Wirtschaft

Armutskeule schlägt hart zu – Arbeitslose werden ärmer

Erstmals seit zwei Jahren ist die Arbeitslosigkeit in Österreich gestiegen. Arbeitslose leiden hierzulande besonders an der um sich greifenden Armut

Das Arbeitslosengeld wird nicht an die grassierende Inflation angepasst – somit werden Betroffene in Österreich immer ärmer.
Das Arbeitslosengeld wird nicht an die grassierende Inflation angepasst – somit werden Betroffene in Österreich immer ärmer.
Daniel Scharinger / picturedesk.com

Etwa 330.000 Menschen in Österreich sind aktuell arbeitslos gemeldet – knapp 140.00 davon in Wien. Somit ist die bundesweite Arbeitslosigkeit im April um 1,6 Prozent gestiegen, nachdem sie sich in den vergangenen zwei Jahren auf einem niedrigen Niveau bewegte. Arbeitslose sind die größten Verlierer der eklatanten Teuerung in Österreich. Denn: Im Gegensatz zu anderen Sozialleistungen werden weder das Arbeitslosengeld noch die Notstandshilfe indexiert – also an die Inflation angepasst. 

Wie eine Untersuchung des Momentum-Instituts nun zeigt, werden von Arbeitslosigkeit Betroffene immer ärmer. Das durchschnittliche Arbeitslosengeld ist von 2021 auf 2022 von rund 1.000 auf 970 Euro monatlich gesunken. Ökonom Jakob Sturn vom Momentum Institut hat eine Erklärung parat: "Dass im Jahr 2021 Arbeitslosigkeit noch stärker ein Phänomen war, das auch in der Mitte der Gesellschaft verbreitet war – zum Beispiel aufgrund der Coronavirus-Arbeitslosigkeit. Deswegen wurde dort ein höheres Arbeitslosengeld bezogen."

Harter Abfall im EU-Vergleich

Vergangenes Jahr waren demnach vor allem jene von Arbeitslosigkeit betroffen, die ohnehin schon weniger verdienen und "dann auch noch ein deutlich geringeres Arbeitslosengeld haben". Arbeitslose fallen in Österreich auf etwa 55 Prozent des zuvor bezogenen Einkommens zurück – innerhalb der EU stellt das einen der größten Sprünge dar. 

Fast alle Bezieher von Arbeitslosengeld liegen unter der Armutsgefährdungsschwelle, die bei rund 1.400 Euro liegt: "Es gibt natürlich trotzdem Differenzen zwischen den Branchen. Jemand, der arbeitslos ist und davor in der Finanzbranche gearbeitet hat, bekommt das höchste Arbeitslosengeld im Durchschnitt. Jemand, der in der Erziehung und Unterrichtsbranche gearbeitet hat, bekommt das niedrigste Arbeitslosengeld", so der Ökonom Sturn. 

Frauen beziehen besonders niedrige Summen

Besonders stark von niedrigen Bezügen betroffen sind Frauen, da sie – aus verschiedenen Gründen – deutlich häufiger in Teilzeit-Arbeitsverhältnissen stehen. "Frauen erhalten ein Arbeitslosengeld, das im Schnitt 100 Euro unter jenem der Männer ist und es betrifft auch Migrantinnen. Also eine Frau mit österreichischer Staatsbürgerschaft bekommt rund zwölf Prozent weniger als ein österreichischer Mann. Eine Frau ohne österreichische Staatsbürgerschaft bekommt 22 Prozent weniger als ein österreichischer Mann", meint Sturn dazu. 

Arbeiterkammer, Gewerkschaft und SPÖ fordern angesichts der schwierigen Situation für Arbeitslose eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent des vorherigen Einkommens. Die ÖVP wiederum hatte geplant, eine Erhöhung an ein schnelles Absinken zu koppeln, um Anreize zur schnellen Rückkehr in die Erwerbstätigkeit zu schaffen. Aus Sicht des Wirtschaftssoziologen Jörg Flecker wäre das nicht gerecht, wie er gegenüber dem ORF meint. 

Indexierung und Erhöhung gefordert

"Je älter jemand ist, desto länger sucht er nach Arbeit. Je eher jemand gesundheitlich Vermittlungseinschränkung hat, desto länger sucht jemand nach Arbeit. Das heißt, es werden die Leute, die lange gearbeitet haben benachteiligt. Es werden die Leute benachteiligt, die sich durch harte Arbeit eine Krankheit zugezogen haben", so der Soziologe. 

Aktuell sei es bereits so, dass beinahe die Hälfte jener Arbeitslosen, die unter gesundheitlichen Problemen leiden, über ein Jahr auf Arbeitssuche verbringen. Aus Sicht Fleckers braucht es daher dringend eine Indexierung sowie eine Erhöhung des Arbeitslosengelds in Österreich.

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    Die Inflation stieg im Mai auf acht Prozent.
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    APA-Grafik / picturedesk.com