Sport
Prietl: "In Mattersburg wurde Nerv totgespritzt"
Manuel Prietl ist drauf und dran, mit Bielefeld in die deutsche Bundesliga aufzusteigen. Dabei hing die Karriere des Österreichers am seidenen Faden. "Heute" hakte nach.
Er ist laut "kicker" der beste defensive Mittelfeldspieler der 2. deutschen Liga, ist in jeder Partie gesetzt, stürmt mit Arminia Bielefeld dem Aufstieg entgegen – und ist Österreicher. Die Rede ist von Manuel Prietl. Manuel wer? Nicht wenigen Fußball-Fans ist der Name des 28-Jährigen (noch) kein Begriff. Das dürfte sich spätestens dann ändern, wenn ihn ÖFB-Teamchef Franco Foda ins Visier nimmt (also auf die Abrufliste setzt), oder tatsächlich der Sprung in die Bundesliga gelingt.
Wer vorab am Stammtisch mit Prietl-Wissen glänzen möchte, sollte nun weiterlesen. Denn der Steirer hat "Heute" seine spannende Geschichte anvertraut.
"Ich komme aus keiner Akademie, sondern aus einem Dorf. Ich wurde nie gehypt, es war alles harte Arbeit", sagt der Familienvater, der 2012 bei Mattersburg landete. "Dort habe ich die Chance bekommen, in der Bundesliga zu spielen."
Doch nach zwei Jahren folgte der Abstieg. Sportlich, wie auch gesundheitlich. "Anfangs hatte ich einen einfachen Muskelfaserriss, eigentlich nichts Dramatisches. Weil die Situation beim Verein nicht einfach war, habe ich mich allerdings oft überreden lassen, trotz Verletzung immer noch ein Spiel und noch ein Spiel zu machen. Ich war naiv und dumm, konnte nicht nein sagen", erzählt Prietl.
„"Der Muskel war quasi gelähmt"“
Und das hatte böse Folgen. "Ich wurde zu oft fit-gespritzt. Die Nervenstränge waren am Ende fast tot. Wenn du als Fußballer plötzlich deinen Spann nicht mehr stabilisieren kannst, kannst du keine Pässe spielen und nicht mehr schießen. Das war bei mir der Fall. Der Muskel war quasi wie gelähmt. Der Physiotherapeut hat gesagt, wenn das Gefühl nicht zurückkommt, war es das mit Profi-Fußball."
Eine Schockdiagnose. Doch Prietl kämpfte sich zurück. "Ich bin dann über meinen damaligen Berater zu einem anderen Physio nach Salzburg gekommen. Der hat mich wieder auf die Beine bekommen." Rund fünf Monate war der Mittelfeld-Mann weg vom Fenster.
"Die Zeit hat mich aber auch geprägt. Ich habe gelernt, ein richtiger Profi zu werden. Ich habe mich mit Ernährung befasst, mit richtiger Regeneration. Es hört sich blöd an, aber es muss wirklich immer erst was passieren, ehe man gescheiter wird."
Prietl wurde sogar sehr gescheit – und erfolgreich. "Als ich 2015 ablösefrei war, hatte ich ein paar Möglichkeiten in Österreich. Für mich war aber bald klar, dass ich ins Ausland gehen und eine neue Erfahrung machen möchte."
„"Stört mich nicht, dass ich unter dem Radar laufe"“
Die Wahl fiel auf Bielefeld, wo sich der Österreicher rasch etablierte. "Im ersten Jahr haben wir im letzten Spiel den Klassenerhalt geschafft. Danach hat sich viel getan beim Verein. Wir wurden Vierter und dann Siebenter, wobei wir in der Rückrunde das beste Team waren. Es kommt also nicht von ungefähr, dass wir jetzt da vorne sind. Es ist kein Zufallsprodukt."
Dass er trotz seiner Leistungen in Österreich relativ unbekannt ist, erklärt Prietl wie folgt: "Mattersburg ist nicht der Klub wie Rapid, Salzburg oder Sturm, wo eine andere Medienpräsenz herrscht. Ich bin auch nicht der, der 20 Tore pro Saison schießt. Dann ist auch klar, dass man nicht so viel von einem Manuel Prietl liest. Es stört mich nicht, dass ich unter dem Radar laufe."
In Bielefeld ist das anders. "Die Menschen identifizieren sich sehr mit Fußball. Die Stadt lebt extrem mit dem Klub mit. Wenn wir Autogrammstunden haben, dann kann ein fünfjähriger Bub alle Spieler aufzählen. Du wirst sogar erkannt und um Fotos gefragt, wenn du am Abend mit Kapuze einkaufen gehst. Von den Zuschauerzahlen ist Bielefeld in etwa mit Rapid zu vergleichen. Ich bekomme bei Heimspielen nach wie vor Gänsehaut, wenn ich rausgehe und 20.000 Fans die Hymne singen. Bei Mattersburg hatte ich das ja nicht."
„"Jeder hätte gerne, was Arnautovic hat"“
Würde er in Sachen Popularität gerne mit David Alaba oder Marko Arnautovic tauschen? "Jeder Fußballer hätte gerne, was sie haben. Das sind Vorzeige-Athleten, sie sind Aushängeschilder. Sie haben sich das erarbeitet."
Und sie kicken im Gegensatz zu Prietl, der Yaya Toure als Idol nennt, im Nationalteam. Dass es für den 28-Jährigen schwer wird, auf den EM-Zug aufzuspringen, ist klar. "Ich habe die Quali verfolgt. Die Burschen haben eine brutale Qualität. Klar träumt man davon, für sein Land zu spielen. Man muss aber realistisch sein. Schauen wir mal."
Autor: Erich Elsigan