35. StVO-Novelle
Blinken nicht grün – keiner versteht neue Ampeln
Ampeln, die nicht grün blinken, lassen die Österreicher Rot sehen. Die Wut gegenüber dem Gewessler-Plan fußt aber oftmals auf einem Missverständnis.
Die 35. Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO) wird eine neue Art der Ampel in Österreich einführen. Dass diese nicht grün blinken wird, sorgt für helle Aufregung im Land. Aufgebrachte Kritiker sprechen von einer "Gefährdung der Verkehrssicherheit", die massig "Vollbremsungen" und "Auffahrunfälle in Kreuzungen" provozieren werde. Der Ampelplan von Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) sei ein absoluter "Wahnsinn", toben die Gegner.
Angefeuert wird dieser Sturm der Entrüstung zum einen einer Abneigung gegen Gewesslers Person selbst und zum anderen von inhaltlichem Unverständnis über den Einsatzzweck der neuen Ampel. Dabei schreibt die Mehrzahl der Kritiker am Thema vorbei, wie eine Rundschau zum Thema in den Sozialen Medien zeigt.
Falsche Annahmen
Es geht in der StVO-Novelle nicht darum, das Grünblinken an allen Ampeln abzuschaffen. Ebenso geht es nicht darum, dass alle bisherigen Ampeln durch neue ersetzt werden.
Stattdessen wird mit der Gesetzesänderung nur die Möglichkeit legalisiert, sogenannte Zuflussregelungsanlagen (ZRA) bzw. Dosieranlagen aufzustellen. Die Ampeln ohne Grünblinkphase kommen nur in einem höchst zugespitzten Bedarfsfall zum Einsatz. "Heute" berichtete bereits umfassend:
Das System erklärt
Konkret werden diese Zuflussregelungsanlagen eingesetzt, um den Zufluss von Fahrzeugen zu staugefährdeten Abschnitten eines höherrangigen Straßennetzes, also Schnellstraßen und Autobahnen, zu regeln bzw. zu dosieren.
Dazu wird eben eine solche neue Ampel an den Auffahrtsrampen installiert. Ein zusätzliches Sensorenpaket misst den Verkehrsfluss auf der Autobahn. Erst, wenn dieser ins Stocken kommt, wird das Ampelsystem auch aktiviert.
Entdecken die Sensoren eine Lücke zwischen den Fahrzeugen auf der Autobahn, wird die Ampel kurz auf Grün geschaltet. Wie auf Zusatzschildern (siehe Fotos) kenntlich gemacht, darf dann genau ein Fahrzeug auf der Rampe durchstarten und kann so genau diese Lücke in der Kolonne auffüllen.
Die Ampel schaltet danach sofort wieder auf Gelb und dann auf Rot. Die Grünblinkphase entfällt, um das Schaltintervall möglichst kurz zu halten. Die Sensoren erkennen auch eine mögliche Rückstaubildung auf der Auffahrtsrampe und melden der Ampel im Bedarfsfall, dass sie auf Grün zu stellen hat.
Direkt davor und dahinter sind am Einsatzort in der Regel freie Sicht und ganz sicher keine Kreuzungen, weshalb die befürchtete Gefahr durch Auffahrunfälle an diesen Ampeln minimal ist. Man muss sich ihnen genauso vorausschauend fahrend nähern, wie allen anderen auch.
Bereits 2014 initiiert
International werden solche Ampeln an bekannten Stauabschnitten bereits seit Jahrzehnten aufgestellt. In Österreich wurde der Nutzen einer solchen Zuflussregelungsanlage vor der gesetzlichen Niederschrift in der anstehenden StVO-Novelle über Jahre an der Autobahnauffahrt Franzosenhausweg zu A7 Mühlkreisautobahn in Linz im Realverkehr erprobt.
Dieser Pilotversuch lief durch eine Ausnahmeverordnung zur wissenschaftlichen Erprobung durch die damalige SP-Verkehrsministerin Doris Bures von 2014 bis 2019 und war damit sogar bereits wieder beendet, als Gewessler 2020 das Ministerium übernahm. Der Test wurde nach Abschluss von der Asfinag im Sinne des Verkehrsflusses als "erfolgreich" bewertet.
"Die Praxis-Erprobung hat sehr gute Ergebnisse gebracht und gezeigt, dass die Dosierampeln einfach und wirkungsvoll sind. Aus diesem Grund werden sie nun als zusätzliches Instrument zur Verbesserung der Verkehrssicherheit und des Verkehrsflusses aus dem Testbetrieb in den allgemeinen Werkzeugkasten der StVO übernommen", sagte der grüne Verkehrssprecher Hermann Weratschnig dazu am Mittwoch.
"Die StVO-Novelle soll eine neue Zuflussregelung für Autobahnen zur Vermeidung von Stau möglich machen", erklärt das Klimaschutzministerium bereits Anfang März auf "Heute"-Anfrage und stellte ein für allemal klar: "Für diese speziellen Fälle soll nun eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden – eine Auswirkung auf gewöhnliche Ampeln hat diese Änderung nicht."
ÖAMTC: "Umsetzung realistisch"
"Die Neuregelung soll ja auch nur dort umgesetzt werden, wo der Verkehrsfluss mit 'Dosierampeln' geregelt werden kann, und kein Querverkehr berücksichtigt werden muss", sagt auch ÖAMTC-Jurist Matthias Wolf: "Eine Umsetzung dieser Ausnahme halten wir nach mehrjähriger Erprobung auf der Linzer Stadtautobahn für realistisch durchführbar."
Das System werde nur dort infrage kommen, wo die zuständige Verkehrsbehörde zusammen mit dem Straßenerhalter – insbesondere der Asfinag – besondere Stausituationen verhindern wolle und auch dazu bereit sei, die nicht ganz billige dahinterliegende Technik zu beschaffen.
Auf einen Blick: So funktioniert die Zuflussregelungsanlage
- Auf der Hauptfahrbahn messen Sensoren ständig die Stärke des Verkehrs.
- Erst wenn es auf der Autobahn zu ersten Staus kommt, schaltet sich die Ampel ein. Dann erkennen auch die Sensoren auf der Rampe jedes auffahrende Auto.
- Durch die rasche Abfolge von Grün, Gelb (ohne Grünblinkphase davor!) und Rot – jedes Signal wird mindestens eine Sekunde angezeigt – werden die auffahrenden Autos kurz angehalten und einzeln auf die Autobahn gelassen.
- Dadurch wird der auffahrende Pulk in Einzelfahrzeuge aufgeteilt, es gilt: Bei Grün nur ein Fahrzeug. Ein Zusatzschild weist vor Ort auf diesen Umstand hin.
- Damit es zu keinem langen Rückstau auf der Auffahrtsrampe kommt, erkennen Sensoren auch, wie weit die Fahrzeuge auf der Rampe stehen und melden an die Ampel, dass wieder auf Grün zu schalten ist.
- Sobald der Verkehr auf der Autobahn wieder fließt, schaltet sich die Ampel automatisch wieder aus, und die Autos können ungehindert auffahren.