Spieletests
"Deadly Premonition 2" im Test: Katastrophal gut
Teil 2 macht weiter, wo Teil 1 Kultstatus bekam. "Deadly Premonition 2: A Blessing in Disguise" ist technisch katastrophal, spielerisch aber gut.
"Deadly Premonition" war im Jahr 2010 eines der ersten Survival-Horror-Spiele mit offener Spielwelt. Doch nicht deshalb erlangte das Spiel schnell Kultstatus. Vielmehr sorgte für Aufregung, dass das Game zwar eine spannende Geschichte erzählte und eine unheimliche Atmosphäre verbreitete, die Grafik und Steuerung aber so schlecht ausfielen, dass Fachmedien es zum Teil verrissen. IGN etwa schrieb, dass das Spiel die "schlechteste Grafik" aufweise, die man auf einer Konsole haben könne.
Doch wahrscheinlich auch dem Kultstatus des Titels ist es zu verdanken, dass es nun einen Nachfolger gibt. "Deadly Premonition 2: A Blessing in Disguise" ist nur auf der Nintendo Switch erschienen und macht genau da weiter, wo der Vorgänger aufgehört hat. Warum aber technische Mängel nicht bedeuten, dass ein Spiel automatisch schlecht sein muss, zeigen wir in unserem Test zu "Deadly Premonition 2: A Blessing in Disguise".
Darf es ein bisschen Verwirrung sein?
Wieder schlüpft man in die Haut des FBI-Agenten Francis York Morgan, wobei man den Vorgänger nicht gespielt haben muss, um sich in Teil 2 sofort zurechtzufinden. Auch deshalb, weil das Game eigentlich vor Teil 1 angesiedelt ist, zugleich aber auch nicht. Verwirrend? Das Spiel besteht aus zwei Teilen, die sich abwechseln. Anfangs befragen im Boston der Gegenwart die Spieler in den Rollen der Serienmord-Ermittler Aaliyah Davis und Simon Jones den gealterten Ex-Agenten Francis Zach Morgan.
Im anderen Part des Spiels ermitteln wir 15 Jahre früher mit Agent Francis York Morgan im vermeintlich friedlichen Örtchen Le Carré quasi in den Erinnerungen des FBI-Manns. Moment mal, wieso Francis Zach Morgan und Francis York Morgan? Um es noch etwas verwirrender zu machen, führt Francis (York) wie im Original Selbstgespräche mit seiner zweiten Persönlichkeit (Zach). Das Absurde dabei: Schon die Selbstgespräche sind absolut skurril, die Sätze, Witze und Phrasen scheinen sich aber oftmals direkt an den Spieler zu richten - auch, weil York dabei meist direkt in die Kamera blickt.
Technische Mängel wohin man schaut
Nicht nur diese Eigenwillige, aber durchaus charmante Eigenheit hat das Spiel aus dem Vorgnger (Nachfolger?) übernommen. Wieder liegt hier technisch einiges im Argen. Das beginnt schon bei der Grafik. Lichteffekte, Schärfe, Detailreichtum und Spielweltgestaltung haben sich kaum weiterentwickelt. Figuren sind abseits der Video- und Zwischensequenzen sehr grob dargestellt, Bäume, Wiesen und Tiere oft nur als Matschflecken erkennbar. Zumindest innerhalb von Häusern gibt es aber mehr und schöne Details, was den Kontrast noch gröber macht.
Weiter geht es mit der Steuerung. Da dem Agenten sein Auto abhanden gekommen ist, kann er sich mit einem Skateboard durch Le Carré bewegen. Das muss man aber erst einmal herausfinden, denn bis auf einen Hinweis in einem schnellen Satz wird man nicht über die Skateboard-Machanik aufgeklärt und findet sie erst, wenn man sich die Steuerungsoptionen ansieht. Generell ist man aber sowieso geneigt, auf das Skateboard zu verzichten, denn manchmal ruckelt die Grafik beim Fahren dermaßen, dass es frustrierend wird.
