Wien
Eröffnung von "Lueger-Bauwerk" sorgt für Wirbel
Bei der Eröffnung der umstrittenen Lueger-Installation herrschte Aufregung: Das Kunstwerk verschweige den Antisemitismus Luegers, so die Kritik.
Jahrelange Debatten waren vorangegangen, nun ist es soweit: Die Erweiterung des umstrittenen Lueger-Denkmals ist offiziell eröffnet. Doch die Kritik am Umgang mit Karl Lueger, früherer Bürgermeister und Antisemit, im Stadtbild ebbt dennoch nicht ab.
Mit der 39 Meter langen und 11 Meter hohen Installation "Lueger temporär" erweitern die Künstler Nicole Six und Paul Petritsch das Denkmal um weitere Spuren Luegers in der Stadt. 16 Erinnerungen an den Bürgermeister, von Büsten bis zu Tafeln, wurden in Form ihrer Umrisslinien in Originalgröße auf dem Platz versammelt. Hier sollen sie als "öffentliches Archiv und Erinnerungsspeicher" lagern, der zeigt wie sich Karl Lueger ins Gedächtnis der Stadt eingeschrieben hat. Man wolle damit zum Reflexionsprozess einladen, so die Künstler.
"Kunstwerk öffnet Raum zum Nachdenken"
"Das temporäre Kunstwerk ist ein auffälliges, weithin sichtbares Zeichen, das sowohl einen tatsächlichen als auch einen gedanklichen Raum öffnet, in dem differenzierendes Nachdenken über den politischen Populismus der Vergangenheit und Gegenwart möglich ist", so Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SP). Für Bezirksvorsteher Markus Figl (ÖVP) setze das Kunstwerk ein "sichtbares Zeichen für den Willen zum öffentlichen Dialog". "Ich bin gegen die Entfernung von Geschichte aus dem öffentlichen Raum", stellt er klar.
Für Martina Taig, Geschäftsführerin von Kunst im öffentlichen Raum (KÖR), haben die Künstler die spezifischen Fragen, die das Lueger-Denkmal aufwirft, mit den übergeordneten Fragen zur Erinnerungskultur verbunden. "Sie stellen zur Diskussion, wie wir heute mit den historisch belasteten Bestandteilen unserer Geschichte umgehen sollen."
"Installation ist ein peinlicher Fehlgriff"
Anders sehen das die Jüdischen österreichischen Hochschüleri:innen (JöH), die sich samt Plakaten zum Protest vor dem Denkmal einfanden. Man sei enttäuscht: "Die temporäre Installation ist ein peinlicher Fehlgriff, da sie den Antisemitismus Luegers verschweigt und den ehrenden Charakter der Statue in keiner Weise angreift", kritisiert Präsidentin Sashi Turkof. "Letztendlich wird mit dieser Installation eine weitere Chance vertan, sich klar zur antisemitischen Vergangenheit Österreichs zu positionieren", ergänzt Vize-Präsidentin Victoria Borochov.
FPÖ tobt: "Stadt wirft Geld zum Fenster raus"
Heftige Kritik kommt auch von den Wiener Grünen: "Lueger temporär" schaffe eine weitere Überhöhung der Figur Lueger, betont Kultursprecherin Ursula Berner, die verpasste Chancen sieht: "Wir hätten jetzt im Jahr vor der finalen Neugestaltung des Lueger Platzes die Chance, eine öffentliche Debatte zur Lueger Statue zu führen. Stattdessen steht hier ein riesiges Objekt, das quasi die Recherche-Ergebnisse der Künstler visualisiert. Lueger wird mit der neuen Installation nochmals größer gemacht. Wo bleibt die Kulturvermittlung?"
Für die Wiener FPÖ werfe die Stadt für die temporäre Installation "100.000 Euro beim Fenster raus". Statt Geld "für solche Aktionen unter dem Deckmantel Kunst zu verprassen", fordert Kultursprecher Stefan Berger ein Teuerungspaket für den Kulturbereich sowie einen besonnenen Einsatz der öffentlichen Mittel. Es stehe außer Frage, dass mit der Person Lueger sensibel umgegangen werden muss, so Berger. "Allerdings sind Denkmalsturm und politischer Aktionismus rund um seine Statue nicht die geeigneten Mittel der historischen Reflexion und der damit verbundenen politischen Verantwortung."
Das temporäre Kunstwerk soll vorerst ein Jahr stehen, danach ist eine dauerhafte Installation geplant. Eine Ausschreibung dafür startet demnächst.