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"Chorus" im Test: Die geilste All-Action des Jahres
Zum Jahresende gibt es noch einmal einen richtig großen Knall. "Chorus" von Deep Silver ist zwar kein AAA-Titel, aber die spannendste All-Action 2021.
Arcade-Weltraum-Shooter fristeten die jüngsten Jahre eher ein vergessenes Dasein, Games wie "Star Wars: Squadrons" waren da positive Ausnahmen. Das ändert sich nun gewaltig, denn mit "Chorus" kommt ein Game von Deep Silver beziehungsweise Deep Silver Fishlabs, das nicht nur den "Großen" zeigt, wie Weltraum-Action wirklich funktioniert, sondern auch Spieler, die mit dem Genre sonst nichts am Hut haben, an die Controller fesseln wird. "Chorus" ist für Xbox Series X und One, PC, Stadia und PlayStation 5 und 4 spielbar.
Das rund 20 bis 25 Stunden lange "Chorus" bietet ein zugängliches und gleichzeitig spannendes Gameplay und eine überraschend starke Story-Kampagne. bei der Handlung muss man nicht allzu viel wissen: Spieler schlüpfen in die Rolle der Kriegerin Nara, die den dunklen Kult Circle zerstören will – mit Waffen, Psycho-Fähigkeiten und dem "lebendigen" Kampf-Raumschiff Forsaken. Nara selbst hatte im Namen der Sekte Massenmord begangen und ganze Kolonien ausgelöscht, nun will sie blutige Rache üben und wird gleichzeitig in der Story immer wieder mit ihren Gräueltaten konfrontiert.
Etwas verworrene Story, dafür Top-Gameplay
Die Handlung funktioniert über weite Strecken ganz gut und zeigt sich spannend, sie bildet auch ein solides Grundgerüst für die vielen Missionen, letztlich verläuft sie sich aber doch ein bisschen selbst. Neben einigen Videosequenzen gibt es im Spiel nämlich nur Dialoge mit eingeblendeten Figuren-Porträts und englischer Sprache mit deutschen Untertiteln – wer da nicht ganz genau aufpasst, vergisst schnell, welche Motivation die verschiedenen Charaktere antreibt und worum es gerade eigentlich geht. Egal, denn das Highlight ist das Gameplay, und da feuert "Chorus" aus vollen Rohren.
Steuert man den Weltraum-Fighter Forsaken, geht es einzig und alleine um den Kampf. Die Entwickler haben alles, was die Arcade-Action auch nur irgendwie stören könnte, gestrichen: Sauerstoff- oder Energie-Balken gibt es ebenso wenig im Auge zu behalten wie Dutzende Instrumente, auch verschiedene Ansichten wie eine Cockpit-Perspektive gibt es nicht. Auch ein Inventarsystem mit Ressourcen oder Flug-Anpassungsmöglichkeiten sucht man (zum Glück) vergebens. Das Ziel, das der Titel ohne Probleme erreicht: Mit Vollgas durchs All düsen, Gegner ins Nirwana befördern und Spaß an der Kulisse haben.
Simples Skill-System, aber spannende "Rituale"
Ballern darf man auf der Forsaken mit einer schweren Maschinengewehrsalve, mit Stößen aus der Laserkanone und mit einem Raketenwerfer. Die Waffen werden im Verlauf des Spiels nach und nach freigeschaltet – danach darf man unter ihnen jederzeit im Kampf wechseln. Im Weltraum zu findende Hangar von Fraktionen, denen wir immer mal wieder aushelfen, können wir die Waffen mit in den Missionen gesammelter Ingame-Währung aufrüsten, komplexe Skills-Systeme gibt es aber nicht. Ein einsetzbarer Schild schützt vor Feuer oder nutzt uns als Aufpralldämpfer, wenn wir nicht ausweichen können.
Bei aller Einfachheit des Upgrade-System verwundert, wie stark sich die Waffen und Fähigkeiten des Schiffs verbessern und verändern, außer Acht sollte man die Skills also nicht lassen. Auf drei Mods-Steckplätzen lassen sich zudem kleine Boni wie schnellere Antriebsmöglichkeiten oder mehr Waffenschaden installieren. Eine Besonderheit stellen die sechs so genannten "Rituale" dar. Sie sind besondere Skills, die vor allem zum Besiegen großer Weltraumkreuzer unabdingbar sind. Naras erstes "Ritual" ist es, die Umgebung nach Interessantem zu scannen, später dürfen wir mit Forsaken bei spektakulären Manövern durchs All driften oder uns über kurze Strecken teleportieren, um Schilde und Barrieren der Feinde auszutricksen.
