Welt
Als Baby entführt – nun trifft Mann (42) seine Familie
Unter Chiles Militärdiktatur wurden vielen Müttern ihre Babys einfach entrissen. Eines davon war Scott Lieberman, heute 42 Jahre alt.
Scott Lieberman (42) aus San Francisco wurde in dem Glauben groß, adoptiert worden zu sein. Auch das Land, in dem er geboren wurde, kannte er: Chile. Allerdings ist dies nur ein kleiner Teil der traurigen Wahrheit um seine Adoption. Denn Scott wurde von seiner Mutter nicht freiwillig zur Adoption freigegeben, ganz im Gegenteil. Vielmehr wurde er seiner Mutter entrissen – wiedersehen sollten sie sich nie mehr.
Scott ist eines der zahlreichen Kinder, die während der Militärdiktatur Chiles (1973-1990) unter General Augusto Pinochet ihren Müttern von Adoptionsagenturen entrissen und dann "weitervermittelt" wurden. Gestützt durch Priester, Nonnen, Krankenpflegerinnen und auch Ärzte wurden auf diese Weise unzählige Babys in fremde Familien gegeben, vor allem ins Ausland, berichtet "CNN". Scotts Mutter Rosa Ester Mardones, damals erst Anfang 20 und unverheiratet, befand sich damals in einer prekären Situation. Sie ließ sich von einem "Sozialarbeiter" helfen, der aber dafür zunächst dafür sorgte, dass sie Papiere unterschrieb, die sie nicht verstand, um dann nach der Geburt ihr Kind nie wiederzusehen.
"Wenn du nach dem Baby siehst, rufe ich die Polizei"
Als Mardones nach ihrem Kind fragte, wurde sie mit dieser furchtbaren Drohung abgespeist: "Sieh nicht mehr nach dem Baby. Falls du es doch tust, rufe ich die Polizei und du kommst ins Gefängnis. Dein Kind ist bald in den Niederlanden oder in Schweden." In den damaligen Zeiten der Diktatur konnte man schnell wegen Nichtigkeiten im Gefängnis landen.
Scott wurde unterdessen in die USA verkauft – seine Adoptiveltern wussten nichts von den kriminellen Machenschaften der Adoptionsagentur. Er wuchs in dem Wissen auf, adoptiert worden zu sein, beschreibt sein Zuhause als liebevoll. Als Scott vor kurzem einen Artikel über illegale Adoptionen in Chile liest, wird er hellhörig. Er fragt sich, ob es bei ihm nicht genauso gewesen sein könnte.
Nach über 40 Jahren endlich wieder vereint
Scott wandte sich an die Nonprofit-Organisation "Nos Buscamos", die es sich zur Aufgabe gemacht hat, illegal adoptierte Kinder mit ihren Ursprungsfamilien zusammenzuführen. Im Rahmen dessen machte er einen DNA-Test – und tatsächlich, es gab eine Übereinstimmung. Seine Halbschwester Escalona hatte ebenfalls ihre DNA auf dem Portal "MyHeritage" hinterlegt.
Im April 2023 flog Scott nach Chile und lernte dort nicht nur Escalona, sondern auch seinen leiblichen Vater und viele andere Familienmitglieder kennen. Es war ein emotionales, freudiges Treffen, Scott fühlt sich nun vollständiger, wie er sagt.
Nur eine fehlte bei dem Treffen: seine leibliche Mutter. Sie verstarb bereits 2015 an Krebs. Ihre Tochter Escalona glaubt, dass der Verlust ihres Sohns sie krank gemacht hat: "Sie hat nie darüber geredet und ihren Schmerz immer für sich behalten."