Wien
Wiener Aufräum-Profi dank Pandemie gefragt wie nie
"Häusliche Problemzonen" sind das Spezialgebiet von Aufräumcoach Desirée Schweiger (36). Seit Corona steht ihr Telefon nicht mehr still.
Seit Beginn der Coronapandemie verbringen wir alle deutlich mehr zu Hause. Entweder durch Lockdowns oder durch Home Office oder Home Schooling: Der Fokus auf die eigenen vier Wände und auf mögliche Ordungsprobleme, hat sich verstärkt. Das merken auch die Aufräumcoaches, die seit Beginn der Krise einen wahren Boom erleben. Was mit Ordnungsberaterin Marie Kondo begonnen hat, hat sich auch bei uns zu einer lebendigen Branche entwickelt.
Den Wunsch nach Ordnung, ohne zu viel Zeit mit dem Aufräumen zu verlieren, erfüllt auch "simply organized"-Coach Desirée Schweiger (36). Mit ihrem Premium-All-inclusive-Umsetzungs-Paket um 300 Euro macht sie "häuslichen Problemzonen" den Garaus. In "Heute" erzählt Sie, was beim Aufräumen das Schwierigste ist, ob Frauen ordentlicher sind als Männer und gibt Tipps für den anstehenden Frühjahrsputz.
"Heute": Frau Schweiger, seit wann sind Sie als Aufräumcoach tätig?
Schweiger: "Seit April 2019. Der Erfolg von Marie Kondo war der Ausschlag dafür, dass ich mich getraut habe, mich damit selbständig zu machen".
"Heute": Wie hat sich Corona auf Ihre Arbeit ausgewirkt?
Schweiger: Ich habe ja erst im April 2019 gestartet. In diesem Jahr hatte ich nur fünf Aufträge. Bis März 2020 hatte ich zwei Aufträge. Ab April 2020 stand mein Telefon nicht mehr still. Jetzt habe ich mindestens sechs Neukunden im Monat und die meisten wollen dann gleich das ganze Haus oder die ganze Wohnung organisieren, das heißt, da bin ich dann öfters".
"Heute": Wie sind Sie dazu gekommen? Waren Sie schon als Kind ordentlich?
Schweiger: "Ich war immer schon ein sehr ordnungsliebender Mensch. Alleinlebend ging es auch noch sehr gut die Ordnung zu halten. Als ich Mama wurde, änderte sich dies, da mein Lebensfokus, sowie meine Zeitressourcen, andere wurden".
„"Schönheit darf nicht fehlen, damit das Aufräumen mehr Spaß macht"“
"Mein Ziel war und ist es in Ordnung nicht viel Zeit oder Kraft investieren zu müssen und diese dennoch zu genießen. Dafür bedarf es eines ausgeklügelten Ordnungssystems, das letzten Endes effektiv und simpel sein soll. Zusätzlich darf meines Erachtens die Schönheit nicht fehlen, damit das Aufräumen mehr Spaß macht. So begann ich das Internet nach wertvollen Ideen durchzuforsten, sowie eigene zu kreieren, um mehr Ordnung in den Haushalt zu bringen".
"Durch Gespräche mit anderen, habe ich bemerkt, dass viele sehr ähnliche Probleme mit der Unordnung haben und zu viel Zeit mit Suchen verbringen. Ich half immer mehr Bekannten und Verwandten Ordnung in ihr Zuhause zu bringen. Alle fühlten sich danach glücklich und befreit. Außerdem machte es mir so viel Spaß, dass ich ab einem gewissen Moment wusste, dass ich mich damit selbstständig machen möchte. Ich liebe es einfach meinen Kundinnen und Kunden mit praktischen Tipps, die den Alltag erleichtern, zur Seite zu stehen".
"Heute": Haben Sie ein Spezialgebiet?
Schweiger: "Küchen organisiere ich am liebsten".
"Heute": Wer ist ordentlicher? Frauen oder Männer?
Schweiger: "Tatsächlich werde ich ausschließlich von Frauen gebucht. Ich glaube es liegt daran, dass Frauen ein anderes Verständnis von Ordnung haben und es sie eher stört, wenn es etwas unordentlicher ist. Ich werde ja auch oft in nicht total unordentlichen Haushalten gebucht, um es einfach 'perfekt' zu haben".
Ordnungstypentest hilft beim individuellen Aufräumen
"Heute": Wie gehen Sie ein neues Aufräum-Projekt an?
Schweiger: "Bevor es zur Kundin geht, gibt es meist ein kurzes Vorgespräch. Auch hilft es mir sehr, wenn ich vorab Fotos oder Videos von den häuslichen Problemzonen zugeschickt bekomme. Vor allem, wenn man zum Organisieren Ordnungsprodukte (Boxen, Drehteller, etc.) benötigt – denn diese kann ich gegeben falls schon zum ersten Termin mitbringen".
"Danach bekommt die Kundin einen Ordnungstypentest zugeschickt. Denn jeder organisiert anders – so finde ich heraus, welches System für sie passend ist. Vor Ort lasse ich mir die Chaos-Hotspots oder oft auch gleich ihr ganzes Zuhause zeigen. Durch Gespräche, wie der Alltag abläuft, versuchen wir gemeinsam ein individuelles Ordnungssystem zu finden".
