Wien
Betreuer: "Täter zu keinem Zeitpunkt deradikalisiert"
Der Verein Derad, der für die Betreuung von einschlägig verurteilten Personen zuständig ist, weist die Anschuldigungen von Karl Nehammer zurück.
Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) erklärte am Dienstag im Rahmen einer Pressekonferenz, dass der Täter des Anschlags in Wien vorzeitig von einer ihm auferlegten Haftstrafe entlassen wurde. Das löste eine Debatte um den Umgang mit radikalisierten Personen nach sich. Auch Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) erkannte, dass diese Thematik Gegenstand von Diskussionen sein wird.
Der mutmaßliche Terrorist wurde am 5. Dezember 2019 vorzeitig aus seiner Haft entlassen, gegen den Willen des Staatsanwaltes. Seine 22-monatige Haftstrage wäre im Juli 2020 getilgt gewesen. Nach dem schwarzen Montag kamen folglich rasch Vorwürfe wegen möglichen Behördenversagens auf.
Hätte volle Haftdauer etwas geändert?
Der Deradikalisierungsverein DERAD, der als NGO im Auftrag des Justizministeriums tätig ist, wurde schnell zur medialen und politischen Zielscheibe. Am Mittwoch veröffentlichte der Verein eine Stellungnahme, in dem er sich von den Vorwürfen des Innenministers distanziert.
"Aufgrund der Aussagen des Bundesinnenministers auf der gestrigen Pressekonferenz, möchten wir zu den unrichtigen Angaben Stellung nehmen. Seine Behauptung in der Pressekonferenz, am 3.11., der Ersttäter wäre im Dezember 2019 deswegen nach zwei Drittel seiner Haft entlassen worden, weil die Justiz und Prävention versagt hätte, ist unrichtig". Im Gerichtsbeschluss stehe zudem nicht, dass der Täter bereits deradikalisiert sei.
Was richtig sei, ist, dass der Täter unter der Auflage, an einem dreijährigen Deradikalisierungsprogramm teilzunehmen, aus der Haft entlassen worden sei. Ohne diese wäre der Täter im Juli 2020 aus der Haft entlassen worden, "die schreckliche Bluttat wäre auch nach dem vollen Absitzen seiner Strafe vom zeitlichen Ablauf her möglich gewesen", heißt es.
"Zu keinem Zeitpunkt deradikalisiert"
Der Verein hält auch fest, dass der zuständige Betreuer den Todesschützen "zu keinem Zeitpunkt als deradikalisiert dargestellt" habe. In weiterer Folge erklärt das Schreiben, dass Derad keinerlei operative Möglichkeiten zur Überwachung von Personen habe und auch keine Telefonate abhören könne.
Dennoch stehe der Verein in engem Kontakt mit den Verfassungsschutzorganisationen von Bund und Land. Bei Situationen in der Vergangenheit, in denen Gefahr im Verzug geherrscht habe, hätten Straftaten verhindert werden können. Dieser positive Aspekt sei von Nehammer nicht erwähnt worden. "Daher ergeht ein Plädoyer für bessere Zusammenarbeit anstelle von Schuldzuweisungen", heißt es am Ende des Statements.