Hoffnung auf Heilung
Arzt friert Menschen ein – für ein Leben in der Zukunft
Das Start-up "Tomorrow Biostasis" friert Tote bei minus 196 Grad ein. Das Ziel: Die Verstorbenen irgendwann auftauen, wenn sie geheilt werden können.
Nach 36 Jahren im Kälteschlaf werden Sylvester Stallone und Wesley Snipes im Blockbuster "Demolition Man" wieder aufgetaut. Eine Fantasie, die 1993 noch als Science-Fiction-Hit galt - jetzt wird die Kryonik-Methode mitten in Berlin zur Realität.
Der deutsche Arzt Emil Kendziorra kommt eigentlich aus der Krebsforschung. Weil es ihm dort an Fortschritten mangelte, baute der 38-Jährige das Start-up "Tomorrow Biostasis" auf. Ein Unternehmen, das Menschen einfriert.
Vier Kunden wurden bereits eingefroren
Im vergangenen Jahr hat der Mediziner bereits vier Frauen und Männer konserviert. Außerdem hat er bereits Hunderte weitere Anmeldungen von Personen erhalten, die nach dem Tod eingefroren werden wollen. Die wissenschaftliche Grundlage für dieses Verfahren, die Hoffnungen und Erwartungen der Kunden sowie die Kosten, beleuchtete die "Bild" bei einem Besuch des Arztes.
Die Kunden von "Tomorrow Biostasis" erhoffen sich, durch die Konservierung nach dem Tod die Möglichkeit zu haben, in die Zukunft zu reisen und dabei zu sein, wenn Krankheiten tatsächlich heilbar sind. Bereits in den USA und China gibt es Unternehmen, die Menschen in flüssigem Stickstoff bei minus 196 Grad konservieren. Kendziorras Unternehmen ist das erste in Europa, das diese Dienstleistung anbietet.
Wann es allerdings tatsächlich so weit sein wird, dass man die Menschen wiederbeleben kann, weiß man derzeit noch nicht. "Vielleicht dauert es 100, 300, 500 Jahre, bis es möglich ist, einen menschlichen Organismus wiederzubeleben, zu heilen und zu verjüngen", so der Arzt.
Hier werden Menschen eingefroren
So läuft die Konservierung ab
Sobald der Kunde verstorben ist, wird sein Körper im umgebauten Krankenwagen für die Konservierung vorbereitet. Kendziorra erklärt: "Im Wagen beginnen wir sofort mit der Kühlung. Gleichzeitig führen wir eine Herzdruckmassage durch und geben Sauerstoff über eine Atemmaske. Nicht, um den Verstorbenen wiederzubeleben, sondern um den beginnenden Zelltod zu verlangsamen und schließlich mit der Kühlung komplett zu stoppen." Haare, Wimpern und Augenbrauen werden in Hunderten Jahren keinen Millimeter mehr wachsen, die Haut nicht mehr altern.
"Wir kühlen sie und bringen sie so schnell wie möglich in die Schweiz", so Kendziorra weiter. In Rafz ZH, wo kaum Kriminalität herrscht und weder Hochwasser noch Erdbeben zu erwarten sind, wurde ein Institut mit Lagerräumen errichtet. Auf der Fahrt werden die Körper 0,5 bis 1 Grad pro Minute auf maximal minus 80 Grad heruntergekühlt. Ein Teil des Wassers im Körper wird bereits im Auto mit einer Konservierungslösung ersetzt. Die ersten vier verstorbenen Kunden befinden sich bereits hier, jeder in seinem eigenen 3,20 Meter hohen Stahlbehälter, der mit flüssigem Stickstoff gefüllt ist.
„Wir wissen alle nicht, ob es funktioniert.“
Die Aussicht auf ein neues Leben in der Zukunft hat jedoch ihren Preis. "Die Konservierung des Körpers kostet derzeit noch 200.000 Euro", erklärt der Arzt. Dieser Betrag muss zum Zeitpunkt des Todes bezahlt werden. Emil Kendziorra hat bereits vor der Gründung seines Unternehmens beschlossen, sich ebenfalls konservieren zu lassen. "Wir wissen alle nicht, ob es funktioniert", sagt er. "Aber es ist eine Chance, die man nicht hat, wenn man unter der Erde liegt."
Stellt sich jetzt nur noch die Frage, wer die vielen Hundert Jahre auf die Stahlbehälter mit den konservierten Menschen acht gibt: "Es gibt eine Stiftung, deren Rat in den kommenden Jahrhunderten immer wieder neu gewählt wird. Die Menschen engagieren sich unentgeltlich. In der Satzung steht auch geschrieben, dass den Kunden bei der Wiedereingliederung ins neue Leben geholfen werden soll", so Emil Kendziorra: "Und es wird immer auch Angestellte geben, die sich um die Sicherheit, das Auffüllen des flüssigen Stickstoffs vor Ort kümmern."