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"Arcade Paradise" im Test – wunderbarer Retro-Traum

Endlich ist es da! "Arcade Paradise" für PC hat schon vor dem Launch für einen Hype gesorgt. Zeit, das Spiel noch intensiver unter die Lupe zu nehmen.

Rene Findenig
"Arcade Paradise" erfüllt im Test viele Retro-Träume, leidet aber an Wiederholungen.
"Arcade Paradise" erfüllt im Test viele Retro-Träume, leidet aber an Wiederholungen.
Nosebleed Interactive

"Arcade Paradise" für PC versetzt uns in die gute alte Welt der Spielhallen und Retro-Games. Spielende schlüpfen in die Rolle von Ashley, die den Waschsalon ihrer Eltern erbt und sich mit harter Arbeit und vor allem auf Drängen des Vaters nun ihr eigenes Geld verdienen soll. Weil Ashley aber absolut keine Lust hat, sich um die dreckige Wäsche der Kunden zu kümmern, will sie den Waschsalon kurzerhand in ein Arcade-Spieleparadies verwandeln. "Heute" schnupperte bereits im Juli in den kultigen Titel von Entwickler Nosebleed Interactive und Publisher Wired Productions hinein. Nun folgt das Test-Update.

Im Indie-Game bekommen wir zu Beginn gleich die Schlüssel des Salons in die Hand gedrückt und dürfen das eher heruntergekommene Geschäft, für das unser Vater keine Zeit mehr hat, nach einem kurzen Bus-Trip betreten. Schnell fällt auf: Die Grafik ist beeindruckend detailreich, die Sprachausgabe auf Deutsch und der Soundtrack eine rockige Hommage an Arcade-Gaming. Wer weiterspielt, entdeckt aber auch einen überraschenden Tiefgang. Das Game erzählt nämlich auch, wie sich Ashley ihrer Vergangenheit stellt und das erste eigene Unternehmen sie wieder stärker mit ihrer Familie vereint.

Retro-Gaming und eine überraschend emotionale Komponente

Dazu werden geschickt Sprachnachrichten und Textbenachrichtigungen des Vaters und der Schwester ins Game eingestreut, die anfangs noch von etwas fehlendem Vertrauen gegenüber unserem Geschäftssinn zeugen, schnell aber auch eine starke emotionale Komponente aufweisen. Je mehr die junge Frau den Waschsalon auf Vordermann bringt, umso mehr Dialoge zwischen den Familienmitgliedern schalten sich frei. Ein schönes Konzept, das abseits von Highscores und freischaltbaren Erfolgen zum Weiterspielen motiviert und das man in "Arcade Paradise" eigentlich nicht erwartet hätte.

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    "Arcade Paradise" für PC versetzt uns ab 11. August in die gute alte Welt der Spielhallen und Retro-Games. Spielende schlüpfen in die Rolle von Ashley, die den ...
    "Arcade Paradise" für PC versetzt uns ab 11. August in die gute alte Welt der Spielhallen und Retro-Games. Spielende schlüpfen in die Rolle von Ashley, die den ...
    Nosebleed Interactive

    Natürlich geht es aber primär nicht um das Aufpolieren der Waschmaschinen oder das Kitten der Familienbeziehungen, sondern um Arcade-Spielspaß. Und den gönnt sich Ashley, indem sie einen Bereich des Salons mit immer mehr Spielautomaten ausstatten lässt. Wie und mit welchen Automaten man durchstarten will, überlässt das Spiel dem Gamern zum großen Teil selbst. Wer will, kann sich Zeit nehmen und den Salon Stück für Stück aufrüsten sowie alles selbst ausprobieren – oder im Schnelldurchgang Automaten aufbauen. Zeit spielt in "Arcade Paradise" eine untergeordnete Rolle.

    Klassischer Spielablauf mit Timing-Herausforderung

    Abseits des Gameplays selbst darf man nicht zu viele interaktive Elemente erwarten – Videosequenzen in Sachen Handlung und Familien-Vereinigung gibt es bisher keine und auch bei den Dialogen bleibt man als Zuschauer ohne Möglichkeit, einzugreifen. Beim Gameplay wiederum haben Spielende anfangs die Wahl aus einer sehr überschaubaren Anzahl an Arcade-Spielautomaten, das Sortiment wächst mit der Zeit aber immer weiter auf rund 35 verschiedene Maschinen an. Geld für deren Kauf bekommt man ganz klassisch von Waschsalon-Kunden, um deren Schmutzwäsche man sich kümmert.

