Fussball

Das Rapid-Dilemma! Alle schuldig, alle raus?

Rapid taumelt – am Platz und in der Führungsetage. Nun wird eine Kompromiss-Liste gewählt. Für Klub-Ikone Hans Krankl ein Fehler. Er hat wohl Recht!

Heute Redaktion
Der Block West forderte: "Alle schuldig, alle raus".
Der Block West forderte: "Alle schuldig, alle raus".
Gepa

Ein Kommentar von "Heute"-Sportchef Klaus Pfeiffer.

„Alle schuldig, alle raus“! Dieses Plakat prangte im ersten Spiel nach dem historischen Europacup-Aus gegen den zweitklassigen FC Vaduz aus Liechtenstein im „Block West“ des Allianz Stadions.

„Alle schuldig, alle raus“? Damit kommen die Hardcore-Fans der Hütteldorfer Wahrheit sehr nahe. Tatsächlich tragen wohl alle eine Schuld an der aktuellen Situation Rapids: die Klubspitze, die sportliche Führung, die Spieler und jene Fans, die sich in die Klub-Politik einmischen.

Eine gemeinsame Liste

Ändern wird sich daran jedoch so schnell nichts. Teile des alten Präsidiums werden auch im neuen vertreten sein. Stefan Singer zog seine Liste zurück, wird aber mit Stefan Kjaer und Michael Hatz auf der einzig zur Wahl stehenden Liste von Alexander Wrabetz vertreten sein. Der Ex-ORF-Chef wird bei der Hauptversammlung am 26. November neuer Rapid-Boss werden, bringt als Vize-Präsidentin die aus Tirol stammende Vize-Rektorin der Wiener Wirtschaftsuniversität Edeltraud Hanappi-Egger (Schwiegertochter der Klub-Legende Gerhard Hanappi) mit, dazu die SPÖ-Politikerin Nuten Yilmaz, Geschäftsmann Michael Tojner, Rechtsanwalt Christian Podoschek und den grün-weißen „Fußballgott“ Steffen Hofmann. Als sportliches Ziel der nächsten Jahre wurde in einer ersten Stellungnahme ein Platz unter den ersten drei ausgegeben. Nicht sehr ambitioniert für einen Klub, der schon jetzt mit Abstand über das zweithöchste Budget der Liga verfügt.

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    Das sind die Sommer-Neuzugänge von Rapid
    Das sind die Sommer-Neuzugänge von Rapid
    GEPA

    Für Jahrhundert-Rapidler Hans Krankl gehen die Änderungen nicht tiefgreifend genug. „Es kann nicht funktionieren. Rapid muss einen Neuanfang schaffen mit neuen Leuten von A bis Z“, sagt er und prangert auch die gesunkene Erwartungshaltung bei seinem Herzensverein an: „Ziel muss sein, Meister zu werden. Jetzt heißt es: Wenn wir Zweiter sind, sind wir super. Es hat auch schon geheißen, wenn man einen Europacupplatz erreicht, ist es ein Erfolg. Die Wahrheit ist, wenn du Zweiter bist, bist du erster Verlierer.“

    Schönrederei

    Tatsächlich hat Rapid die sportliche Erwartungshaltung in den letzten Jahren immer weiter heruntergeschraubt, hat knappe Niederlagen als Erfolge verkauft, derbe Schlappen schöngeredet, wirtschaftliche Zuwächse gefeiert wie früher Titel am Rasen. Wer die Reden bei Weihnachtsfeiern und die Loblieder aufeinander hörte, musste glauben, er sei beim regierenden Champions-League-Sieger. Eine Aufarbeitung oder ein echtes Hinterfragen von sportlichen Blamagen gab es nie. „2:7 gegen Salzburg? Naja, gegen uns sind sie halt immer besonders motiviert. Dafür waren wir im Cup nahe dran“, hörte man als Erklärung.

    Wenn eine Klub-Ikone wie Peter Pacult den Verein kritisierte, wurde es damit abgetan, dass er sich wohl wieder einen Job in Hütteldorf gewünscht hätte, aber nicht zum Zug gekommen und daher frustriert sei.

    Für den Verein reichte es, dass die Zuschauer weiter ins Stadion kamen, dass Sponsoren weiter kräftig einzahlten, dass jede noch so kleine Aktion groß vermarktet wurde.

    Kommerzialisierung?

