1.137 Gefangene

Auch sie hat Wladimir Putin ins Straflager verbannt

Oleg Orlow blieb als einer der letzten Oppositionellen lange unbehelligt. Jetzt muss er in Haft. In Russland gibt es nun 1.137 politische Gefangene.

Auch sie hat Wladimir Putin ins Straflager verbannt
Sieben Jahre für Post-its: Alexandra Skotschilenko (33).
REUTERS

Oleg Orlow war einer der wenigen russischen Oppositionellen, die nicht im Gefängnis, im Exil oder tot sind. Bis jetzt. Am Dienstag hat ihn ein russisches Gericht zu über zweieinhalb Jahren Haft verurteilt - wegen Diskreditierung der Armee, sprich: seiner Kritik am Krieg gegen die Ukraine.

Acht Beamte führten den 70-Jährigen ab. Orlow war der Co-Vorsitzende der Organisation Memorial, welche den stalinistischen Terror aufarbeitet. Ende 2021 ordnete das oberste Gericht Russlands ihre Auflösung an, da sie "Lügen über die UdSSR" verbreite.

Derzeit sitzen über 1.000 politische Gefangene in Russlands Straflagern, mit Orlow sind es 1.137. Ihnen droht das gleiche Schicksal wie dem im sibirischen Straflager verstorbenen Alexei Nawalny. Denn: Die "Politischen" werden voneinander isoliert und erleiden eine Brutalität und Willkür, die laut "NZZ" über "den harten Alltag in poststalinistischen sowjetischen Lagern hinausgehen".

Auch sie sitzen wegen Putin in Straflagern

Alexandra Skotschilenko

Alexandra Skotschilenko vor Gericht in St. Petersburg.
Alexandra Skotschilenko vor Gericht in St. Petersburg.
REUTERS

Die 33-jährige Comiczeichnerin hatte auf Waren in Supermärkten kleine Zettel mit Informationen über russische Kriegsverbrechen in der Ukraine geklebt. 2023 wurde sie zu sieben Jahren Haft verurteilt. Skotschilenko leidet an Zöliakie. Dem Bürgerrechtsportal OWD-Info zufolge erhält sie keine Medikamente.

"Nach zwei Monaten Haft habe ich schwere Herzrhythmusstörungen. Mein Herz hört manchmal auf zu schlagen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass mein Herz stehen bleibt und nicht wieder zu pumpen beginnt", schreibt Skotschilenko aus der Haft.

Juri Dmitrijew

Historiker Jurij Dmitrijew 2018.
Historiker Jurij Dmitrijew 2018.
Peter Kovalev / Tass / picturedesk.com

Der Historiker (68) sitzt eine mehr als 15-jährige Lagerstrafe wegen "Sexualverbrechen mit Minderjährigen" ab. Erstmals festgenommen wurde der damalige Leiter der Menschenrechtsorganisation Memorial in Karelien 2016. Zwei Jahre später kam ein Gericht zum Schluss, dass Dmitrjews pornografische Fotografien seiner Pflegetochter gemacht habe. Eine Verleumdung, Dmitrijews Unterstützern zufolge. Moskau wolle den Ruf eines der bekanntesten Historiker des Landes zerstören.

Auch nicht im Ausland sicher

Die Liste von Oppositionellen, die vom Kreml ins Straflager verbannt wurden, ist lang (siehe etwa Wladimir Kara-Mursa und Ilija Jaschin). Doch auch im Exil leben Russlands Oppositionelle gefährlich.

Ein Netzwerk von Agenten sei in mehreren Ländern aktiv – in Botschaften, Unternehmen, als Hacker und Unterstützer von prorussischen Organisationen, beschreibt es Iwan Kolpakow, Chefredakteur des 2014 in Lettland gegründeten Exilmediums Meduza.

Die jüngsten Anschläge des Kremls hatte letzten Herbst das unabhängige russische Medienportal The Insider in einer Recherche ans Licht gebracht.

Jelena Kostjutschenko

Vergiftet in München: Jelena Kostjutschenko.
Vergiftet in München: Jelena Kostjutschenko.
Sergey Ponomarev

Sergey Ponomarev

Die Journalistin wurde mutmaßlich im Oktober 2022 in München vergiftet. Sie hatte zuvor aus der Ukraine über die russischen Kriegsverbrechen berichtet, als sie eine Warnung ihres Chefredakteurs daheim bekam: "Kadyrows Männer haben den Befehl erhalten, dich zu finden."

Seither lebt Kostjuschenko im deutschen Exil - und kämpft mit den Folgen ihrer Vergiftung, wegen der sie lange in der Berliner Charité in Behandlung war. Hier lagen auch Nawalny Pjotr Wersilow, Publizist und Mitglied von "Pussy Riot". Die Aktivistin Natalia Arno und die Radiomoderatorin Irina Babloyan mussten sich ebenfalls wegen mutmasslicher Giftanschläge behandeln lassen.

Kann es Julia Nawalnaja schaffen?
In Europa wohnen Tausende Russen mit humanitären Visa als politisch Verfolgte. Die russische Diaspora gilt als stark untereinander vernetzt und es gibt zahlreiche Vereine und Organisationen, die Russland von außen verändern wollen.
Tatsächlich aber haben auch bekannte Dissidenten wie Schachweltmeister Garri Kasparow oder der einstige Magnat Michail Chodorkowski aus dem Exil kaum etwas bewirken können.
"Generation Nawalny"
Nun wird darüber gerätselt, ob und inwieweit Julia Nawalnaja nach dem Tod ihres Mannes in der Lage ist, die russische Opposition vom Ausland aus anzuführen.
Derzeit erhält Nawalnaja extrem viel Zuspruch auf allen sozialen Netzwerken - gerade auch von der Exil-Opposition und der "Generation Nawalny", also Russen und Russinnen, die mit den Nawalnys als Galionsfigur der Opposition aufgewachsen sind.

red, 20 Minuten
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