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Das steckt hinter der Gewaltwelle in Burma
Bei den seit einer Woche andauernden, ethnisch motivierten Kämpfen in Burma starben Hunderte Menschen. Das sind die Gründe für den Konflikt.
Die Rebellen sind mit Macheten und Gewehren bewaffnet und gehören zur muslimischen Minderheit der Rohingya. Ihre seit einer Woche andauernden Kämpfe mit den Sicherheitskräften in Burma kosteten bis Freitag fast 400 Menschen das Leben. Die meisten Opfer sind Rohingya, mindestens 38.000 Menschen flohen ins benachbarte Bangladesh. Der seit langem schwelende Konflikt in Burma erreicht damit einen neuen, traurigen Höhepunkt. Die Arakan Rohingya Salvation Army (Arsa) hat die Verantwortung für die Angriffe übernommen.
Wo liegen die Ursprünge der Arsa?
Die Gruppe wurde laut einem Bericht der International Crisis Group (ICG) 2016 von Rohingya im Exil in Saudi-Arabien gegründet. Als Führer gilt Attullah Abu Amar Jununi, ein in Pakistan geborener Rohingya, der in Mekka aufwuchs. Hinzu kommt ein Komitee aus etwa zwanzig weiteren emigrierten Rohingya. Laut ICG könnten Jununi und andere Mitglieder eine militärische Ausbildung in Pakistan und Afghanistan erhalten haben. Es wird vermutet, dass die Arsa von Rohingya im Ausland sowie von Spendern in Saudi-Arabien und anderen Teilen des Mittleren Ostens finanziert wird.
Warum entstand die Gruppe?
Beobachter machen das politische Klima in Burma dafür verantwortlich. Den rund eine Million Rohingya wurden im mehrheitlich buddhistischen 53-Millionen-Staat Burma grundlegende Rechte sowie die Staatsbürgerschaft verweigert, weil sie Eindringlinge aus Bangladesh sein sollen. Viele Rohingya leben aber seit Generationen in Burma, und Bangladesh will sie nicht aufnehmen. Nach antimuslimischen Unruhen im Jahr 2012 mit 120'000 vertriebenen Rohingya wurde keine politische Lösung gefunden. Dies – sowie die Tatsache, dass die Rohingya nicht an der Wahl 2015 teilnehmen durften – bereitete den Boden für eine bewaffnete Rebellion.
Wie kam es zur Eskalation der Gewalt?
Bei der ersten bekannten Aktion der Arsa im Oktober 2016 überfielen Hunderte Rohingya im Staat Rakhine drei Polizeistationen und töteten drei Beamte. Die staatliche Armee antwortete mit einem monatelangen Gegenschlag. Dörfer wurden niedergebrannt, die Uno warf den Sicherheitskräften Maßenvergewaltigungen und die Tötung von Kindern und Babys vor. Einige Grausamkeiten könnten als Verbrechen gegen die Menschlichkeit gewertet werden.
Beim jüngsten Angriff nahm die Arsa mindestens zwei Dutzend Polizeiposten ins Visier – und das in einem wesentlich größeren Gebiet als bisher. Die koordinierten Attacken zeigen, dass ihre Fähigkeiten gewachsen sind und sie sich neue Taktiken zugelegt hat. Laut ICG gibt es neuerdings Hinweise auf die Tötung von Zivilisten, während zuvor Vertreter des Staates angegriffen wurden. Wenn das zutreffe, sei das eine bedrohliche Entwicklung, die den Konflikt dramatisch zuspitzen könnte, sagt ICG-Asien-Direktorin Anagha Neelakantan.
Was ist die Botschaft der Gruppe?
Zu Beginn nannten sich die Aufständischen Harakah al-Jakin, was Bewegung des Glaubens heißt. In ersten Videobotschaften wurde der Name mit arabischer Schrift unterlegt, was Spekulationen nährte, die Gruppe stehe in Verbindung mit weltweiten Terrororganisationen. Beobachter gehen jedoch nicht von jihadistischen Motiven aus. Die Arsa selbst habe betont, dass sie nicht mit Terrororganisationen verbunden sei, wie der unabhängige Experte David Mathieson aus Rangun sagt. Die Gruppe beteuere, dass sie aus Freiheitskämpfern bestehe, die ihr Volk verteidigen wollen.
Die Aufständischen änderten ihren Namen in Arakan Rohingya Salvation Army (Arsa), wobei Arakan ein anderes Wort für die Region Rakhine ist. Jununi erklärte diese Woche in einer Videobotschaft, dass sich die Arsa als Beschützerin der unterdrückten Rohingya verstehe und einen Verteidigungskrieg gegen Burmas Armee führe. Die Regierung bezeichnet die Arsa dagegen als "extreme bengalische Terroristen".
Gibt es Hoffnung auf Frieden?
Es ist unklar, wie stark die Arsa ist und wie viel Unterstützung sie unter den Rohingya in Burma hat. Laut ICG gibt es Berichte, wonach die Arsa Informanten hingerichtet habe, um ihre Macht zu vergrößernn. Angesichts des brutalen Vorgehens der Armee nach den Angriffen im vergangenen Jahr müssten die Aufständischen mit einer noch schwereren Vergeltung rechnen. "Sie schaden ihrer Sache klar mehr, als sie ihr nutzen", sagt ICG-Asien-Direktorin Neelakantan. Auch Experte Mathieson ist pessimistisch: "Wenn das Töten einmal begonnen hat, ist es schwer, das unter dem Deckel zu halten." (mlr/sda/dapd)