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Angst in der Rebellenhochburg Idlib

Heute Redaktion
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Eine Rauchwolke nach einem Luftangriff auf das Dorf Kafr Ain im Süden der Provinz Idlib am 7. September 2018.
Eine Rauchwolke nach einem Luftangriff auf das Dorf Kafr Ain im Süden der Provinz Idlib am 7. September 2018.
Bild: picturedesk.com

Die Präsidenten Russlands, der Türkei und des Iran treffen sich am Freitag zu einem Syrien-Gipfel. Dabei könnte sich entscheiden, ob es zu der Offensive kommt, die Syriens Machthaber anstrebt.

Wie es den Menschen in Idlib geht? Die ältere Frau, die gerade aus der syrischen Rebellenhochburg in die Türkei zurückgekehrt ist, muss nicht lange überlegen: "Alle haben große Angst", sagt die Syrerin am Grenzübergang nahe der türkische Stadt Antakya. Und fährt fort: "vor den Bombardierungen".

Sie hebt ihre Hand ein paar Mal in Richtung des blauen Himmels. "Die Flugzeuge, die Flugzeuge." In den vergangenen Tagen flogen die Kampfjets wieder über die Region im Nordwesten Syriens, in der sich seit Wochen die nächste und vielleicht letzte große Schlacht dieses blutigen Bürgerkrieges abzeichnet.

Am Freitag seien im Süden der Region mehrere Angriffe erfolgt, nachdem es in der Nacht ruhig geblieben sei, teilte die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsgruppe für Menschenrechte mit.

Syriens letzte große Schlacht?

Das Gebiet um die Stadt Idlib ist die einzige große Hochburg, die den Rebellen nach vielen Niederlagen noch geblieben ist. Doch Syriens Führung in Damaskus hat dort ihre Truppen aufmarschieren lassen und droht mit einer Offensive.

Auch Moskau, Syriens enger Verbündeter, scheint gewillt zu sein, diesen Angriff zu unterstützen. Der russische Außenminister Sergej Lawrow wetterte in der vergangenen Woche, in Idlib hätten sich Terroristen gesammelt. Diese "Eiterbeule" müsse "liquidiert" werden.

Schicksalshafter Gipfel

Ob es tatsächlich zu der großen Offensive kommt, könnte sich am Freitag in Teheran entscheiden. Russland und der Iran als Unterstützer der Regierung treffen sich mit der Türkei, Schutzmacht der Rebellen. Zentrale Frage, die der russische Präsident Wladimir Putin, der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan und Gastgeber Hassan Ruhani beraten wollen: Was wird aus Idlib?

Syriens Regierung und Russland rechtfertigen die Drohungen vor allem unter Hinweis auf die Miliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS/Organisation für die Befreiung Groß-Syriens), früher bekannt unter dem Namen Al-Nusra-Front. Die bewaffnete Gruppe gilt als Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida, auch wenn sie sich von diesem offiziell losgesagt hat.

Nach Kämpfen mit anderen Rebellen stieg HTS im vergangenen Jahr zur dominierenden Kraft in Idlib auf und ist dort trotz des Rückzugs aus einigen Orten weiter stark vertreten.

Syriens Regierung sieht sich durch die militärischen Erfolge in den vergangenen Monaten bestätigt. Die Anhänger von Präsident Baschar al-Assad kontrollieren mittlerweile wieder rund zwei Drittel des Landes, darunter das Zentrum und fast alle wichtigen Städte. Sollten sie Idlib einnehmen können, wären die Rebellen nach mehr als sieben Jahren Bürgerkrieg praktisch besiegt.

Humanitäre Katastrophe droht

Doch sollte tatsächlich ein Großangriff die Region treffen, droht eine humanitäre Katastrophen, die schlimmer sein könnte als alle bisherigen Krisen in Syrien. Fast drei Millionen Zivilisten leben in Idlib, so die Schätzung der Uno. Fast die Hälfte von ihnen ist schon einmal vertrieben worden. Schon jetzt ist die Not groß.

Alaa Walai, Chef der in Antakya ansässigen syrischen Hilfsorganisation SARD, lässt auf dem Computer einen Film abspielen. Zu sehen sind Flüchtlinge, die in provisorischen Unterkünften leben, zusammengezimmert aus Holzlatten und Plastikplanen, aufgestellt auf Feldern.

"Das Gebiet ist völlig überfüllt", sagt Walai. "Die Familien leben überall, unter Bäumen, in Garagen oder halbfertigen Häusern. Alle zwei Kilometer gibt es eine informelle Siedlung." Märkte und Geschäfte bieten zwar Lebensmittel an, die Preise sind aber vor allem für die Vertriebenen oft unerschwinglich.

Walais Organisation, die unter anderem Feldküchen betreibt, bereitet sich auf den schlimmsten Ernstfall in Idlib vor. Waren werden gehortet, Evakuierungspläne entwickelt, unterschiedliche Szenarien entworfen.

Kaum Fluchtmöglichkeiten

Wie so viele Helfer plagt auch Walai vor allem eine Frage: Wohin sollten die Menschen überhaupt fliehen? Viele der Vertriebenen sind aus Regierungsgebieten geflüchtet. Sie wollen auf keinen Fall unter der Herrschaft Assads leben, Rückkehr ausgeschlossen.

Die Türkei hat die Grenze geschlossen. Bleibt als Ausweg ein kleines Gebiet ganz im Norden unter Kontrolle von Truppen Ankaras und pro-türkischen Rebellen - eine Region, die zu schwach ist, um Hunderttausende aufzunehmen, die vertrieben werden könnten.

Die türkische Regierung arbeitet deswegen daran, die Offensive auf Idlib zu verhindern, weil sie einen enormen Druck auf ihre Grenze befürchtet - und das vor den Augen einer alarmierten Weltöffentlichkeit.

Widerstand um jeden Preis

Abwenden ließe sich ein Großangriff wohl nur, wenn HTS zerschlagen oder sich auflösen würde. Doch das lehnt die Miliz ab. Überhaupt sind die Rebellen – auch die gemäßigteren – entschlossen, Widerstand zu leisten, um fast jeden Preis.

Der Sprecher des Rebellenbündnisses Nationale Befreiungsfront jedenfalls schließt Abkommen - wie im Süden Syriens - über eine freiwillige Übergabe von Gebieten an die Regierung kategorisch aus. Dem Regime und den Russen sei nicht zu trauen, meint Nadschi Mustafa. "Für uns ist es ein Schicksalskampf."

Er ist überzeugt: Gäbe die Opposition auf, würden ihre Kämpfer und unzählige Zivilsten in Assads Folterkellern landen - und niemand würde je wieder etwas von ihnen hören. "Wir haben keine Wahl", sagt Nadschi leise, aber mit Nachdruck. "Entweder kämpfe ich und sterbe. Oder ich gebe auf und sterbe. Das Schicksal ist dasselbe: der Tod."

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    Karl Schöndorfer / picturedesk.com

    (red/20 Minuten)