"Die Entscheidung, was aussortiert werden kann, soll die Kundin natürlich selbst treffen. Ich unterstütze bei der Entscheidung, was aussortiert werden kann und setze die geplante Ordnungslösung entweder gemeinsam mit der Kundin oder alleine um. Aber mein Alltag besteht aus so viel mehr als nur der Zeit vor Ort bei der Kundin. Danach werden Produkte recherchiert und eingekauft, gegeben falls Angebote von TischlerInnen eingeholt und vieles mehr".
"Heute": Was macht Ihnen an Ihrem Job Spaß?
Schweiger: "Die Abwechslung und das Arbeiten mit unterschiedlichen Menschen. Kein Tag, keine Kundin, keine Problemzone sind gleich. So bleibt es täglich spannend".
„"Manche blühen regelrecht auf, wenn es ordentlich ist".“
"Die beeindruckenden Wandlungen der Bereiche aber auch manchmal der Menschen ist schon wirklich schön mit anzusehen. Manche blühen ja regelrecht auf, wenn es dann ordentlich ist und starten in ein neues unbeschwerteres Leben".
"Heute": Was ist schwieriger? Das Ordnung halten oder das Ausmisten?
Schweiger: "Definitiv das Ausmisten. An den meisten Dingen haften Emotionen. Wenn man dann aber seinen Besitz reduziert hat, allem übrig gebliebenen einen festen Platz gegeben hat und ein paar Routinen einführt, ist das Ordnung halten nicht mehr ganz so schwierig".
"Heute": Es heißt, Aufräumen ist auch eine Art Seelenhygiene – sehen Sie das auch so?
„"Durch äußere Ordnung kommt oft auch innere Ordnung".“
Schweiger: "Auf jeden Fall. Die meisten Menschen belastet Unordnung. Es wird viel zu viel Zeit mit Suchen verbracht. Durch die äußere Ordnung kommt oft auch die innere Ordnung. Die meisten fühlen sich nach getaner Arbeit freier. Mit dem Loslassen von Gegenständen kann auch leichter mit der Vergangenheit abgeschlossen werden, wenn dies gewünscht wird".
"Heute": Manche sagen, wenn etwas drei Monate ungenützt im Keller liegt, dann kann man es eigentlich auch wegschmeißen. Stimmt das?
Keller als "Aufbewahrungsort für aufgehobene Entscheidungen"
Schweiger: "Im Keller würde ich ohnehin nur Dinge aufbewahren, die man selten benötigt, dann aber jedenfalls braucht, wie zum Beispiel Werkzeug, Ski, Weihnachtsdekoration. Alles andere wird meist nur in den Keller gegeben, weil man sich derzeit nicht entscheiden kann, es tatsächlich gleich weg zu geben. Der Keller ist meist Aufbewahrungsort für aufgeschobene Entscheidungen. Die zu klein gewordenen Jeans, Dekorationsartikel,… sollte man gar nicht erst im Keller zwischenlagern".
"Heute": Wie wichtig ist Nachhaltigkeit und Recycling bei Ihren Ausmist-Aktionen?
Schweiger: "Sehr. Wir schauen immer, dass die nicht mehr benötigten Gegenstände weiterleben. Sie werden verschenkt oder gespendet. Denn nur weil man selbst nicht mehr so viel Freude damit hat, bedeutet es nicht dass man nicht jemanden anderen damit Freude machen kann".
"Heute": Begleiten Sie Ihre Kunden beim Aufräumen, oder erstellen Sie vorab einen genauen Plan, der dann zu Hause abgearbeitet wird? Und machen Sie trotz Corona Hausbesuche?
Schweiger: "Meistens begleite ich sie dabei. Ich biete aber auch Online Coaching an, für alle, die weiter weg wohnen oder überzeugt sind, es mit einer Anleitung auch alleine zu schaffen. Und unter Einhaltung aller Covid-19-Sicherheitsmaßnahmen komme ich auch vor Ort zum Kunden".
Einser-Regeln helfen die geschaffene Ordnung zu bewahren
"Heute": Was sind Ihre Tipps, um nach dem Aufräumen die Ordnung zu erhalten?
Schweiger: "Routinen, zum Beispiel morgens und abends einführen. Aber auch bestimmte Grundsätze einhalten, wie etwa die '1-Minuten Regel' (alles, was in weniger als einer Minute erledigt werden kann, wird sofort getan) oder die '1-Mal Berühren-Regel' (ich lege den Gegenstand nicht dazwischen ab, wenn ich ihn in der Hand halte, sondern bringe ich ihn sofort an den vorgesehenen Ort). Oder die 'Keine leeren Hände-Regel': wenn ich von einem Raum in den anderen gehe, nehme ich gleich Dinge, die in den anderen Raum gehören, mit.
"Heute": Nach dem Winter steht ja nun auch bald der Frühjahrsputz an. Haben Sie für uns Tipps?
Schweiger: "Der beste Startschuss für den Frühlingsputz ist definitiv mit guter Musik, die Lust macht loszulegen! Ein Putzplan ist dafür immer hilfreich und unterstützend. Dieser kann selbst erstellt werden, indem in jedem Raum aufgeschrieben wird, was alles zu erledigen ist, am besten auch gleich mit welcher Dringlichkeit und von wem".
"Es gilt sich vorab zu überlegen, ob bestimmte Punkte womöglich delegiert oder aufgeteilt werden können, damit nicht an einer Person alles hängen bleibt. Wenn man sich hierzu schwer tut die notwendigen Punkte aufzulisten, kann auch bereits auf vorgefertigte Putzpläne zurückgegriffen werden, diese gilt es dann nur mehr auf die eigenen Bedürfnisse zu adaptieren".