"Animal Farm"-Uraufführung

Alle Opern-Premieren sind gleich, manche sind gleicher!

An der Wiener Staatsoper wird am 28. Februar Musikgeschichte geschrieben, wenn Alexander Raskatovs "Animal Farm" nach George Orwell Premiere feiert. 

Fabian J. Holzer
Alle Opern-Premieren sind gleich, manche sind gleicher!
Die Österreichische Uraufführung von "Animal Farm" von Alexander Raskatov
Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

"Es ist etwas Besonderes, bei einer österreichischen Erstaufführung dabei zu sein", ist Bariton und Kammersänger Clemens Unterreiner vor der Premiere von "Animal Farm" am 28. Februar an der Wiener Staatsoper begeistert, "es ist vor allem diese kongeniale Mischung, die hier funktioniert. Es ist die tolle literarische Vorlage George Orwells, die kontrastreiche, starke Musik von Raskatov, welche perfekt zur packenden Inszenierung von Michieletto passt." Regisseur Damiano Michieletto hatte schon seit Jahren davon geträumt, die dystopische Fabel von 1947 auf die Opernbühne zu bringen: "Die Geschichte ist grausam, umfasst aber auch komische Elemente. Und sie erlaubt, nicht nur viele Solorollen, sondern auch einen Chor zum Einsatz zu bringen", findet der Regisseur.

"Animal Farm" feierte im März 2023 in Amsterdam Weltpremiere
"Animal Farm" feierte im März 2023 in Amsterdam Weltpremiere
Ruth Walz

Der russisch-jüdische Komponist Alexander Raskatov (71) wurde mit der Komposition der Oper beauftragt, die im März 2023, also vor nicht einmal einem Jahr, an der Oper von Amsterdam Weltpremiere gefeiert hat. Und Raskatov war auch an die Inszenierung von Michieletto im Wien eingebunden: "Er war in den letzten Wochen immer dabei", erzählt Clemens Unterreiner von den Proben, "er geht mit seiner plastischen Komposition auch schon mal an die Grenzen der gesanglichen Stimmmöglichkeiten, aber er passt auch hin und wieder schon mal etwas an. Das ist eine wirklich spannende Erfahrung." Konkret hat Raskatov einzelne Passagen dann auf die gesanglichen Eigenheiten der Darsteller in Wien angepasst: "Wann haben wir schon die Möglichkeit, mit einem noch lebenden Komponisten zu arbeiten", ist Unterreiner fasziniert, "und ich dachte mir dabei immer, "Wie haben das damals Mozart, Verdi oder Wagner gemacht?'"

"Die Farm der Tiere" als Sinnbild für das Scheitern des politischen Systems in der Sowjetunion

Das Stück selbst braucht inhaltlich natürlich keine Vorstellung, "Animal Farm" ist eine Parabel über die Perversion der russischen Revolution und das sozialpolitische System der Sowjetunion unter Stalins Diktatur. Die Phrase "Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher" ist längst zu einem geflügelten Satz geworden. Der Plot in Kürze: Im Stück beschließen die Tiere einer englischen Farm - in der neuen Version ist es übrigens bereite ein Schlachthof - , dass es an der Zeit ist, die Unterdrückung durch die Menschen abzuschütteln und das Leben auf der Farm selbst zu regulieren. Die Regeln, die dafür aufgestellt werden, gelten für alle gleich. Nur stellt sich eben schnell heraus, dass sich nicht alle im gleichen Ausmaß an dieser Regeln halten und die angekündigte Revolution wird zu einer knallharten Diktatur, in der die Schweine alle anderen unterjochen. 

Man glaubt es kaum, aber man geht hier sogar mit Ohrwürmern hinaus
Clemens Unterreiner
über die Zugänglichkeit von "Animal Farm"

Musikalisch ist "Animal Farm" nicht nur äußerst zeitgenössisch, sondern auch komplex und anspruchsvoll. Klassische Klassik verschmilzt hier mit moderner Klassik und sogar Jazz. Das klingt zunächst vielleicht anstrengend für ungeübte Ohren, aber Clemens Unterreiner versichert, dass das Gegenteil der Fall ist: "Man glaubt es kaum, aber man geht hier sogar mit Ohrwürmern hinaus. Und es ist vor allem dann zugänglich wenn man die Musik in dieser energetischen Inszenierung erlebt: Diese Klangwellen, die auf einen einstürzen und sich mit der packenden Inszenierung kongenial ergänzen!"

Der Wiener Bariton Unterreiner spielt Mr. Pilkington, einen von nur drei Menschen im Stück. In der Parabel, in der die Farm für die Sowjetunion steht, soll Pilkington die Westmächte USA und Großbritannien  - 1947 noch eine Großmacht - repräsentieren. Er ist zuerst Feind, dann Verbündeter und dann am Ende wieder Feind der Schweine. So, wie das eben im Kalten Krieg der Fall war. "Mr. Pilkington ist zwar nicht die Hauptrolle, aber ein sehr prägnanter Charakter. Denn er stellt die Dekadenz, Oberflächlichkeit, Machtmissbrauch, sowie auch animalische Perversionen dar, welche kurz und prägnant in zwei Szenen vorkommen." Dass er selbst keine der Hauptrollen spielt, ist dem Bariton fast egal: "Es stört mich überhaupt nicht, wenn ich eben "nur" den Pilkington singe - ganz im Gegenteil, es ist eine große Herausforderung, diese wichtigen Szenen exakt auf den Punkt zu bringen."

Bei der Generalprobe am Montag ist "Animal Farm" bereits frenetisch gefeiert worden und verspricht tatsächlich auch, zum großen Hit an der Staatsoper zu werden. Vielleicht auch ein wenig deshalb, weil die neu komponierte Oper alte Furcht vor dem neuen Kalten Krieg zwischen Russland und dem Westen wieder aufkommen lässt. "Es ist so schmerzhaft aktuell, aufwühlend, brutal aber auch sinnlich, humorvoll, mahnend und absolut am Puls der Zeit und zeigt eindrucksvoll wie aktuell Oper eben ist", macht Clemens Unterreiner Lust auf das Stück, "vor allem, wenn man ein Stück mit einem lebenden Komponisten erarbeitet!" Nach seiner österreichischen Uraufführung am 28. Februar, für die es praktisch keine Karten mehr gibt, ist "Animal Farm" noch bis zum 10. März an der Wiener Staatsoper zu sehen. 

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