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Für dieses Foto erntet Amnesty mächtig Kritik
Die Menschenrechtsorganisation ist wegen des Covers der Zeitschrift "Glamoria" unter Beschuss geraten. Es zeigte ein halb nacktes Modell in Schwimmweste.
Dieser Schuss ging nach hinten los: Mit einem Foto der niederländischen Schauspielerin Jouman Fattal, die sich mit einer Art Bikini aus Schwimmwesten auf einem Berg räkelt, wollte der niederländische Zweig der Menschenrechtsorganisation Amnesty International auf das Elend geflüchteter Menschen aufmerksam machen.
Das Foto ziert die Titelseite einer eigens geschaffenen Zeitschrift namens "Glamoria", eine Wortschöpfung aus "Glamour" und "Moria", dem wegen seiner Zustände international in Verruf geratenen Flüchtlingslager auf Lesbos.
Doch in den sozialen Medien wurde "Glamoria" regelrecht verrissen.
"Die Erfinder und Gestalter dieses Magazins waren vermutlich selbst nie auf den griechischen Inseln", meint Elisabeth Schmidt-Hieber, die bei Picum (Plattform für internationale Zusammenarbeit zu papierlosen Migranten) arbeitet. Flüchtlinge würden sich durch die Darstellung erniedrigt fühlen.
"Nein, nein, nein, nein, nein! Sprecht über dieses menschliche Versagen. Aber macht nicht Frauen zum Objekt, um das Bewusstsein für Flüchtlinge zu schärfen. Schämt euch, Amnesty!", twittert Natasha Freidus von der Flüchtlingsorganisation Needslist.
Das Model musste selbst flüchten
"Es ist das Gegenteil von dem, was wir beabsichtigt haben. Wir wollten niemanden beleidigen. Wir arbeiten seit Jahren mit Flüchtlingen zusammen und hofften, ein neues Publikum zu erreichen. Das Foto ist ironisch, denn Fattal hat dieses Schicksal persönlich erlitten und ist heute eine bekannte Schauspielerin in Holland", rechtfertigt sich Yara Boff Tonella, Sprecherin von AI, gegenüber der Zeitung "El País".
Doch die persönliche Geschichte der Schauspielerin, die als Kind aus Syrien fliehen musste, tat der Empörung über die sexualisierte Darstellung keinen Abbruch. Mittlerweile hat AI reagiert und das Titelfoto durch ein unverfängliches ausgewechselt.
Auf der Homepage ist zu lesen: "Wir erkennen, dass die Darstellung ein Fehler war und von der dringenden Notwendigkeit nach Hilfe für die Betroffenen abgelenkt hat."
"Die Leute sind abgestumpft"
SP-Nationalrat Fabian Molina, der im November selbst in Moria war, versteht, dass viele Betrachter das Bild schlimm finden. "Aber die Zustände in Moria sind noch viel schlimmer." Außerdem enthalte das Bild vielfältige und richtige Anspielungen auf die Lage in Lesbos. "Es liegen tatsächlich Berge von Schwimmwesten an den Stränden. Auch sexuelle Gewalt ist ein Thema im völlig überfüllten Flüchtlingslager."
Nicht zuletzt findet er es wichtig, die Arbeit von AI zu würdigen. "Viele Leute sind abgestumpft. Amnesty International hat versucht, die Leute mit einer anderen Ästhetik auf das Thema aufmerksam zu machen. Dass der Versuch gescheitert ist, schmälert nicht die wertvolle Arbeit, die die Organisation seit Jahren leistet", so Molina gegenüber 20 Minuten.
(zos)