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Ich antwortete einem Mail-Betrüger – das geschah
Ständig erreichen uns Mails, die uns Erbschaften und Lottogewinne in Millionenhöhe versprechen. Das passiert, wenn man darauf antwortet.
"Hallo, ich habe ein Geschäftsangebot für Sie". Fast täglich bekomme ich Mails wie diese. Manchmal gewinne ich im Lotto, obwohl ich eigentlich gar nicht spiele. Manchmal will mir der berüchtigte nigerianische Prinz einfach aus Barmherzigkeit sein halbes Vermögen überweisen. Üblicherweise lösche ich diese Mails, ohne sie überhaupt anzuklicken.
Aber vor ein paar Monaten hat mich ein gewisser Herr Alan Austin in einem schwachen Moment erwischt. Auch er wollte mit mir über ein "Geschäft" sprechen und ich dachte mir: "Na gut, Herr Austin. Schießen Sie los!"
Alan, mein Bruder
Alan Austin erklärt mir, dass er ein Bankangestellter der "Credit Suisse Bank" in London sei. Leider müsse er mir die traurige Nachricht überbringen, dass Dr. Manzoor Hassan bei den Anschlägen in Sri Lanka gestorben sei. Jedoch dürfe er mir mitteilen, dass Herr Hassan einen Fonds hinterlassen habe und dieser – wie sollte es anders sein – im Todesfall an mich überwiesen werde. Falls ich das Geld nicht wolle, so gehe es an den Staat. Genau das will der freundliche Herr Austin jedoch verhindern.
Natürlich ist das auch nicht in meinem Interesse, und so antworte ich sofort: "Danke für das lukrative Geschäftsangebot!" Zunächst spreche ich Dr. Hassan mein Beileid aus (den ich zwar auch nach längerem Recherchieren nicht mit den Anschlägen in Sri Lanka in Verbindung bringen kann, aber man wird mich doch nicht anlügen), und frage dann gleich nach, worum es denn konkret geht.
Herr Austin antwortete mir noch am selben Abend, dass es um 15,8 Millionen britische Pfund gehe. Er habe lange nach überlebenden Verwandten gesucht und voilà: Hier bin ich! Weiter schreibt er mir, dass er uns beide nicht nur als Team sieht, sondern in mir viel mehr einen Bruder zu erkennen glaubt. Alles was er von mir braucht: Name, Alter, Mail, Fax, Telefonnummer und Adresse.
Der fast schon zu perfekte Ausweis
Zu Tränen gerührt reagiere ich natürlich auf Alans Angebot (als Brüder lassen wir das Siezen weg) und bedanke mich dafür, dass er so ehrlich und korrekt ist. Jedoch habe ich aus seiner Mail auch herausgelesen, dass er 60 Prozent vom Fonds haben möchte. Geht gar nicht, denk ich mir und meine: "Ist es ok für dich, wenn du 40 Prozent bekommst?" Außerdem hört man ja viel über Betrüger in den Medien deshalb bitte ich ihn um eine Kopie seines Ausweises, um seine Identität zu bestätigen.
Danach wird es still. Einen Tag lang reagiert Alan nicht mehr. Ich mache mir schon richtige Sorgen und schreibe: "Alan? Alles ok?"
Mein Handy vibriert einige Stunden später tatsächlich in meiner Hosentasche. Was ich auf dem Display erblicke, versüßt mir den Tag. Denn es ist keine Nachricht von meiner Freundin, die mich spontan mit Liebesbekundungen überschüttet. Nein, es ist mein Bruder: Alan!
Tatsächlich schickt er mir eine sehr authentisch wirkende Kopie seines Ausweises mit. Das Passfoto wirkt keineswegs hineinbearbeitet. Die Schrift sieht nicht so aus, als ob sie mit der schlechtesten Version von Paint über das Bild getippt worden sei. Und in der Unterschrift lese ich klar und deutlich "Alan Austin" heraus. Fast schon zu perfekt.
Ein wenig stutzig werde ich, als ich bemerke, dass sein Pass bereits im April des Jahres abgelaufen ist. Aber mein Gott, kann ja passieren. Hauptsache Alan erneuert ihn so bald wie möglich, denn ich bitte ihn um ein Treffen. Außerdem erkläre ich ihm, dass ich bemerkt habe, dass ich gar kein Fax habe. Deshalb sollten wir das ganze auch lieber von Angesicht zu Angesicht klären.
