Wien
Bauexperten fordern mehr Balkone für Wiener Wohnungen
Die Wiener Bauordnung ist veraltet, für 2024 stellt die Stadtregierung eine Novelle in Aussicht. Experten fordern dafür wesentliche Änderungen.
Als "eines der mächtigsten Gesetze" bezeichnet die Kammer der ZiviltechnikerInnen, ArchitektInnen und IngenieurInnen die Wiener Bauordnung. Noch in diesem Jahr ist eine Baurechtsnovelle geplant, ab 2024 soll sie gelten. Das gab die rot-pinke Stadtregierung bereits im November 2022 bekannt.
Die Eckpfeiler sollen die Anpassungen an den Klimawandel, leistbares Wohnen und einfachere Verfahren sein. Im Vorfeld luden Planer gemeinsam mit Experten aus der Immobilienwirtschaft zu einer gemeinsamen Pressekonferenz über die Bedeutung der Novelle für die Stadt.
"Es braucht einen Paradigmenwechsel!"
"Die Novelle liegt noch nicht vor, aber wir wollen verhindern dass sie den Bedürfnissen nicht gerecht wird. Es braucht einen Paradigmenwechsel", stellt Bernhard Sommer, Architekt und Präsident der Kammer klar. Die Wiener Bauordnung ist österreichweit einzigartig, weil sie auch die Flächenwidmung regelt. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern gibt es kein eigenes Raumordnungsgesetz. In Zeiten des Klimawandels sei dies eine spezielle Herausforderung, so die Experten – sowie das Ziel, dass bis 2040 alle mit fossiler Energie betriebenen Heizungen dekarbonisiert werden müssen.
Unnötige Bürokratie, lange Verfahren
Der größte Kritikpunkt: Das aktuelle Gesetz sei nicht mehr zeitgemäß und voll von "unnötiger Komplexität und Bürokratie". "Die Planung passierte Mitte der 1980er Jahre, damals ging man davon aus, dass die Einwohnerzahl Wiens schrumpfen wird", so WK-Bauträgersprecher Hans Jörg Ulreich. "Dementsprechend wurde gebaut." Ein Großteil der Flächenwidmungs- und Bebauungspläne entspreche nicht den aktuellen Zielen der Stadtplanung. Die Energieversorgung durch erneuerbare Energien etwa war damals noch kein Thema.
Experten fordern mehr Balkone für Wien
Die lange Dauer von Verfahren mache es zudem fast unmöglich, bei Neu- Zu- und Umbauten innovative Ideen bewilligt zu bekommen. Planer würden von überschießenden Prüfungen berichten, Bauakte würden teilweise nicht abgeschlossen. Durch unabhängige Ziviltechniker und zielführender Digitalisierung könnten die Behörden entlasten.
Ein Beispiel für Überregulierung wären etwa die Balkone – davon sollte es laut Experten viel mehr in Wien geben. Es scheitere jedoch oft an einer Flut von Vorschriften und Zuständigkeiten. "Die Änderung eines einzelnen Paragrafen reicht nicht aus, es braucht ganzheitliche Betrachtung der Gesetze und Zuständigkeiten", so Sophie Ronaghi-Bolldorf, Vorstandsmitglied der Ziviltechnikerkammer. Auch eine Entkoppelung von Gebäuden und Fahrzeugen sei wichtig, denn beim Bauen verursache Beton den größten CO2-Ausstoß und Garagen werden nunmal aus Beton errichtet.
"Politik soll auf Planer und Wirtschaft bauen"
Ein weiteres Problem sieht die Kammer in Zielkonflikten. So werden in der Stadtplanung Entsiegelung, Begrünung und Förderung von Baukultur als Ziele formuliert – aufgrund der veralteten Flächenwidmung könnten diese jedoch nicht umgesetzt werden. Photovoltaik oder Begrünung stünde zum Beispiel im Widerspruch zu Auflagen des Brandschutzes. Regenwasser dürfe nicht zur Bewässerung von Straßenbäumen verwendet werden.
"Die Politik sollte mehr auf die Planer und die Wirtschaft bauen", heißt es. Die Erfahrung sei vorhanden – aktuell wäre man jedoch mehr mit dem Abarbeiten von Listen beschäftigt. "So entstehen keine Innovationen!" Es brauche nicht nur Verbote, sondern auch Anreize. Vorschriften und Gesetze besser abzustimmen würde auch die Baukosten verringern und damit den Wohnraum leistbarer machen.