Oberarzt packt aus
Böhler-Aus – "Dramatische Auswirkungen für Patienten"
Ein Böhler-Oberarzt spricht mit "Heute" über Hintergründe der geplanten Spitals-Schließung – "Brandschutz ist nur Vorwand" – und Folgen für Patienten
Die Situation um die überraschend angekündigte Schließung des Lorenz Böhler Spitals in Wien eskaliert weiter. Ein Oberarzt des Krankenhauses, der anonym bleiben möchte, warnt jetzt gegenüber "Heute" eindringlich: "Das hat dramatische Auswirkungen auf die akute Behandlung von Unfall-Patienten in Wien und ganz Ostösterreich. Die Patientenversorgung kann dann nicht mehr gesichert werden!"
Der Topmediziner hält fest: "25 Prozent der Unfall-Patienten in Wien kommen zu uns, wir machen in der Unfall-Chirurgie 5.000 Operationen im Jahr, betreuen 10.000 Patienten stationär und 60.000 ambulant. Wenn das Spital geschlossen wird, herrscht ein echter Versorgungsnotstand."
Für den erfahrenen Arzt ist klar: Die Betreiberin des Krankenhauses, die AUVA (Allgemeine Unfallversicherungsanstalt), wolle das Lorenz Böhler seit langem zusperren – in der Tat gab es in den letzten Jahren wiederholt Bestrebungen in diese Richtung – und nehme die aktuell festgestellten Brandschutzmängel "als Aufhänger, um uns endgültig den Hahn abzudrehen".
„So kann man mit der Wiener Bevölkerung nicht umgehen. Wenn das Spital zugesperrt wird, endet das in einem Riesen-Desaster für die Patienten“
Aus wirtschaftlicher Sicht sei die Position der AUVA nachvollziehbar – "wir kosten zu viel Geld, sind nicht rentabel – und die Versorgung von Arbeitsunfällen, um die es der AUVA ursprünglich ging, macht nur noch sechs Prozent der Tätigkeit aus, das meiste betrifft heute Freizeitunfälle und die Betreuung älterer Patienten."
Seit über 20 Jahren bekannt
Dass der Brandschutz in dem Gebäude mangelhaft sei, wisse man seit mehr als 20 Jahren. Es sei versucht worden, das zu verbessern – "aber dilettantisch und mit billigen Alibi-Maßnahmen wie dem Aufhängen von ein paar Feuerlöschern". Im Zuge der Überprüfung des Standorts in der Brigittenau im Hinblick auf den geplanten Ausbau zu einem hochmodernen Medizincampus und Forschungsspital sei nun nicht nur der Brandschutz, sondern auch die Statik überprüft worden – mit dem Ergebnis, dass der Zustand des Gebäudes katastrophal und höchst gefährlich sei und das Böhler daher sofort zugesperrt werden müsse.
"Das kann es nicht sein", empört sich der Oberarzt im "Heute"-Gespräch. Laut den kurzfristig gefassten und nicht abgesprochenen Plänen sollen die Böhler-Teams vorerst ins AKH und nach Meidling übersiedeln und dort arbeiten, vor Ort nur eine schmale Erstambulanz bleiben – für Patienten, die selbst kommen.
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"Das kann nicht funktionieren", so der Böhler-Arzt. Das AKH selbst sei am Limit – "außerdem können wir nicht einfach von heute auf morgen im AKH arbeiten, mit ganz anderen Voraussetzungen. In der Unfallchirurgie geht das nicht. Es handelt sich um eingespielte Teams vom Unfallchirurgen über Orthopäden, Physiotherapeuten, Röntgen-Experten bis zum Gipser. Das ist ein komplexes System aus vielen Dominosteinen."
„Es muss eine Lösung geben, dass wir vor Ort weiter arbeiten können, bis wir in ein paar Monaten geordnet in ein Container-Krankenhaus übersiedeln können für die Zeit der Sanierung“
Was die Ärzte jetzt fordern: "Es muss eine Lösung geben, dass wir vor Ort weiter arbeiten können, bis wir in ein paar Monaten geordnet in ein Container-Krankenhaus übersiedeln können für die Zeit der Sanierung."
"Stadt Wien ist gefordert"
"Wenn der Wille von allen da ist, dann geht das auch", appelliert der Böhler-Oberarzt. Es seien jetzt auch die Stadt Wien und der Gesundheitsstadtrat gefordert. "So kann man mit der Wiener Bevölkerung nicht umgehen. Wenn das Spital tatsächlich zugesperrt wird, endet das in einem Riesen-Desaster für die Patienten."
Auch die Sicherheit zu gewährleisten sei möglich. "Und wenn wir drei Feuerwehrleute brauchen, die die ganze Zeit patrouillieren."
Wichtig sei, die primäre Versorgung der Unfallpatienten – das heißt die Operationen – vor Ort zu belassen und auch sicherzustellen, dass die Patienten unmittelbar nach der OP von einem kontinuierlichen Team betreut werden "und nicht jeden Tag wer anderer am Bett steht". Später dann, für die post-operative Betreuung, könnten die Patienten durchaus in andere Einrichtungen überwiesen werden. "Das machen wir ja jetzt schon teilweise."
Mitarbeiter machen mobil
Für die Mitarbeiter sei die Nachricht von der Schließung völlig unerwartet gekommen – "wir waren alle wie gelähmt". Aber nach dem ersten Schock machen die Böhler-Beschäftigten mobil, Mittwochvormittag gibt es eine Betriebsversammlung, bei der hunderte Teilnehmer erwartet werden.
Wovor der Topmediziner im "Heute"-Gespräch noch warnt: Viele der hochqualifizierten Böhler-Beschäftigten würden kündigen, wenn es keine Lösung für den Standort gebe – und wären dann weg. "Derzeit wird doch allen der rote Teppich ausgerollt, medizinisches Personal wird überall gesucht. Ich bekomme jeden Tag Anrufe nach dem Motto: Kannst du nicht bei uns arbeiten, wenn ihr jetzt zusperrt? Auch viele Krankenschwestern erzählen mir das..."
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Auf den Punkt gebracht
- Die Schließung des Lorenz Böhler Spitals in Wien wird von einem besorgten Oberarzt als katastrophal für die akute Behandlung von Unfall-Patienten in Wien und Ostösterreich bezeichnet
- Die Betreiberin des Krankenhauses, die AUVA, wird dafür kritisiert, dass sie die aktuellen Brandschutzmängel als Vorwand nutzt, um das Spital endgültig zu schließen
- Der Oberarzt fordert eine Lösung, die es ermöglicht, vor Ort weiter zu arbeiten, bis eine geordnete Übersiedlung in ein Container-Krankenhaus während der Sanierung erfolgen kann