Welt
Armin Wolf überrascht mit Interview in der ZIB2
Am Montag war der Osteuropa-Experte Ivan Krastev Studiogast von Armin Wolf in der ZIB2. Es handelte sich um ein nicht alltägliches Interview.
US-Präsident Joe Biden überraschte am Montag mit einem überraschenden Geheim-Besuch in Kiew. Zuerst berichteten ukrainische Medien über den Aufenthalt des amerikanischen Präsidenten im Kriegsgebiet. Nur wenige US-Journalisten waren in den Besuch eingeweiht, mussten vor dem Abflug laut den "New York Times" ihre Mobiltelefone abgeben.
Die aktuelle Situation in der Ukraine besprach ZIB-Anchor Armin Wolf mit dem bulgarischen Politologen Ivan Krastev. Das Gespräch fand allerdings nicht live statt, sondern wurde zuvor aufgezeichnet. Ein Umstand, der gelegentlich vorkommt. Nicht alltäglich war hingegen, dass das Interview auf Englisch geführt und ins Deutsche übersetzt wurde. Weil Wolf selbst als Sprecher fungierte, ergab sich ein ungewohntes Bild für den Zuseher.
Russland dürfte Ziele verfehlen
Der Experte erklärte, dass er von der Widerstandskraft der Ukrainer überrascht gewesen sei. Er weiß nicht mehr, was er vor einem Jahr erwartet hatte, erklärte der Experte, er sei jedenfalls im Gegensatz zu anderen vom Handeln Russlands nicht überrascht gewesen. Krastev gab im ZIB-Talk auch an, dass er davon überzeugt sei, dass viele Ukrainer selbst von der Widerstandskraft der eigenen Truppen überrascht gewesen seien.
Russland habe sein Ziel nicht erreicht. Putin habe in der Vergangenheit erklärt, dass die Ukraine Teil Russlands sei und er keine NATO-Erweiterung wolle. Angesichts der jüngsten Entwicklungen – Schweden und Finnland liebäugeln mit einem Beitritt – könnte Putin beide Ziele verfehlen.
Warum stehen die Russen hinter Putin? Zunächst seien diese geschockt über den Krieg gewesen, dann davon, ihn nicht eindeutig für sich entscheiden zu können. Mittlerweile sei man in einer dritten Phase angelangt. Putin habe das eigene Volk davon überzeugen können, de facto mit dem Westen im Krieg zu stehen – und diesen ist man in Russland offenbar bereit, zu führen.
Ungewisser Ausgang
Wie der Konflikt ausgehen wird, ist für den Experten unklar. Fix sei aber, dass Russland weder besiegt werden kann, wie Deutschland 1945, noch dass es zerfallen wird wie die Sowjetunion 1989. Dass man deswegen aber auf Verhandlungen setzen wird, hält der Politologe für unwahrscheinlich. Denn solche würde man entweder aus der Position der Stärke oder der Schwäche starten. In zweitgenanntem Fall müsse man sich eingestehen, viele Gebiete zu verlieren und dass viele Leute auf der eigenen Seite umsonst gestorben seien.
Eine rasche Rückkehr an den Verhandlungstisch hält Krastev allerdings ohnehin für ausgeschlossen. Denn im kommenden Jahr finden Präsidentschaftswahlen sowohl in Russland als auch der Ukraine statt. Beide Seiten brauchen bis dahin irgendeine Lösung. Diese müsse wohl aber im eigenen Interesse liegen. Denn einen Kompromiss wird wohl keiner der beiden Staatsoberhäupter eingehen, bevor die Wahl nicht vorbei ist.
Das Problem an Verhandlungen sei zudem nicht nur, unter welchen Bedingungen sie beginnen, sondern wie sie enden. Viele Kriege der vergangenen Jahrzehnte seien nicht durch Friedensverträge geendet, sondern mit Waffenstillständen, die wie Friedensverträge aussehen. Vor diesem Hintergrund würde den Experten ein Szenario, wie es in Korea der Fall ist, nicht überraschen.