    Als ein neuer Autopartner präsentiert wurde, war in der offiziellen Aussendung die Rede von einem vierten Stern für den Klub. Selten werden sportliche Errungenschaften so unverblümt mit wirtschaftlichen Interessen vermischt. Und das bei einem Verein, der keine Gelegenheit auslässt, um sich von der Kommerzialisierung des Fußballs zu distanzieren.

    In Wahrheit steckt er mittendrin: Rapid-Trikots kosten für die Anhänger ligaweit am meisten, die VIP-Plätze im Stadion nehmen eine gesamte Längstribüne ein, im Fanshop wird alles zu Geld gemacht. Auch die Spieler müssen herhalten. Bei Business-Abenden stehen schon einmal Leistungsträger Spalier, schütteln den Gästen die Hände. Man sei eben ein Verein zum Anfassen, heißt es dann. Alt-Funktionäre meinen eher: „Es ist nicht mehr zu fassen! Rapid ist ein PR-Unternehmen geworden, mit einer Sektion Fußball.“

    "Auftrag, Titel zu holen"

    Der Klub wird nicht müde, ungefragt ständig seine gesellschaftliche Verantwortung zu propagieren. „Dabei hat er die gar nicht, er hat nur einen Auftrag, nämlich Titel zu holen. Das erwarten die Fans“, sagt ein ehemaliger Top-Manager zu „Heute“.

    Doch die PR-Maschinerie läuft. Es gibt viele Aktionen, gegen Gewalt, für Vielfalt, es wird Geld gesammelt, Blut gespendet, es gibt einen Rapid-Lauf, eine Rapid-SIM-Karte zum Telefonieren, aktuell wird zur Prostatakrebs-Vorsorge aufgerufen. Jüngst wurde der „VARTA-Rookie“ ins Leben gerufen. Nach jedem Match der Kampfmannschaft wird der beste jüngste Spieler geehrt. Da kann es passieren, dass Rapid untergeht – am Ende aber wird jedenfalls ein „Rookie“ gefeiert. Was ist das für ein Signal nach innen und außen? Leistungsdenken sieht anders aus.

    Warten - seit 14 Jahren

    2008 fixierte Rapid mit Coach Peter Pacult den 32. und bis dato letzten Meistertitel. Das ist mittlerweile 14 Jahre her. Präsident damals war der im Vorjahr verstorbene Rudi Edlinger. Auf ihn folgte 2013 Michael Krammer. Nach zwei Amtszeiten übernahm 2019 Martin Bruckner, der zuvor Krammers Präsidium angehört hatte.

    Krammer und Bruckner – in ihren neun Jahren schlitterte Rapid von einem sportlichen Debakel in das nächste, darunter historische Tiefpunkte: 2:7 daheim gegen Salzburg, 1:6 auswärts bei der Austria, das Verpassen des Meister-Playoffs, letzte Saison ein Rekordrückstand auf Meister Salzburg, heuer das Europacupaus gegen einen Fußballzwerg aus Liechtenstein. Längst ist dadurch ein nationaler und internationaler Imageschaden entstanden, wie zuletzt auch Klub-Legende Michi Konsel feststellte.

    Von Krammer zu Bruckner

    Bruckner hat die Konsequenzen gezogen, wird sich seiner Wiederwahl im November nicht mehr stellen – auch wegen des Drucks einiger Fans, die ihn 2019 noch ins Amt gehievt haben. „Rapid ist so nicht führbar“, sagt er. Stimmt, doch das hätte er vor drei Jahren auch schon wissen müssen, als er zur Wahl antrat und meinte, der unter Krammer eingeschlagene Weg sei noch nicht zu Ende.

    Krammer zieht als Kuratoriumsmitglied im Hintergrund nach wie vor die Fäden. Dem Vernehmen nach hätte er heuer gerne Andy Marek als Präsidentschafts-Kandidat gehabt, doch der sagte ab, kann sich das erst 2025 vorstellen. 2019 soll Krammer mitgeholfen haben, Bruckner-Gegenkandidat Roland Schmid zu verhindern. 2013 war er als Mitglied des Wahlkomitees dabei, als das Antreten von Erich Kirisits und Hans Krankl für die Edlinger-Nachfolge im letzten Moment vereitelt wurde. Zum Zug kam am Ende: Krammer. Sein Versprechen „Rapid in die Top 50 Europas zu führen“: ein Versprecher, der Klub ist aktuell weit davon entfernt, kämpft vielmehr darum, in der heimischen Liga nicht erneut die Top 6 zu verpassen.

    Präsidium und die Fans

    Gegenwind vom „Block West“ gab es trotz der sportlichen Tiefschläge nie. Auch weil sich das Präsidium immer hinter jene Fans stellte, die den Verein viel Geld kosteten. Bei seinem Rücktritt 2019 bedankte sich Krammer bei den Fan-Capos für deren Loyalität.

