Ukraine

Darum steckt wohl Putin hinter Jewgeni Prigoschins Tod

Der Aufstand von Jewgeni Prigoschin vor zwei Monaten war eine Demütigung für Wladimir Putin. Wie so oft musste ein Putin-Kritiker sein Leben geben.

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    Mittwochnachmittag meldete Russland den Absturz eines Privatjets nördlich Moskaus. Erste Fotos vom Absturzort in der Nähe des Dorfes Kujenkino in der Region Twer zeigen das brennende Wrack. 
    Mittwochnachmittag meldete Russland den Absturz eines Privatjets nördlich Moskaus. Erste Fotos vom Absturzort in der Nähe des Dorfes Kujenkino in der Region Twer zeigen das brennende Wrack.
    via REUTERS

    Vor zwei Monaten, am 23. Juni, startete Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin seinen Kurz-Aufstand gegen Moskaus Militärführung. Nun ist sein Privatjet in der Nähe von Moskau abgestürzt. Mutmaßlich wurde das Flugzeug abgeschossen oder in der Luft gesprengt.

    Bereits beim Aufstand Prigoschins waren sich westliche Medien einig, dass Putin sich rächen werde. Der Kremlchef, der im Laufe seiner über 20-jährigen Herrschaft die Opposition ausgeschaltet und die Medien gleichgeschaltet hat, sah an diesem 23. Juni geschwächt aus wie noch nie. Die Wagner-Kämpfer konnten scheinbar ungehindert Hunderte Kilometer in Richtung Moskau marschieren. Für Putin eine Demütigung und Blamage.

    "Putin wird sich mit seiner Rache Zeit lassen"

    Nach dem "Marsch auf Moskau" von Jewgeni Prigoschin sagte CIA-Chef William Burns voraus, dass der russische Präsident Wladimir Putin sich Zeit lassen werde, um sich zu rächen. "Was wir hier sehen, ist ein sehr komplizierter Tanz", meinte Burns auf dem Aspen Security Forum im Juli. "Putin ist der ultimative Apostel der Rache", so der CIA-Chef. Auch wenn die genauen Geschehnisse unmittelbar nach dem angeblichen Tod des Söldnerbosses bei einem Flugzeugabsturz noch im Dunkeln liegen, so scheint für die meisten Analysten klar zu sein, dass Putin persönlich den Befehl erteilt hat, den Wagner-Chef ein für alle Mal auszuschalten.

    Das russische Verteidigungsministerium und der Kreml haben das private Militärunternehmen Wagner seit der Rebellion weitgehend zerstört und Prigoschins Autorität damit geschwächt – und die Ermordung der Führungsspitze von Wagner war wahrscheinlich der letzte Schritt zur Beseitigung von Wagner als unabhängige Organisation. Das schreibt die renommierte US-Denkfabrik Institute for the Study of War ISW.

    Wagner-Söldner schließen sich Redut-Antiterror an

    Putin hat laut ISW mit größter Wahrscheinlichkeit die russische Militärführung angewiesen, Prigoschins Flugzeug abzuschießen. Es sei äußerst unwahrscheinlich, dass Teile des russischen Militärs, insbesondere der russische Verteidigungsminister Sergei Schoigu und der Generalstabschef Waleri Gerassimow, Prigoschin ohne Putins Befehl hinrichten würden. Die gesamte russische Politik- und Sicherheitssphäre dürfte das weitere Überleben Prigoschins nach Wagners Rebellion als im Ermessen Putins liegend betrachtet haben.

    Nach der Schwächung der Wagner-Gruppe könnte Putin nun zu dem Schluss gekommen sein, dass er Prigoschin ausreichend von Wagner getrennt hatte, um ihn töten zu können – ohne Prigoschin zu einem Märtyrer für die übrigen Wagner-Mitglieder zu machen. Weiter wird vermutet, dass die Söldnergruppe in finanzielle Schwierigkeiten geraten sei und man deshalb kaum mehr neue Söldner habe rekrutieren können. Mehr noch: Aktive Wagner-Söldner sollen sich bereits Redut-Antiterror angeschlossen haben, ein weiteres privates Militärunternehmen, dass unter anderem vom kremltreuen Gazprom finanziert wird.

    Armeegeneral Sergei Surowikin wurde am gleichen Tag entlassen

    Putin schien sich offenbar sicher zu sein, dass das Wagner-Personal einen Punkt erreicht hatte, an dem es mehr an Zahlungen und Einsätzen mit diesem neuen privaten Militärunternehmen interessiert war als an seiner fortgesetzten Loyalität zu Prigoschin, und dass er ihn damit gefahrlos töten konnte.

    Weiter berichtete die Kreml-Nachrichtenagentur RIA Nowosti am 23. August, dass Putin den mit Wagner verbundenen Armeegeneral Sergei Surowikin offiziell als Kommandant der russischen Luft- und Raumfahrtkräfte entlassen und durch Generaloberst Viktor Afzalow ersetzt habe. Die offizielle Bestätigung der Entlassung Surowikins in den russischen Staatsmedien am selben Tag wie die mutmaßliche Tötung Prigoschins ist wahrscheinlich kein Zufall. Der Kreml beabsichtigt laut ISW wohl, mit beiden öffentlichen Bestrafungen die klare Botschaft zu vermitteln, dass mit denjenigen, die an der Wagner-Rebellion vor zwei Monaten beteiligt waren, abgerechnet wurde und dass Wagners Herausforderung von Putins Führung eine erledigte Angelegenheit ist.

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      Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin kam bei einem Flugzeugabsturz ums Leben.
      Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin kam bei einem Flugzeugabsturz ums Leben.
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