Wien

Ansturm auf "Not-Tickets" am Wiener Hauptbahnhof

Lange Schlangen, großer Andrang, aber auch eine Welle der Solidarität: Ein Lokalaugenschein am Wiener Hauptbahnhof.

Yvonne Mresch
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80 Prozent der ankommenden Flüchtlinge reist weiter: Dementsprechend groß ist derzeit der Ansturm auf Tickets am Hauptbahnhof.
80 Prozent der ankommenden Flüchtlinge reist weiter: Dementsprechend groß ist derzeit der Ansturm auf Tickets am Hauptbahnhof.
Denise Auer

"Ich hoffe, ich erwische den Zug nach Deutschland noch", bangt Natalya (28). "Wir sind seit Stunden hier." Gemeinsam mit ihrem Sohn Sascha Alexander (4) wartet die junge Ukrainerin sehnsüchtig am Wiener Hauptbahnhof auf ein Ticket. Die Schlange ist lang, der Andrang groß. Tausende Ukrainer kommen täglich in Österreich an. 80 Prozent reisen weiter – zumeist nach Deutschland, Frankreich, Italien oder in die Schweiz. Die ÖBB stellen sogenannte "Not-Tickets" kostenfrei für Geflüchtete zur Verfügung. Allein Sonntag Vormittag waren es 1.000 Tickets, die Zahlen steigen täglich um 10 Prozent. Es braucht nur etwas Geduld. "Wir sind gestern Abend angekommen, da war schon geschlossen. Heute Früh sind wir gleich wieder hergekommen. Jetzt warten wir seit zwei Stunden, ich hoffe, es dauert nicht mehr zu lange", berichtet die 23-jährige Hanna aus Odessa. 

Ticketzahlen steigen täglich um 10 Prozent

Die ÖBB arbeiten indes auf Hochtouren. Für die Ticketausgabe stehen neben den acht vollbesetzten Schaltern noch zwei weitere Schalter im Bahnsteig-Bereich bereit, an denen ausschließlich "Not-Tickets" ausgestellt werden. Auch das Zugpersonal stellt Tickets aus. Die Züge sind überfüllt, die ÖBB reagiert: Ein Verstärkerzug mit weiteren 420 Plätzen ist seit gestern im Einsatz. Geflüchtete erhalten zudem am späten Nachmittag Info-Blätter auf Ukrainisch und Englisch, ob am selben Abend noch Züge weitergehen, beziehungsweise wann die nächsten Züge in der Früh starten.

Run auf WC-Tickets

Aber nicht nur vor der Ticketausgabe ist einiges los: Die ganze Bahnhofshalle ist voll, überall warten Menschen – auf Orientierungshilfe, etwas zu Essen oder Trinken oder einfach nur ein offenes Ohr. Caritas, ÖBB und Freiwillige helfen, wo es nur geht. Am Info-Point in der Haupthalle beraten Dolmetscher zu den unterschiedlichsten Themen. Meist geht es um Wegbeschreibungen und Anlaufstellen. Wer sich selbst informieren will, kann das online über das gratis zur Verfügung gestellte Wlan tun, auch Lademöglichkeiten für Mobiltelefone gibt es.

Die sonst kostenpflichtigen WC-Anlagen am Hauptbahnhof sind für Geflüchtete grundsätzlich gratis benutzbar. Tagsüber verteilen Caritas-Mitarbeiter Tickets dafür, nachts ist die Anlage generell offen. Doch die WC-Tickets sind heiß begehrt, 100 Stück werden am Tag ausgegeben, der Nachdruck stockt. Mittlerweile spenden bereits Freiwillige 50 Cent Münzen für die Geflüchteten. Die ÖBB möchte deshalb die Anlage auch tagsüber öffnen und ist dafür im Gespräch mit Pächter Sanifair.

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    Geflüchtete warten zum Teil stundenlang auf ein Ticket zur Weiterreise.
    Geflüchtete warten zum Teil stundenlang auf ein Ticket zur Weiterreise.
    Denise Auer

    Privatpersonen geben warmes Essen aus

    Die Solidarität wird überall sichtbar: Vor der Caritas-Notschlafstelle werden Lebensmittel, Hygieneartikel und Spielzeug ausgegeben. Die ÖBB schenkt warme Getränke aus, Privatpersonen verteilen Suppe. "Bekannte von uns haben ein Lokal in der Innenstadt. Sie stellen warmes Essen zur Verfügung und wir verteilen hier. Die Nachfrage ist groß", berichten Martina Gsur (55) und Angelika Mulle (57). Nicht weit entfernt wurde eine Kinder-Ecke eingerichtet, in der gemalt und gespielt wird. Auch für die Vierbeiner gibt es einen eigenen Bereich: Hundeherr Kenzo erfreut sich dort am Nassfutter. 

    ÖBB und Caritas planen "private Rückzugsorte"

    Bei einem derart großen Andrang wie derzeit am Hauptbahnhof braucht es Rückzugsorte. Um vor allem Müttern und Kindern einen Ort zum Durchatmen fernab des Trubels zu bieten, entwickeln ÖBB und Caritas bereits Raumkonzepte. Die Gespräche dafür seien im Endspurt, heißt es von der ÖBB. Vorerst steht Müttern und Kindern ein hinterer, ruhigerer Wartebereich zur Verfügung.

    Die Caritas startet heute mit einem Tageszentrum im Erste Bank Campus, in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs. Das Zentrum ist täglich von 7 bis 19 Uhr geöffnet und bietet Platz für etwa 100 Menschen. Geflüchtete bekommen hier unter anderem auch warmes Essen. Die Stadt organisiert indes neue Notquartiere in ganz Österreich. In Kooperation mit dem Bundesheer können Geflüchtete mit Bussen in die Bundesländer fahren, heißt es.

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