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"Blanc" im Test – beste Freunde im Bleistift-Look
Große Gefühle brauchen wenig Worte und noch weniger Hightech: Mit simplen Mitteln und seinem ganz eigenen Stil verzaubert "Blanc" Jung und Alt.
Freundschaft statt Kampf, Zusammenhalt trotz aller Unterschiede statt Konkurrenz – das neue Spiel "Blanc" für Nintendo Switch und PC begeistert nicht nur mit einer herzerwärmenden Geschichte über zwei tierische Protagonisten, sondern auch mit einem Schwarzweiß-Bleistift-Grafikstil. "Blanc" stellt euch zu Beginn einen jungen Wolf und ein Rehkitz vor, die durch einen Schneesturm von ihren tierischen Familien getrennt wurden. Anfangs misstrauen sich die beiden verängstigten Tiere noch und laufen zwar in die gleiche Richtung, aber mit Abstand. Im Spielverlauf kommen sich Wolf und Reh aber näher.
Das müssen sie auch, denn das Spiel setzt darauf, dass sich die beiden Tiere gegenseitig bei Umgebungsrätseln helfen. "Blanc" ist nämlich in mehrfacher Hinsicht besonders: Es kann alleine oder (sollte) im Koop gespielt werden und auf große Story-Inszenierungen wird ebenso verzichtet wie auf Dialoge und Texte. Die Handlung wird vielmehr über die emotionale Reise der beiden Tiere, ihre immer tiefer greifende Freundschaft und die sich wandelnde Umgebung erzählt. Kämpfe, Spiel-Tode und Highscores gibt es in "Blanc" ebenso nicht. Durch die einfache Steuerung ist es zudem ein kindergerechtes Game.
Simpelste Steuerung auch für Anfänger
Egal ob am PC oder auf der Nintendo Switch, es reichen zwei Tasten beziehungsweise der Analogstick vollkommen aus, um "Blanc" beherrschen zu können. Auch absolute Anfänger kriegen das hin – auch, weil das Game daran erinnert, welche der beiden Tasten was bewirkt, wenn man mal nicht weiter weiß. Und: Spieler müssen sich weder durch Text-Wüsten lesen noch ellenlange Anleitungen studieren, um sich zurechtzufinden, denn es gibt keinerlei sonstige Dialoge, Schriften, Texte oder Einblendungen im Spiel. Man darf sich einfach auf die Freundschaft konzentrieren, die sich da entfaltet.
"Blanc" hat vom ersten Moment an etwas Beruhigendes an sich: Ohne Druck erkundet man die Umgebungen, die in einem einzigartigen Stil erst auf Papier handgezeichnet und dann in 3D ins Spiel übertragen wurden. Dabei überrascht, wie viel Mut die Entwickler zu Weißraum in den Umgebungen bewiesen – wie in der Bildstrecke ersichtlich, erscheinen manche Szenen mit ganz wenigen Objekten und ganz viel freiem, weißen Raum. Das Spiel heißt ja auch passend "Blanc", eben "Weiß" im Französischen und Englischen. Gleichzeitig sind die vorhandenen Details toll animiert. Sehr süß: der wedelnde Fuchsschweif!
Eine extrem niedliche, tierische Freundschaft
Auf ihrer gemeinsamen Reise lernen die Tiere auch schnell das Schlüssel-Element des Games kennen: Zusammenarbeit. Und die wird nicht nur inhaltlich, sondern auch spielerisch gelebt. Zwar kann man auch beide Tiere ganz alleine steuern, um das Abenteuer aber voll auskosten zu können, sollte man sich lokal oder online mit einem Partner zusammenschließen und entweder nur Rehkitz oder nur Wolfsjunges manövrieren. Dabei ergänzen sich die beiden Tiere bei den eher simplen Umgebungsrätseln, die aber in ihrer Zusammensetzung meist die speziellen Fähigkeiten beider Tiere herausfordern.
Als Wolf darf man durch Lücken in Mauern schlüpfen oder Schalter mit den Zähnen umlegen, als Rehkitz auf hohe Mauern springen oder den Wolf am Rücken zu Punkten von Interesse hochheben. Das kann dann in etwa so aussehen: Das Rehkitz hievt den Wolf auf einen Vorsprung, dieser schlüpft dort durch einen Spalt auf die andere Seite einer Mauer und öffnet dem Rehkitz das Tor, indem er an einem Schalter zerrt. Wie viel Zeit man für diese Rätsel benötigt, ist vollkommen egal, ablaufende Timer oder Quicktime-Events wurden ausgespart. Und die tierische Zusammenarbeit spielt sich extrem niedlich.
Eine Kamera mit ärgerlichem Eigenleben
"Blanc" bleibt übrigens bis zum Ende hin in Schwarz-Weiß, auch Farben bekommt man nie zu sehen. Und dennoch gefällt uns der Grafikstil im Test ausgesprochen gut. Einziges Manko ist stellenweise nur die Kameraführung, die den weiteren Weg manchmal schwer erkennbar macht oder Schalter und Vorsprünge mehr versteckt als offenbart. Apropos versteckt: Wenn ein Tier hinter einem Objekt verborgen ist, ist es meist dennoch als Schatten zu erkennen, wird aber von der Kamera oftmals auch komplett ausgeblendet. Da die Kamera automatisch agiert und nicht selbst bewegt wird, kann das ärgerlich werden.
Im lokalen Splitscreen sind solche Kamera-Irrfahrten besonders ärgerlich, da die Details der Spielwelt kleiner als im Vollbild angezeigt werden und auch beide Spieler das exakt gleiche Bild vor sich sehen. Um die Lösung von Rätseln zu entdecken, müssen sich dann beide Spieler manchmal mehrmals anders platzieren, um die Kamera zu neuen Perspektiven zu zwingen. Abseits davon leidet das Spiel auch an einigen anderen – vor allem grafischen – Macken, die allerdings nicht so sonderlich ins Gewicht fallen. Nachladende Objekte, verschwommene Umgebungen, allzu oft kommt das jedoch nicht vor.
"Blanc" ist das perfekte Game zum gemeinsamen Zocken
Mit zwei bis drei Stunden ist das Spiel recht kurz ausgefallen, aber auch gut Koop-geeignet und mit der ruhigen Relax-Musik perfekt, um mal so richtig vor dem Bildschirm zu entspannen. Wer sich von Spielen aufgrund immer bombastischerer Effekte, fordernderen Steuerungs-Funktionen und kaum zu verarbeitenden Plot-Twists überfordert fühlt, den wird "Blanc" mit seiner entspannten und simplen Herangehensweise begeistern. Liebhaber knallharter Action oder kniffliger Rätsel sind hier dagegen an der falschen Stelle. Und in gewisser Hinsicht ist "Blanc" mehr ein Märchen als ein Videospiel geworden.
Und was für ein Märchen! Die einfache Geschichte über Freundschaft und Vertrauen sollte auch das Herz abgebrühter Shooter-Fans erfreuen und ist die perfekte Gelegenheit, die Liebste oder den Liebsten mal zum gemeinsamen Zocken aufzufordern. Frust kommt dabei keinesfalls auf, denn was zu tun ist und wie man das Game steuert, ist sofort klar. Hört man mittendrin auf, gibt es zudem fair gesetzte Speicherpunkte und mehrere Kapitel, die man jederzeit wiederholen kann. Sogar einen Wiederspielwert gibt es, denn die Handlung von "Blanc" ist viel zu süß, um sie nur einmal zu erleben.