern und Tränengas auf.
Wie ein Journalist der "Figaro" berichtet, zieht eine Gruppe von hundert linksextremen Aktivisten durch gehobenere Quartiere von Paris. Touristen haben schockiert die Flucht ergriffen. 73 Festnahmen habe die Polizei am Donnerstagabend in Paris bisher vorgenommen, erfuhr "Le Figaro" aus einer Polizeiquelle. Eine Zahl, die sich im Laufe des Abends wohl noch erhöhen wird.
In Nantes, wo ebenfalls eine Demonstration ausbrach, seien die Bewohner in Bars geflüchtet, weil gewisse öffentliche Plätze so voll mit Tränengas waren, schreibt "Le Fiagro". Auch in Lyon und Rennes sei es zu Ausschreitungen gekommen, in Marseille seien zudem Geschäfte geplündert worden.
Das Pensionseintrittsalter soll im Rahmen einer Pensionsreform, die wohl das wichtigste Gesetz in Macrons zweiter Amtszeit darstellt, um zwei Jahre auf 64 Jahre angehoben werden. Der unpopuläre Plan hat seit Januar landesweit zu großen Streiks und Protesten geführt.
Vom Elend sind französische Pensionisten derzeit deutlich weiter entfernt als in anderen Industriestaaten. Weniger als fünf Prozent leben unterhalb der Armutsgrenze. In den meisten Nachbarstaaten liegt das Rentenalter bereits jetzt deutlich höher.
Rentensystem als Nationalstolz
Doch vielen Franzosen geht es bei den Protesten gegen die Pensionsreform um mehr. Das Pensionssystem gilt als wichtige soziale Errungenschaft, zählt zum Nationalstolz. In Frankreich leiden Beschäftigte häufiger am Arbeitsplatz als in anderen Ländern, die Strukturen sind hierarchischer.
Die Entscheidung, für die Durchsetzung der Reform auf den Verfassungsartikel zu setzen, war nur wenige Minuten vor der Abstimmung in der Nationalversammlung, dem Unterhaus des französischen Parlaments, gefallen.