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      Eklat nach der Blamage gegen Vaduz: Rapid-Fans stürmen den VIP-Bereich, stellen unter anderem Rapid-Präsidiumsmitglied Stefan Singer (r.) zur Rede.
      Eklat nach der Blamage gegen Vaduz: Rapid-Fans stürmen den VIP-Bereich, stellen unter anderem Rapid-Präsidiumsmitglied Stefan Singer (r.) zur Rede.
      Gepa

      Fakt ist: Ab der Ära Krammer bekamen die Hardcore-Fans noch mehr Gewicht. Wer sich intern dagegen stellte, musste gehen. Wie Sportchef Andreas Müller, der kritisierte, dass ein Fan-Mob den Spielerbus auf einer Autobahnraststätte stellte, die Spieler zu einer Aussprache zwang. Einem von den Fans geforderten Treffen mit ihm stimmte er danach nicht zu. „Ich liege nicht wie Krammer und Peschek (Anm. Geschäftsführer Wirtschaft Christoph Peschek) mit ihnen im Bett“, meinte der Deutsche damals. Und zu den Fans: „Aus einem herausragenden Support den Anspruch abzuleiten, Einfluss auch wichtige Personalentscheidungen im Klub zu haben, ist Wahnsinn.“

      Dieser Einfluss aber war längst da. Ein Beispiel: Als sich herausstellte, dass Neuzugang Maximilian Entrup eine Austria-Fanklub-Vergangenheit hatte, wurde er vom harten Fankern abgelehnt, durfte nicht mehr mit den anderen Spielern nach Matchende zur Tribüne kommen, sogar ein Böller wurde auf ihn beim Aufwärmen geworfen. Für Müller ein No-Go, für die Klubspitze scheinbar in Ordnung. Auch die Spieler gaben ein unrühmliches Bild ab, stellten sich hinter die Fans, nicht hinter den jungen Kollegen. Eine Charakterfrage, die sich auch dann immer stellte, wenn am Rasen Typen benötigt wurden – und nicht mehr da waren.

      Kein Eingreifen gegen Fans

      Der Verein griff auch nicht ein, als die Fans Politiker und Polizeispitze ins Fadenkreuz nahmen, als Journalisten als „Terroristen“ bezeichnet wurden, als Hans Krankl nach einer Kritik an der Klub-Politik verunglimpft wurde. Krankl, der Goleador, der Vater vieler großer Siege, der Rapidler schlechthin. Nicht auszudenken, Bayern-Fans hätten Gerd Müller so bepöbelt - Uli Hoeneß hätte sie einzeln aus dem Stadion geschmissen. Bei Rapid hieß es: „Meinungsfreiheit endet nicht am Stadiontor“. Freilich: Als sich diese Meinungsfreiheit einmal aus einer VIP-Loge gegen die eigenen Fans richtete, die den Ex-Rapidler Maxi Wöber während eines Spiels übelst beleidigt hatten, war die Klubführung nicht so nachsichtig, ließ zu, dass ein Transparent entfernt wurde. Man hat sich eben arrangiert, benutzte sich gegenseitig.

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        Hofmann: "Meine 20 Rapid-Jahre"
        Hofmann: "Meine 20 Rapid-Jahre"
        GEPA

        Bis jetzt. Nach dem Aus gegen Vaduz stürmten Leute aus dem „Block West“ zu den VIP-Logen, wollten zur Klubspitze rund um Bruckner vor.

        Auch mit Geschäftsführer Christoph Peschek ist das Band zerschnitten. „Es gab einen internen Vorfall“, erzählte ein Klub-Insider „Heute“. So heftig, dass Peschek den Hut nehmen wird. Die einvernehmliche Trennung wurde bereits beschlossen.

        Kein Stadion-Hexenkessel

        Dabei ist Rapid auch längst bei den Fans gespalten, auch innerhalb des „Block Wests“. Außerhalb schüttelt der große grün-weiße Anhang ohnehin den Kopf über manche Aktionen einer Minderheit und wundert sich über deren mächtigen Einfluss auf den Verein. „Rapid hat 32 Meistertitel, 16 Cup-Siege, stand in zwei Europacup-Endspielen, war auf der Fußball-Weltkarte ein Begriff – von diesen paar Fans hat dazu keiner was beigetragen“, meint ein jahrzehntelanger Abo-Besitzer zu „Heute“.

