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Amazon Kindle Scribe im Test – E-Reader zum Schreiben
Amazon bringt mit dem Kindle Scribe den ersten hauseigenen E-Reader mit Schreib-Funktion. Das funktioniert super, hat aber auch einen hohen Preis.
Amazons neuen E-Reader-Ansatz kennen wir bereits vom Huawei MatePad Paper: Mit dem neuen Kindle Scribe sollen Nutzer und Nutzerinnen nicht nur ihre digitalen Bücher, Zeitschriften und Comics lesen können, sondern sich auch per Eingabestift Notizen und Skizzen machen können. Das Schreiben am 10,2 Zoll großen Paperwhite-Display soll sich dabei wie auf Papier anfühlen und der Akku gewohnt ausdauernd mehrere Monate mit nur einer Aufladung durchhalten. Wie beim Huawei-Gerät ist der Preis aber hoch – in der Basisversion mit 16 Gigabyte Speicherplatz und Standard-Stift plus Kindle-Abo kostet der Scribe 370 Euro, mit Premium-Eingabestift, 64 Gigabyte Speicher und ohne Kindle-Abo geht es hoch bis auf 454 Euro.
Der Unterschied zwischen Standard- und Premiumstift ist nicht allzu groß. Beide Stifte erfordern kein Aufladen und keine Einrichtung, sondern werden automatisch vom Kindle Scribe erkannt und können nahtlos genutzt werden. Und beide Modelle lassen sich magnetisch auf der rechten Seite am Gehäuse "anhängen", damit sie nicht verloren gehen. Der Premium-Stift verfügt zusätzlich über einen "speziellen Radiergummi". Das heißt nichts anderes, als dass der Stift einfach umgedreht und damit am Display "gerubbelt" werden kann, um handschriftliche Notizen schnell zu löschen. Außerdem gibt es beim Premium-Stift eine Kurzbefehl-Taste, um per Schnellzugriff Notizen zu erstellen oder zwischen Marker und Ra
Liegt auf Dauer recht schwer in der Hand
Der "monatelang" durchhaltende Akku zeigt sich in der Praxis als ausdauernder, aber nicht ganz so übertriebener Dauerläufer. Amazon selbst konkretisiert, dass der Akku zwölf Wochen bei einer halben Stunde Lesezeit pro Tag ohne Drahtlosverbindung und bei mittlerer Helligkeitseinstellung durchhält. Bei einer halben Stunde Schreiben pro Tag sind es bis zu drei Wochen. Für eine Überprüfung dieser Werte war der Testzeitraum bisher zwar zu kurz, nach einigen Tagen deckt sich die Batteriestand-Abnahme aber mit den genannten Werten. Weit bessere Werte zeigten sich im Test übrigens bei der Ladezeit. Per 9-Watt-Ladung mit einem USB-C-Netzteil nennt Amazon selbst 2,5 Stunden, voll war der Akku aber bereits in unter zwei Stunden.
Der Scribe ist ein riesiger E-Reader und misst rund 229 x 196 x 5,8 Millimeter. Ordentlich ist das Gewicht mit 433 Gramm, ihn lange in den Händen zu halten kann also anstrengend werden. Wer den Scribe nur zum Lesen benutzen will, ist da wohl mit einem kleineren und leichteren Kindle-Modell besser aufgehoben. Der Vorteil des Scribe ist aber sein gewaltiges, 10,2 Zoll großes E-Ink-Display. Es bietet mit 300 ppi dieselbe Auflösung wie die übrigen Kindle-Modelle und besitzt mit 35 LEDs die beste Ausleuchtung aller Modelle. Verbunden wird der Scribe per WLAN, eine Mobilfunkverbindung lässt sich damit nicht herstellen. Im Lieferumfang enthalten ist ein USB-C-Ladekabel ebenso wie mehrere Austausch-Spitzen für den Stift.
Gute Verarbeitung und toller Bildschirm
Nach zwei Wochen Nutzungszeit zeigten sich noch keinerlei Abnutzungsspuren an der Stiftspitze, die Verarbeitung ist gut. Und auch der Betrieb gefällt: Das Display löst für E-Ink-Verhältnisse sehr scharf auf und die Helligkeit lässt sich noch besser als bei den bisherigen Modellen anpassen. Apropos anpassen: Sogar die Farbtemperatur kann nach dem eigenen Geschmack verändert werden. Sowohl Helligkeit als auch Farbtemperatur können auf Wunsch auch automatisch an die jeweiligen Lichtverhältnisse und Tageszeiten angepasst werden. Wer sich mit kleinen Schriften schwer tut, kann zudem eine Option aktivieren, die Schriften und wichtige Informationen weit größer am Bildschirm darstellt. Das ist richtig gut gelungen.
Die ebenso gute Verarbeitung zeigt der Stift, der sich von Form und Gewicht wie ein herkömmlicher Kugelschreiber anfühlt und entweder magnetisch am Gehäuse angedockt oder in der Schlaufe einer extra zu erwerbenden Hülle untergebracht werden kann. Die Hülle empfiehlt sich übrigens sehr, denn sie schützt nicht nur den Scribe, sondern dient auch als "Standpult", auf dem super mit dem Scribe gearbeitet werden kann. Der Stift selbst benötigt übrigens keine Aufladungen. Wer die Premium-Version des Stifts nutzt, kann neben einem Radierkopf auch eine Funktionstaste nutzen, auf die sich die vier Hauptfunktionen Stifteingabe, Marker, Notiz oder Radiergummi legen lassen. Der Standard-Stift reicht da meist vollkommen aus.