Skurrile Charaktere und witzige Storys
Auch bei den Ladezeiten braucht man Geduld: Egal ob man eine Missionsaufgabe abschließt oder nur ein Objekt betritt, die Folge sind meist eher kurze, aber ständige Ladebildschirme. Bei den Bewegungen in Videosequenzen und Spielszenen wirkt zudem seltsam statisch: Charaktere gestikulieren kaum, auch ihre Mimik ist fast vollständig eingefroren. Auch ein kleiner "Abturner": Beim Gameplay in der Gegenwart bleibt man auf die Auswahl von Missionsobjekten beschränkt und sieht sich quasi eine Art interaktiven Film an, statt zu ermitteln und zu untersuchen oder umherzulaufen.
Immerhin leisten die englischen Sprecher der teils skurrilen Charaktere über die rund 25 bis 30 Spielstunden ausgezeichnete Arbeit und auch die deutschen Untertitel machen Laune. Und das Spiel zeigt nach den Startschwierigkeiten schnell, dass schlechte Technik nicht gleich ein schlechtes Spiel bedeutet. In der offenen, aber sehr kleinen Spielwelt wimmelt es vor interessanten Figuren, tollen Nebenschauplätzen und witzigen Geschehnissen. Mal fröhnt man als Agent da ungehemmt dem Alkohol in einer Bar und schwankt dann entsprechend durch die Straßen, mal versucht man eine alte Lady von der Bowlingbahn wegzubekommen, um selbst mal spielen zu können.
Zahlreiche Nebenbeschäftigungen
So kann man sich abseits der Hauptstory, bei der es um das Aufsuchen von bestimmten Orten der Stadt und dortiger Hinweis-Suche geht, mit Minispielen wie Bowling und Co. ablenken. Doch auch sonst kann oder muss allerlei erledigt werden. Der Anzug des Agenten sollte regelmäßig gereinigt werden, damit das Vertrauen der Befragten nicht verloren geht, das Hotelzimmer möchte vom eigenen Taschengeld bezahlt werden, das Inventar lässt sich bei Händlern oder Automaten mit Munition, Heilgegenständen und Co. vollstopfen und des Nachts geht man gerne auf Zombiejagd. Oder besser gesagt, lässt sich jagen, denn sobald Mitternacht hereinbricht, lauern unheimlich kichernde Angreifer auf den Straßen, die sich nur schwer abhängen lassen.
Erfordern manche Missionen, bei denen es meistens um das Aufsuchen eines bestimmten Ortes geht, eine genaue Uhrzeit, kann York die Zeit in der Spielwelt mit dem Rauchen einer Zigarette vergehen lassen. So verhindert das Spiel, dass man beim Abarbeiten der Aufträge auf lange Wartezeiten trifft. Mit gesammelten Items in der Spielwelt lassen sich, wer dennoch abseits der Hauptstory etwas tun will, Upgrades für ein sehr simples Skill-System herstellen. Dabei sammelt York die in einer Liste angegeben Gegenstände wie Vogelfedern oder Krokodilsschuppen, trägt diese zu einem Vodoo-Experten und lässt sich dort einen "Fetisch" herstellen, der auf einer Art Privataltar positioniert Gesundheit, Ausdauer und Co. erhöht.
Die Handlung als Herzstück
Geht es dann wieder darum, mit der Pistole auf Zombies oder Tiere in der Spielwelt zu schießen, zeigt sich wieder das technische Grundproblem des Games. Die Steuerung wirkt wackelig, statt genauer Schüsse landet man meist nur Glückstreffer. Das Komische dabei: Beim Spielen werden diese Unzulänglichkeiten schnell egal und man fiebert entweder mit der spannende Story mit oder lacht einfach nur noch über die Macken und die staksigen Bewegungen der Figuren. Die Handlung ist hier das wahre Highlight, denn in der Stadt Le Carré, wo zwar alle Bewohner freundlich und verschroben erscheinen, geht etwas Böses während einer Serie von Morden um.
"Deadly Premonition 2: A Blessing in Disguise" ist ein gelungenes Beispiel, dass technische Fehler nicht ein Durchfallen eines Videospiels bedeuten müssen. Hier wischt man sie schnell beiseite und hat Spaß, immer tiefer in die spannende und manchmal unheimliche Handlung einzutauchen. Gleichzeitig schmerzt das Vorkommen dieser großen Menge an technischen Schwierigkeiten gerade bei diesem Game gewaltig. Denn würde auch die Technik super hinhauen, wäre das Spiel wohl nicht nur für Kenner und Fans, sondern für jeden Switch-Zocker ein wahres Vergnügen.