        Auch das neue Allianz-Stadion wird zwiespältig gesehen. Natürlich war das alte Stadion schon in die Jahre gekommen, ein Hexenkessel wie es das „St. Hanappi“ für den Gegner oft war, ist die neue Heimstätte noch nicht. Das liegt auch an der eigenartigen Längstribüne, die zum großen Teil den VIPs vorbehalten ist, einen übergroßen Bereich für Journalisten hat und dementsprechend während eines Spiels auch teilweise unbesetzt und stimmungslos ist. Der „Block West“ ist zwar lautstark, nicht alles dabei hat aber mit dem Geschehen am Spielfeld zu tun. Seit der Eröffnung 2016 gab es einen Gänsehautmoment: die Verabschiedung von Steffen Hofmann. Auch wenn die Klubspitze nach Europacupsiegen gegen Mittelständler gerne von „magischen Fußballabenden“ sprach – daran sah man schon, wie weit die Ansprüche gesunken waren.

        Titel? Nicht mehr das Ziel Nummer eins, zu groß sei der finanzielle Vorsprung von Serienmeister Salzburg, hört man jedes Jahr aufs Neue. Mittlerweile glauben es auch die Trainer und die Spieler, wohl auch viele junge Fans, die Rapid-Sternstunden nur von der Playstation kennen. Dabei war der Klub einst bekannt und gefürchtet dafür, das Unmögliche möglich zu machen, als David den Goliath in die Knie zu zwingen. Wer immer auch gekommen ist, es galt: Rapid wehrt sich. Das Finanzielle spielte dabei keine Rolle. Die Austria mit der Geldbörse von Frank Stronach, Tirol mit den Millionen von Swarovski, Sturm Graz mit Hannes Kartnig, Inter Mailand mit den deutschen Weltmeistern Matthäus, Klinsmann und Brehme – sie alle hinderten Rapid nicht am Gewinnen. „Geld schießt keine Tore“, war noch die Ansage von Ex-Präsident Rudi Edlinger. Und wenn doch, hat man in der Rapid-Viertelstunde eben eines mehr geschossen.

        Anspruch und Wirklichkeit

        Im Leitbild des Klubs heißt es: „Der SK Rapid ist österreichischer Rekordmeister. Der Erfolg ist uns Erbe und Gebot zugleich. Daher ist es unser Anspruch, immer ganz oben zu stehen.“

        Anspruch und Wirklichkeit – das passt in Hütteldorf schon lange nicht mehr zusammen. Zum Spitzenspiel beim LASK schickte Ex-Coach Ferdinand Feldhofer eine C-Mannschaft auf das Feld, programmierte so die Niederlage vor. Das B-Team wollte er für den Europacup schonen, ein A-Team hat er sowieso nie gefunden. „Belastungssteuerung“ nannte er seine ständigen Rotationen. Ein Sportwissenschaftler muss schmunzeln: „Bevor man steuert, muss man belasten.“

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          Das Rapid-Trainingszentrum wächst und gedeiht
          Das Rapid-Trainingszentrum wächst und gedeiht
          GEPA

          Jetzt steht wieder Zoran Barisic an der Seitenlinie. Krammer hatte ihn 2016 als Coach gefeuert, 2019 als Geschäftsführer Sport zurückgeholt. „Heute ist ein guter Tag für den SK Rapid, der Start in eine neue Zukunft“, sagte Krammer damals. Die neue Zukunft? Die heißt aktuell Platz sieben in der Tabelle, mit dem Kader, den Barisic zusammengestellt hat. Er feuerte Coach Ferdinand Feldhofer, zuvor schon Didi Kühbauer. Jetzt gibt er neben dem Sportchef auch den Trainer – und kann sich das länger vorstellen. Der Last-Minute-Ausgleich letzte Woche zum 3:3 bei Aufsteiger Lustenau wurde gefeiert und als Schritt nach vorne verkauft. Die Realität: In der Tabelle liegt Rapid nicht nur hinter Salzburg, auch hinter Klubs wie Wattens und Klagenfurt.

          Wie zum Präsidium hat Krankl auch zum Thema Barisic eine klare Meinung: „Er ist für die sportliche Situation verantwortlich, er muss wie der Trainer gehen.“

          Doch, „alle schuldig, alle raus“, davon ist man in Hütteldorf aktuell noch so weit entfernt wie vom 33. Meistertitel. Das neue Präsidium hat es ab dem 26. November in der Hand, den Weg dorthin kürzer zu machen. Für eine „neue Zukunft“. Diesmal aber wirklich.

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