Simple, aber auch etwas eingeschränkte Bedienung
Das Schreiben am Scribe funktioniert so gut wie selbsterklärend und sehr simpel. Im Vergleich mit dem Huawei MatePad Paper entsteht aber nicht ganz so sehr der Eindruck, wie auf Papier zu kritzeln. Am Scribe ist etwas mehr Druck als nur leichtes Berühren für Eingaben notwendig und das zeigt eine verpasste Chance: Statt die Strichstärke je nach Druck am Display umzusetzen, bleibt sie immer gleich, egal wie locker oder fest man andrückt. Die Schriftstärke kann nur über eine Funktionsleiste verändert werden, die sich die Nutzer links oder rechts am Bildschirm anzeigen lassen können. Dort wechselt man auch durch die übrigen Funktionen wie Marker, Radiergummi oder der Rückgängig-Taste. Zusätzlich kann über ein kleines Notizsymbol eine Haftnotiz im Test- oder Schreibfenster gemacht und angezeigt werden.
Überraschend ist, dass das Schreiben und Zeichnen von den Eingabemöglichkeiten letztlich sehr eingeschränkt ausfällt. Es stehen Stift, Marker, Radiergummi und Notizen zur Verfügung, die Stiftstärken lassen sich in fünf Stufen wählen, die Notizen mit der Tastatur-Eingabe oder per Handschrift vornehmen. Außerdem darf gewählt werden, ob man Notizen in Dokumenten und E-Books erstellen will oder sich eigene Notizbücher anlegt. Viel mehr ist dann aber nicht mehr drinnen, andere Stift- und Schriftstile sucht man bisher komplett vergebens. Schön zumindest: Bei den Notizvorlagen darf man aus mehrere Mustern wie leeren, linierten oder karierten Seiten wählen. Perfekt je nach Anwendungsfall, da wird alles vom Tagebuch über die To-Do-Liste bis zum Zeichenbrett unterstützt. Manko dabei: Geschriebener Text lässt sich nicht in digitalen Text umwandeln.
Smarte Funktionen, aber immer wieder auch kleine Haken
In vielen Kindle-eigenen Anwendungen wie E-Books und Comics lassen sich nur Haftnotizen auf den Seiten erstellen, manchmal nicht einmal das. Diese Einschränkung ist sehr schade, denn etwa bei Dokumenten wie Word-Dateien, PDFs und Bildern, die man an das Gerät schicken kann, kann frei auf der Seite geschrieben werden. Das ist auch gleich viel praktischer, als jedes Mal das Mini-Notiz-Symbol auf einer Seite aufrufen zu müssen, um die Notiz lesen zu können. Eine vergebene Chance. Praktisch ist dafür das Senden von Inhalten an den Scribe, da hat Amazon mit einer neuen Funktion per Drag-and-Drop schlau mitgedacht. Und: Alle Notizen, angelegten Texte und Zeichnungen sowie Infos werden an vorhandene Kindle-Geräte und die Kindle-App für iOS und Android übertragen. Auch hier ein Haken: Auf anderen Geräten lassen sich die Notizen zwar lesen, aber nicht bearbeiten.
Der Kindle Scribe verfügt außerdem über eine Browser-Funktion, die allerdings wenig Spaß macht. Sie Webseiten laden langsam, Links öffnen sich sehr verzögert und Bilder werden manchmal gar nicht erst aufgerufen. Mit einem Tablet darf man das Gerät nicht verwechseln und wer ein solches zum Arbeiten sucht, ist wohl woanders besser aufgerufen. Generell tut sich der Amazon Kindle Scribe schwer, sich in eine Kategorie einzuordnen. Als Eingabegerät zeigt es zwar eine simple Bedienung und smarte Funktionen, aber auch deutliche Einschränkungen gegenüber Konkurrenten. Als E-Book-Reader glänzt der Scribe wiederum mit einer tollen Helligkeit und einer sehr scharfen Auflösung, fällt aber für eine komfortable Handhabung fast schon zu schwer und groß aus.
Ein gutes Gerät voll von vergebenen Chancen
In der Praxisnutzung macht der Kindle Scribe Spaß und dennoch wundert man sich immer wieder, warum die Funktionen so eingeschränkt sind. Notizen in Büchern machen? Klappt super! Sätze unterstreichen? Geht nicht. Handschriftliche Notizen einfügen? Kein Problem! Die Notizen automatisch in digitalen Text umwandeln? Keine Chance. Die eingefügten Texte und Notizen nahtlos auf anderen Geräten aufrufen? Perfekt! Diese Texte auf anderen Geräten bearbeiten? Leider nicht möglich. Das alles macht den Amazon Kindle Scribe zu keinem schlechten Gerät, man wundert sich aber immer wieder über die vergebenen Chancen.
Dazu kommt mit einem Einstiegspreis von mindestens 370 Euro auch eine recht hohe Kostenhürde. Allerdings: Konkurrenten wie das bereits genannte Huawei MatePad Paper liegen da in ähnlichen Sphären. In der Praxis fast perfekter E-Reader mit ausbaufähiger Schreibfunktion trifft die Wertung des Amazon Kindle Scribe wohl am besten. Viele Pluspunkte sammelt der Scribe bei Auflösung, Helligkeit, der Auswahl an Notizvorlagen sowie der simplen und selbsterklärenden Bedienung. Der Akku hält gewohnt lange durch und macht den Scribe zu einem tollen Begleiter für alle Nutzer, die hautsächlich Lesen wollen und sich zwischendurch ein paar Notizen anlegen wollen.