Toll, was "Chorus" aus den überschaubaren Features macht
Klar, immer wieder neu und ganz anders kann der Spieler sein Raumschiff nicht ausrüsten und damit jedes Mal ein ganz neues Flug- und Kampfgefühl verspüren – es ist aber bewundernswert, wie viel Spaß und Abwechslung die überschaubare Anzahl an Waffen, Upgrades und Ritualen in "Chorus" bietet. Gleiches gilt auch für die Arcade-Kämpfe: Da wird einerseits gegen flinke All-Flitzer ebenso gefightet wie gegen gewaltige Schlacht-Kreuzer, andererseits wird nicht auf Dauer-Geballer gesetzt, sondern zu schnellen Flugmanövern mit waghalsigen Ausweichmanövern und gut gezielten Schüssen motiviert.
Mit vier Schwierigkeitsgraden findet sich für jeden Herausforderungsgeschmack der passende Anspruch. Was ein "Far Cry" mittlerweile abgeschafft hart, führt "Chorus" dagegen wieder ein: Je nachdem, wie oft man eine gewisse Waffe nutzt, umso stärker wird die betreffende Waffe. Diese "Meisterschaften" bieten mehrere Stufen und funktionieren teilweise auch im Zusammenspiel mit Drift-Manövern. Das Schöne dabei: Es gibt keinen Zwang, die Meisterschaften freizuschalten, denn vieles davon passiert sowieso automatisch während des Spielens.
Da kommen fast Erinnerungen an "Star Wars" auf
Apropos Zwang: Keine der Nebenmissionen muss erledigt werden, ein Durchfliegen der Hauptmissionen alleine ist möglich. Gerade die Nebenquests begeistern aber damit, dass man mehr über die im Spiel vorkommenden Charaktere erfährt und zudem auf abwechslungsreiche Aufgaben stößt. Mal beschützt man eine Kolonie vor einem angreifenden Raumschiff-Schwarm, mal zischt man fast in "Star Wars"-Manier über die Oberfläche eines gewaltigen Schlachtschiffs, um den Schwachpunkt zu finden. Und fast nebenher sammelt man dabei Belohnungen für die Verbesserung der Forsaken ein.
Technisch gibt es den einen oder anderen Bug, keiner davon brennt sich aber negativ ins Gedächtnis. Selten kam es vor, dass das eine oder andere Raumschiff unsichtbar war oder erst nach kurzer Wartezeit im All aufploppte, noch seltener musste ein Checkpoint neu geladen werden, weil das erreichte Missionsziel nicht erkannt wurde. Auf der PlayStation 5 lädt das Spiel allerdings so blitzschnell, dass man das abhaken kann, dafür darf man sich umso mehr über Top-Videosequenzen, krachende Sound-Effekte und eine stimmige Grafik freuen, die zwar nicht Highend ist, aber das Auge mit gewaltigen Explosionen und neonfarbenen Laser-Gefechten sowie atmosphärischen Asteroidenfeldern erfreut.
Das ist die geilste All-Action des Jahres 2021
Das Jahr 2021 ist fast um und hat gegen Ende hin noch eine riesige Überraschung zu bieten. Fast aus dem Nichts zischt "Chorus" daher und schafft es mühelos, die Arcade-Lücke im Weltraum-Shooter-Segment zu füllen. Wer einfach mal Simulations-Elemente komplett links liegen lassen will und beim Ballern dennoch eine knackige Herausforderung sucht, ist bei "Chorus" goldrichtig. Selbst Anfänger finden sich an Bord der Forsaken sofort zurecht und haben ihren Spaß bei Ausweichmanövern und Angriffsflügen, Experten finden im höchsten Schwierigkeitsgrad eine passende Aufgabe.
Besonders beeindruckt, dass "Chorus" auch neben dem fantastischen Gameplay viel zu bieten hat, von dem sich selbst AAA-Games etwas abschauen können. Die Kampagne bietet viele spielerische Freiheiten, die Handlung ist solide erzählt, obwohl es streckenweise schwer fällt, allen Details zu folgen, und die Technik hat bis auf wenige Aussetzer eine hohe Qualität. Am wichtigsten aber: Endlich dürfen wir wieder ballern und herumdüsen, wie eins in kultigen Games im Stile von "Wing Commander" und Co. "Chorus" ist die geilste All-Action des Jahres 2021!