Ukraine

Brisante Theorie: Darum überfällt Putin die Ukraine

Tichon Dsjadko weiß oft aus erster Hand, was sich hinter den Kreml-Mauern abspielt. Er hat eine erstaunliche Theorie zu Wladimir Putins Kriegsmotiven.

Roman Palman
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Wladimir Putin hat offenbar nicht einmal engste Vertraute bis zur letzten Sekunde in seine Kriegspläne eingeweiht.
Wladimir Putin hat offenbar nicht einmal engste Vertraute bis zur letzten Sekunde in seine Kriegspläne eingeweiht.
REUTERS

Als einer der bekanntesten unabhängigen Journalisten des Landes hatte DoschdTV-Chefredakteur Tichon Dsjadko (34) über die Jahre hinweg guten Einblick in die Vorgänge innerhalb der russischen Regierung. Im Gespräch mit der deutschen "Bild" liefert er nun eine überraschende Erklärung, wieso Präsident Wladimir Putin plötzlich seine Armee in der Ukraine einmarschieren lässt.

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Krieg wegen Corona-Angst?

"Ich glaube, dass Corona Putin verändert hat. Putin bekam schon vor dem Ausbruch der Pandemie nur eingeschränkte Informationen und befand sich nach dem Ausbruch von Covid-19 plötzlich in einer noch größeren Isolation", so der Kreml-Kenner. 

"Er hat offenbar eine große Angst vor Corona – sonst hätte er sich auch nicht mit anderen Politikern und Generälen an den langen Tischen getroffen." Die Bilder dieses Treffens gingen um die Welt:

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    Dieses Bild ging Ende Februar 2022 um die Welt: Kreml-Despot Wladimir Putin lässt nicht einmal mehr seine höchsten Generäle an sich heran.
    Dieses Bild ging Ende Februar 2022 um die Welt: Kreml-Despot Wladimir Putin lässt nicht einmal mehr seine höchsten Generäle an sich heran.
    Sputnik/Aleksey Nikolskyi/Kremlin via REUTERS

    Seit dem Ausbruch der Pandemie erhalte der russische Staatschef laut Dsjadko nur verzerrte Informationen: So habe man ihm gesagt, dass die Ukrainer ihn mit Blumen empfangen würden, dass die Ukraine eine schwache Armee habe und dass Russlands Streitkräfte haushoch überlegen seien.

    Präsident, Autokrat, Diktator

    Corona soll auch dazu geführt haben, dass die russische Regierung immer stärker das eigene Volk unterdrückte: "Der Staat sah, dass Corona nicht nur für die Gesundheit schädlich war, sondern auch dazu führte, dass große Teile der Gesellschaft verarmten. Man befürchtete, dass diese Menschen rebellieren könnten."

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      <a target="_blank" data-li-document-ref="100197616" href="https://www.heute.at/g/ukraine-100197616">Tichon Dsjadko</a> (auch Tikhon Dzyadko) ist Chefredakteur des unabhängigen russischen Senders DoschdTV.
      Tichon Dsjadko (auch Tikhon Dzyadko) ist Chefredakteur des unabhängigen russischen Senders DoschdTV.
      REUTERS/Evgenia Novozhenina

      Das Fazit des unabhängigen Journalisten schockt: "Deswegen beschloss der Kreml, damit aufzuhören, Demokratie zu spielen und sich zu einer Autokratie und später zu einer Diktatur zu entwickeln." Das sei der Grund für die verschärfte Verfolgung von Oppositionellen wie Alexei Nawalny ab 2021 und auch für diesen Krieg: "Und dann hat Putin beschlossen, mit dem Angriff auf die Ukraine noch einen Schritt weiterzugehen."

      Weil auch er selbst dem Kreml schon lange ein Dorn im Auge war, musste Tichon Dsjadko selbst aus Russland fliehen, sein Sender DoschdTV hat den Betrieb eingestellt. Spätestens seit dem irren Mediengesetz drohen kritische Stimmen nun drakonische Haftstrafen wenn sie die Vorgänge in der Ukraine als das bezeichnen, was sie sind: ein Krieg.

      Niemand wusste von seinen Angriffsplänen

      Seither führt der seine Arbeit von Georgien aus fort. Auf einem eigenen YouTube-Kanal berichtet er aus dem Nachbarland auf Russisch über die Invasion. Auch einen Monat später, ist er immer noch ungläubig darüber, dass es überhaupt so weit kommen konnte. 

      "Für mich war der Kriegsbeginn ein Schock. Es war auch ein Schock für die meisten Menschen in Russland und auch der politischen Eliten. Niemand hätte es für möglich gehalten, dass es passieren würde", sagt der Chefreporter. Er ist überzeugt, dass selbst die engsten Mitarbeiter Putins bis zum letzten Augenblick nicht in seine Pläne eingeweiht waren.

      "Niemand hätte es für möglich gehalten, dass es passieren würde. Ich bin auch überzeugt, dass als Außenminister Lawrow davon sprach, dass es keinen Krieg geben wird, dass er da nicht gelogen hat. Er hat zu diesem Zeitpunkt ehrlich geglaubt, dass es keinen Krieg geben wird."

      Tausende Soldaten getötet

      Putins Traum vom schnellen Sieg in der Ukraine ist allerdings am Widerstand der Verteidiger zerschellt. Die Ukraine hätte mit einer Härte und vor allem moderneren Waffen zurückschlagen, als der Staatspräsident offenbar angenommen hatte. "Wir sehen, dass der ursprüngliche Plan nicht funktioniert hat. Der Westen war in seiner Reaktion geeint. Der Kreml hat damit nicht gerechnet". 

      Langsam aber sicher, würden die Kampfeinheiten der russischen Armee aufgerieben. Die NATO schätzt etwa, dass zwischen 7.000 und 15.000 russische Soldaten bereits gefallen sind. Das müsse Putin nun ausgleichen, sagt Dsjadko. Lange könne Russland das aber nicht fortsetzen: "Die Kräfte der russischen Armee schwinden. Das Einzige, was sie machen: Sie treiben neue Einheiten rein, unter anderem aus dem Nahen Osten. Aber es ist offenkundig, dass es nicht ewig dauern kann."

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        privat, iStock