    Der Spielablauf zeigt sich dabei sehr klassisch: In First-Person-Perspektive sammelt man Wäscheberge ein, schmeißt diese in eine freie Waschmaschine, knüpft mit dem Trockner an und legt dann den gefalteten Wäscheberg am Tresen ab. Anfangs läuft das noch sehr entspannt ab, mit steigernder Kundenzahl und Wäschemenge wird es aber eine fordernde Aufgabe, bei der man das Timing im Auge behalten muss. Der Grund: Je schneller man die Wäsche erledigt, umso besser schneidet man im Ranking ab und umso mehr Geld gibt es für Arcade-Automaten. Und die sorgen nach und nach für ein neues Einkommen.

    Einige Aufbau- und Management-Mechaniken verbaut

    Der Clou des Spiels: Jeder Automat lässt sich auch selbst spielen, in dieser Hinsicht ist "Arcade Paradise" eine Retro-Spielesammlung in einem Spiel verpackt. Auch die Platzierung der Maschinen wird beim Vorankommen immer freier. Per Knopfdruck lassen sich Blaupausen der Automaten aufrufen, die dann im Waschsalon herumgerückt, gedreht und platziert werden können. Zusätzlich wächst mit mehreren Ausbaustufen der Platz im Salon an. Interessant: Je nachdem, wie oder wo Automaten platziert werden, können sie mehr oder weniger profitabel sein. Das Experimentieren macht Spaß.

    Neben diesen ganzen Aufbau- und Management-Mechaniken gibt es auch die Möglichkeit, die eigene Spielfigur "aufzuleveln". Mit verdienter In-Game-Währung aus Zeit-Herausforderungen und Zusatz-Aufgaben lassen sich Upgrades wie schnellere Bewegungsgeschwindigkeit oder größere Putzeffektivität kaufen, die das Spielhallen-Leben etwas leichter machen. Ganz vor Bugs war die Testversion aber nicht gefeit – so crashten die Spielautomaten-Games öfters und Zusatz-Aufgaben spendeten trotz Erfüllung keine Münzen. Ansonsten aber erfüllt das Game unsere wildesten Retro- und Arcade-Träumereien.

    Sich wiederholende Szenen, aber geniale Missionen

    Überraschend ist, dass es den gesamten Spielspaß recht günstig gibt, 19,99 Euro sind etwa auf Steam für die PC-Version fällig. Und ein witziges Detail ist auch noch zu erkennen: Der Vater der Protagonisten heißt Gerald und meldet sich immer mal wieder aus seinem Yacht-Urlaub an der Riviera. Ihm leiht ausgerechnet ein sehr bekannter Synchronsprecher seine Stimme: Gerald an der Riviera wird von der Stimme von Geralt von Rivia aus der "The Witcher"-Reihe vertont. Das entschädigt dann auch gleich etwas dafür, dass das Spiel anfangs langsam in die Gänge kommt und sich die Mechaniken immer wiederholen.

    Dabei frustriert es gar nicht so sehr, dass man anfangs immer wieder auf die gleiche Weise Wäsche in die Maschinen stopft und damit die Kunden zufrieden stellt, sondern wie das geschieht: Bei vielen Handgriffen wird nämlich eine eigene Animation abgespielt, die man sich immer und immer und immer wieder ansehen muss, da sie sich auch nicht überspringen oder abstellen lässt. Dafür blitzen an anderer Stelle immer wieder kleine Genialitäten auf: Mal fordern uns Waschsalon-Kunden zum Automaten-Wettkampf, mal müssen alltägliche Aufgaben wie die WC-Reinigung ebenfalls als Minispiel erledigt werden.

    Wunderbarer Retro-Traum, aber mit Misstönen

    Auch die Auswahl an verschiedenen Arcade-Games inspiriert, von Autorennen über Air Hockey bis hin zu Plattformern. Wer allerdings wirklich alle Automaten freischalten und ausprobieren will, sollte ein fettes Zeitkonto mitbringen, denn dieses Vorhaben kann schnell in dreistellige Spielstunden-Zahlen ausarten. Je mehr Missionen man erledigt, je mehr Geld man scheffelt, umso langsamer wird kurioserweise gleichzeitig der Fortschritt, weil die Kosten für neue Automaten immens steigen. An diesen Balancing-Auffälligkeiten sollten die Entwickler noch feilen, denn irgendwann wird das Spiel zum Grind.

    Ein absolut liebevoller und überraschend detailreicher Grafikstil, gute Musik- und Sprachausgabe-Untermalung, jede Menge Arcade-Games und viel Spaß beim Ausprobieren der Automaten. "Arcade Paradise" macht vieles richtig und nur wenig falsch. Nicht überspringbare Animationen oder auf Dauer aufreibende Freischalt-Aufgaben schmälern das Simulations-Arcade-Abenteuer zwar etwas, dennoch ist das Game ein willkommener und wunderbarer Traum für Spielhallen-Fans und Fans dürfen darauf hoffen, dass die Macher bei den kleinen Mankos noch nachbessern werden.