Familie aus dem Spiel
Bruder Alan versichert mir, dass wir das Geschäft auch ohne Fax hinter uns bringen würden, aber ein Treffen würde er lieber erst nach der Transaktion machen. In der Mail erfahre ich auch, dass Alan eine Frau hat.
Wieder von Emotionen erschlagen, frage ich ihn, was er denn mit seinem Anteil anstellen will. Es ist ja doch eine Mega-Summe. Apropos "Mega-Summe": Ich möchte von Alan wissen, ob wir nicht irgendwelche steuerlichen Schwierigkeiten bekommen.
Mein neugewonnener Bruder wirkt schon langsam ein wenig genervt und antwortet lediglich, dass ich mir keine Sorgen wegen den Steuern machen und ihm endlich die Daten schicken solle. Kurz und knapp erklärt er mir zudem, dass er vor hat, mit seiner Familie nach Österreich oder Deutschland zu ziehen und dort seinen Ruhestand zu genießen.
"Das finde ich ja großartig", antworte ich ihm und schlage ihm direkt vor, dass wir gerne etwas gemeinsam unternehmen können. Weil ich es aber kaum erwarten kann, seine Familie kennen zu lernen, bitte ich ihn um ein Foto. Klarerweise bekommt Alan auch eines von meiner Familie. Oder zumindest von einer Familie aus Google, weil ich hatte zu dem Zeitpunkt kein Bild zur Hand, aber kommt ja aufs Gleiche.
Alan – wieder ein Tick genervter – versteht nicht, weshalb ich das "Geschäft" verzögere. "Wir müssen schnell handeln", schreibt er mir.
Ich werde dich vermissen
Aber stressen lasse ich mich nicht! Ich zeige mich enttäuscht über seinen scharfen Ton. Ich meine: Er bekommt 40 Prozent von meinen (!) 15,8 Millionen. Da ist es doch das Mindeste, dass ich ein wenig mehr über meinen Bruder erfahre. Ich gestehe ihm, dass meine Skepsis ihm gegenüber wächst.
Alan sieht das scheinbar ein und wie es sich für einen Bruder gehört, erzählt er mir, dass seine Tochter in Oxford studiere. Seine Frau lasse mich grüßen und für mein Bild bedankt er sich. Von ihm gibt es jedoch keines. Schade.
Zudem öffnet er sich mir: Er habe bereits in der Vergangenheit ein ähnliches Geschäft durchziehen wollen. Jedoch wurde er von einem Russen bedroht, weshalb er, der arme Alan, ihm das ganze Geld überlassen habe. Tragische Geschichte.
Leider teile ich meinem Bruder mit, dass ich immer noch nicht schlau aus Dr. Hassan geworden bin. Alan, der anscheinend immer genervter wird, reagiert einfach mit der allerersten Mail, die er mir zukommen hat lassen. Unser Kontakt verwässert sich langsam. Es ist heute irgendwie nicht mehr dasselbe. Ein paar Mal schreibe ich Alan noch an, er reagiert jedoch nicht mehr auf meine Mails. Ich hoffe nicht, dass er mich blockiert hat.
Vorsicht vor "Phishing-Mails"
Was sich in dem Fall möglicherweise lustig liest, hat natürlich einen ernsten Hintergrund. Die Zahl der sogenannten "Phishing-Mails" steigt immer weiter an. Doch nicht nur, dass die Nachrichten im Postfach nervig sind: Immer wieder fallen Menschen auf die betrügerische Masche herein. Erst kürzlich überwies eine Dame dem vermeintlichen Freund von Cathy Lugner 45.000 Euro. Ein Mann gab an, dass er in einer misslichen Lage stecken würde und deshalb Geld brauche.
Die Polizei betont immer wieder in Aussendungen, dass man auf dubiose Mails am besten nicht reagieren und mit den persönlichen Daten generell sehr umsichtig umgehen sollte. Lieber drei Mal überlegen, bevor man seine Bankdaten irgendwo eintippt. (slo)