"Tauschen statt kaufen"

Australierin lebte 10 Jahre ohne Geld – bis jetzt . . .

Vor zehn Jahren hinterfragte die Australierin Jo Nemeth (56) ihr ganzes Leben – und beschloss, ohne Geld zu leben. Jetzt braucht sie dringend Spenden.
Nick Wolfinger
20.02.2025, 11:53

Obwohl sie mit ihrem Gehalt als Büroangestellte kaum über die Runden kam, plagten die Australierin Jo Nemeth (56) Schuldgefühle: Fast alles, was man kaufen kann, beruht zumindest zum Teil auf Ausbeutung in ärmeren Ländern.

"Ich hatte es satt, ständig zu hören, zu lesen und zu sehen, dass alles, was ich kaufe, schreckliche Auswirkungen auf andere Menschen und den Planeten hatte", erklärte sie jetzt auf Radio Neuseeland. Da ihr für nachhaltige, Bio- und Öko-Produkte jedoch das Geld fehlte, drängte die Frage nach einem Ausweg aus dieser Zwick- und Tretmühle.

So wurde sie zur Aussteigerin

Als sie im Krankenbett ein Buch über Menschen, die ohne Geld leben, las, fasste sie den Entschluss, es ihnen gleich zu tun. Der Schulabschluss ihrer damals 18-jährigen Tochter war für sie der richtige Zeitpunkt, ihr Leben von Grund auf zu ändern. Sie kündigte ihren Job, schenkte ihre gesamten Ersparnisse ihrer Tochter und schloss ihr Bankkonto.

"Ich habe eine Liste geschrieben, was ich zum Überleben wirklich brauche. Das hat etwa 10 Minuten gedauert. Ich dachte, das wird schwierig, aber es war natürlich ganz einfach", so Nemeth. Ihr sei klar geworden, dass sie im Wesentlichen nur eine Unterkunft und Verpflegung braucht. Dennoch bereitete sie sich schließlich ein Jahr lang vor, bevor sie ihr Zuhause aufgab.

Zunächst fand sie eine Farm in der Nähe von Lismore in ihrer Heimatregion New South Wales. Dort konnte sie im Gegenzug für Hilfe beim Gemüseanbau kostenlos leben. In dieser Zeit beschäftigte sie sich mehr mit der Idee der "Geschenkökonomie" – also einer Art zurück zum vormodernen Tauschhandel, als es noch kein Geld gab.

Wer gibt, dem wird gegeben

Anders als im traditionellen Tauschhandel geht es bei der Geschenkökonomie aber nicht darum, direkt eine Ware gegen eine andere (oder eine Dienstleistung) zu tauschen. "Wir geben, ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Wir machen Geschenke, wir schenken unsere Zeit, um Menschen zu helfen ... In unserer Geldökonomie kommt das viel zu kurz".

Nach dem Tod des Mannes einer guten Freundin zog sie zurück in die Stadt und "half ihr, wieder auf die Beine zu kommen". Sie lebte zunächst im Haus, baute sich aber schließlich aus recycleten Materialien eine Art Hütte im Garten, als ihre Freundin einen neuen Partner fand. Im Garten baut sie Obst und Gemüse an, im Haushalt erledigt sie alle möglichen Arbeiten und ist immer für die beiden Hunde da, wenn Frauchen und Herrchen aus dem Haus sind.

Auch für andere Freunde und Bekannte ist sie immer da – und erhält dafür im Gegenzug Dinge, die sie sonst nicht kaufen könnte. Sie baut somit eine Art "soziale Währung" auf.

Reis als Weihnachtsgeschenk – und alte Servietten

Doch woher nimmt sie ihre Kleidung? Und nur von Obst und Gemüse aus dem Garten kann man ja auch nicht leben? Geld vom Staat lehnt sie ab, in der heutigen "Überflussgesellschaft" kann sie auf jede Menge Second-Hand-Kleidung zurückgreifen. Kaum zu glauben, aber: "Reis und Getreide lasse ich mir von Freunden zum Geburtstag oder zu Weihnachten schenken."

Für die Hautpflege baut sie im Garten die ursprünglich aus Afrika stammende Pflanze Popcorn Cassia an. Auch Seife und Waschpulver stellt sie selbst her, ebenso Tofu und fermentierte Lebensmittel. "Ich überlege ständig, wie ich Dinge selbst herstellen kann, es ist wie ein Spiel."

Ausgehen ohne Geld

Ins Café geht sie freilich nur, wenn sie von Freunden eingeladen wird. Kinobesuche macht sie allerdings häufiger, da sie freiwillig in einem Kino aushilft. Die Haare schneidet sie sich selbst, Make-Up braucht sie kaum.

Statt Klopapier verwendet sie kaum gebrauchte Servietten aus dem Café einer Freundin. Zum Zähneputzen verwendet sie selbst gemachte Aloe-Vera-Zahnpasta – und das ist möglicherweise auch einer der Gründe, warum sie jetzt plötzlich doch auf Geld angewiesen ist.

Zahnarzt wirft sie "zurück" ins alte Leben

Für eine "aufwändige" Zahnbehandlung, die nicht von der (in Australien für alle Bürger verpflichtenden) Sozialversicherung gedeckt ist, hat sie nun angekündigt, eine Spendenkampagne auf GoFundMe zu starten. Danach will sie aber wieder ohne Geld weiterleben – schließlich gibt es für sie (sonst) nichts, was sie an ihrer damaligen Entscheidung, aus der Konsumgesellschaft auszusteigen, bereut.

Sie lebt ja dadurch nicht in der Steinzeit. Mit einem vertragsfreien Handy und über das W-Lan des Hauses ist sie auch in den Sozialen Medien sehr aktiv, hat einen Blog und vor einigen Jahren auch ein Buch herausgebracht.

{title && {title} } NW, {title && {title} } 20.02.2025, 11:53
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