Spieletests
"Bravely Default II" im Test: Komplexer Klassiker
"Bravely Default II" serviert uns auf der Nintendo Switch komplexe Rollenspiel-Kost mit spannenden Kämpfen. Einzig die Story plätschert seicht dahin.
Achtung, jetzt wird es kurz kompliziert, denn "Bravely Default II" für die Nintendo Switch ist da. Trotz der "2" im Namen ist es der dritte Ableger der Serie nach "Bravely Default" und dessen direkter Story-Fortsetzung "Bravely Second: End Layer". Statt also die Handlung weiter fortzusetzen, gibt es im neuen Teil von Publisher Square Enix eine ganz neue Story und auch brandneue Charaktere. Noch alles klar soweit? Dann stürzen wir uns direkt in den Testbericht! Eine Schwäche ist dabei unglücklicherweise die Story.
Mit der Geschichte um eine abenteuerliche Reise vierer Helden durch die fünf Königreiche des Kontinents Excillant gibt es zwar klassische Rollenspiel-Fantasy-Kost, die tröpfelt aber das ganze Spiel hindurch eher seicht dahin, als dass sie wirkliche Akzente setzen und Höhepunkte bieten kann. Nett ist noch das Kennenlernen: Die Figur Seth strandet in einem fremden Königreich und schließt sich mit der Ex-Regentin Gloria sowie den Helfern Adele und Elvis zusammen. Im Schnellverlauf werden die Figuren vorgestellt, dann das Spielziel – und der Rest ist eher Dreingabe als Highlight.
Kampf wird durch Risiko spannender
Umso stärker zeigt sich dafür das Gameplay, das nicht nur mit klassischen rundenbasierten Kämpfen samt tiefgehenden Brave-Default-System begeistert, sondern auch ein sehr komplexes Klassen- und Arbeits-System bietet. Zuerst zum Kampf: Der hat ein bisschen etwas von einer Partie "Risiko". Wer es klassisch mag, kann abwechselnd mit dem Feind Attacken und Fähigkeiten auswählen, die Runde für Runde abgespult werden. Nutzt man dagegen das titelgebende Brave-Default-System, lassen aber auch mehrere Aktionen pro Runde (Brave) aktivieren – dafür setzt man dann allerdings mehrere Runden aus (Default).
Diese Mechanik sorgt auch dafür, dass mehr Abwechslung in die Scharmützel kommt – und eigentlich nicht zu gewinnende Kämpfe plötzlich zu den eigenen Gunsten gewendet werden können, wenn man fähig ist, einige Runden vorauszudenken. Allerdings birgt das System auch die Gefahr sich vollkommen zu verzocken: Haut man alle Angriffe in eine Runde und merkt plötzlich, dass der Feind genau dann seine stärksten Blocks auspackt, steht man bis zu drei Runden wehrlos da. Um das System herum kommt man aber sowieso nicht, denn viele der Boss-Kämpfe können nur damit gewonnen werden.
Hochkomplexes Klassen-System
Im Arbeitsplatz-System wiederum geht es hochkomplex zu. Jedem der vier Gruppenmitglieder können bis zu zwei Jobs zugewiesen werden, die so etwas wie das Klassensystem von "Bravely Default II" darstellen. Im Kampf sammelt man dabei für den Hauptberuf Erfahrung und schaltet neue Fähigkeiten und Effekte frei, der Job lässt sich auch jederzeit wechseln. Im Nebenjob werden dafür bereits erspielte Fertigkeiten und Skills einer Arbeits-Klasse geparkt. Dadurch kann man alle ihre freigeschalteten Boni weiter nützen, allerdings keine neuen Skills in dieser Klasse freischalten.
Dieses hochkomplexe Klassen-System sorgt für eine spielerische Freiheit, die man von den wenigsten klassischen Rollenspielen kennt. Fließend kann man von einer Klasse in die andere wechseln und dabei jene Fähigkeiten nutzen, die einem spielerisch am meisten liegen und in der jeweiligen Situation am besten weiterhelfen. Ab der Mitte des Games steigt die Zahl der Jobs zudem so dermaßen an, dass man aus dem Experimentieren gar nicht mehr herauskommt – und das auch nicht will, denn die Mechanik macht riesigen Spaß.
Inhaltlich mehr Experimente wünschenswert
Schade ist, dass "Bravely Default II" nicht inhaltlich mehr solcher Experimente wagt. Stattdessen bleibt es bei einer simplen Jagd nach magischen Kristallen, auf der einfach die Dutzenden Missionen bis zum jeweiligen Ziel hin abgearbeitet werden. Die Abwechslung bleibt dabei zwar einigermaßen hoch, dennoch gleichen sich die vielen Missionen, Schauplätze und Kämpfe über weite Strecken. Durchbrochen wird das nur von einigen Gesprächen innerhalb der Kämpfergruppe – schade aber, dass man den vollkommen unterschiedlichen Figuren nicht eigene Missionsstränge eingeräumt hat.
Grafisch hat "Bravely Default II" einen riesigen Sprung im Vergleich zu den Vorgängern gemacht. Während das Kampfgeschehen weiter eher schlicht gehalten ist, wirken die Figuren in den übrigens Spielsequenzen fast so detailreich und schön gezeichnet wie Figuren in einem "Kingdom Hearts III" und sehen lassen können sich auch die wunderschönen Welten mit tollen Übersichtsaufnahmen. Ein besonderes Schmankerl sind auch die verschiedenen Kostüme, die die Figuren je nach gewählter Job-Klasse spendiert bekommen. Auf die gut getroffene Sprachausgabe trifft zudem eine je nach Situation ruhige oder spannungsgeladene Hintergrundmusik, die sich angenehm in den Titel einfügt.
Komplexer Klassiker mit viel Abwechslung
"Bravely Default II" lässt gerade bei der Story massenhaft Chancen auf ein fesselndes Story-Rollenspiel liegen und auch bei den Charakteren fehlt etwas der Fokus auf die Hintergrund-Geschichten – doch das alles macht die hübsche Grafik, das fesselnde Kampfsystem und die spannende Klassen-Mechanik mehr als wett. Zudem sorgt das Abenteuer mit rund 30 Stunden Spielzeit dafür, dass man ziemlich lange in die schöne Fantasy-Welt eintauchen kann.
Dass dabei die Handlung auf der Strecke bleibt oder vorhersehbar wird, lässt sich verschmerzen. "Bravely Default II" setzt auf andere Stärken und das mit dem Brave-Default-System durchaus erfolgreich. Fans von JRPGs können beim neuen Game für die Nintendo Switch bedenkenlos zugreifen und sich in die Schlachten stürzen – alle anderen Zocker können sich aber auch einen Vorgeschmack mit einer kostenlosen Demo im Nintendo eShop holen.