Niederösterreich
Banken-Coups: So machte Profibande dezent ein Vermögen
Auf leise Weise machte eine Profibande in NÖ und Wien ein Vermögen. Sie überlistete das Sicherheitssystem der Banken und leerte Schließfächer.
Schließfächer in Geldinstituten gelten eigentlich als äußerst sichere Angelegenheit und spektakuläre Megacoups wie von Danny Ocean kennt man nur aus Hollywood-Streifen. Bis jetzt, muss man sagen: Denn eine äußerst raffinierte Bande machte leise und unbemerkt ein Vermögen.
Die Kriminellen hatten das moderne Schließfachsystem einiger Banken überlistet. Diese Schließfächer haben den Vorteil, nicht an Betreuer oder Banköffnungszeiten gebunden zu sein. Man betritt das Foyer, gibt den Code ein, ein Lift bringt dann die Geldkassette des Schließfaches vom Tresorraum im Keller direkt in ein Ausgabefach. Dann kann der Kunde über sein Vermögen verfügen, gibt die Kassette wieder in den Lift und die Aktion ist beendet.
Geld, Gold, Edelsteine
Mit diesem Wissen, viel IT-Know-How und den nötigen Vorkehrungen und Vorbereitungen leerten unbekannte Kriminelle ein Schließfach nach dem anderen in Mödling, Klosterneuburg und Wien.
Der erste Fall wurde in Mödling bekannt. Hier sollen zahlreiche Schließfächer geplündert und Geld, Gold und andere Edelmetalle sowie Edelsteine gestohlen worden sein. Die Schadenssumme kann noch nicht benannt werden, ein Millionenschaden ist aber zu befürchten.
Wartende Kunden vor Bank
In etwa gleichzeitig sollen auch Schließfächer der Bank Austria in Klosterneuburg (Tulln) ausgeräumt worden sein. Ein Bankmitarbeiter sprach am Freitag kurz mit "Heute" und beruhigte: "Es dürften nur einige, wenige Schließfächer sein. Die betroffenen Kunden wurden von uns bereits kontaktiert." Dennoch warteten beim "Heute"-Lokalaugenschein bereits einige verunsicherte Kunden vor der Klosterneuburger Filiale. Sie wollten unbedingt nachsehen, ob ihre Vermögenswerte noch im Schließfach sind oder nicht.
Kurz nach Mittag meldete dann eine weitere Bank leere Schließfächer: Die Raiffeisenbank in der Muthgasse im 19. Bezirk in der Bundeshauptstadt. Auch hier sollen nach demselben "Modus operandi" Schließfächer geleert worden sein. Es ist somit nicht mehr auszuschließen, dass auch noch weitere Bankfilialen mit modernen Schließfachsystemen betroffen sind.
Waren Insider beteiligt?
An beiden Tatorten in NÖ ermittelte am Freitag die Spurensicherung des Landeskriminalamtes NÖ, in Wien die Kollegen des Landeskriminalamtes Wien. Bereits am Freitagmittag hatte Polizeisprecher Johann Baumschlager gesagt: "Es ist nicht fix, aber möglich, dass es sich bei allen Coups um dieselben Täter handelt. Und es ist noch viel zu früh, um über eine Schadenshöhe zu sprechen. Es wird auf Hochtouren ermittelt, aber wir sind erst am Anfang." Die Polizei geht davon aus, dass die Coups am Mittwoch stattfanden, in Wien im Zeitraum von Ende Oktober bis Mittwoch.
Corona als Schutz
Wie konnten die Coups eigentlich passieren? Mit oder ohne Insiderwissen konnten die Täter das Sicherheitssystem der Banken überlisten und so relativ stressfrei die Schließfächer leeren. Die Coups dürften während der Ausgangssperre über die Bühne gegangen sein. Und anders als bei alten Schlüssel-Systemen funktioniert das moderne Schließfachsystem elektronisch über Daten. Laut Raiffeisen-Sprecherin seien die Sicherheitsstandars mehrstufig und auf höchstem Niveau. Wie es den Tätern jeweils gelungen ist, diese angeblich so hohen Standards zu knacken, dazu gab es weder von der Polizei noch von den betroffenen Instituten Angaben.
Gehen Kunden leer aus?
Ein weiterer interessanter Aspekt ist die Haftungsfrage: Denn grundsätzlich sind die Inhalte je nach Bank nur bis zu 3.000 oder bis maximal 5.000 Euro gegen Feuer, Diebstahl und höhere Gewalt versichert. Gegen einen geringen Jahresbeitrag kann diese Summe beträchtlich (bis zu 100.000 Euro oder bei wenigen Instituten sogar mehr) erhöht werden.
Mittlerweile sollen alle betroffenen Kunden, zumindest aus Niederösterreich, kontaktiert worden sein. Die Raika sprach von einer überschaubaren Zahl an Opfern, die Bank Austria von wenigen Opfern.