Wien

Wiederkehr: "MA35-Neuverfahren bis Ende 2022 digital"

Nach der massiven Kritik an der MA35 setzt Christoph Wiederkehr auf Reformen. Nach mehr Personal kündigt er auch eine Digitalisierungsoffensive an.

Louis Kraft
Teilen
1/3
Gehe zur Galerie
    Nichts mehr auf die lange Bank schieben Vizebürgermeister und Integrationsstadt Christoph Wiederkehr (Neos) bei der MA35. Im "Heute"-Interview spricht er über die begonnene und geplante Reformen.
    Nichts mehr auf die lange Bank schieben Vizebürgermeister und Integrationsstadt Christoph Wiederkehr (Neos) bei der MA35. Im "Heute"-Interview spricht er über die begonnene und geplante Reformen.
    Denise Auer

    Die Wiener Einwanderungsbehörde MA35 war in den vergangenen Wochen und Monaten massiver Kritik ausgesetzt. Neben Mitarbeitern, die bewusst nicht das Telefon abheben bis hin zu Saufgelagen und Kunden, die während der Öffnungszeiten abgewiesen wurde, reichten die Vorwürfe. Im "Heute"-Interview erklärt der zuständige Stadtrat und Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos) wie er die MA35 zu einer service-orientierten Behörde machen will.

    "Heute": Herr Stadtrat, die MA35 sorgte für in jüngerer Vergangenheit für viele Schlagzeilen. Sie kündigten daraufhin Änderungen an. Was sind aus Ihrer Sicht die dringlichsten Probleme?

    "Nicht jede Beschwerde betrifft tatsächlich das Verfahren"

    Wiederkehr: Die MA35 bearbeitet pro Jahr rund 150.000 Anträge, das stellt die Mitarbeiter für große Herausforderungen. Auch wenn die allermeisten Mitarbeiter großartige Arbeit leisten, gilt es, bei Missständen hinzusehen. Aus meiner Sicht sind vor allem die komplexen Bundesgesetze ein Problem. Wir müssen uns genau anschauen, wo die Probleme liegen, denn nicht jede Beschwerde betrifft tatsächlich das Verfahren, sondern unnötige Vorgaben, die die MA35 einhalten muss. Hier kann ich nur an den Bund appellieren, diese zu ändern. 

    "Heute": Haben Sie ein Beispiel zu den "unnötigen" Vorgaben?

    Wiederkehr: Wir haben etwa im Vergleich zu anderen Ländern unnötige Schikanen. So muss die MA35 etwa EWR-Bürger, etwa deutsche Staatsbürger, die wegen der Arbeit nach Österreich ziehen, sehr genau für die Anmeldebescheinigung prüfen. Das ist eine behördliche Schikane, die wir aus meiner Sicht abschaffen können. 

    "Viele Bestimmungen sind integrationshinderlich"

    Wir haben aber viele weitere Bestimmungen, etwa im Bereich der Staatsbürgerschaft, die integrationshinderlich sind. Zum Beispiel eine bosnische Frau, die hier ein Kind bekommt, das hier aufwächst. Auch wenn dieses hier 18 Jahre gelebt hat und dann ein Jahr Erasmus (also ein Studienjahr) in Paris macht, hat dieses dann keinen Anspruch auf die Staatsbürgerschaft. Nur, weil das Auslandsjahr ein Hindernisgrund ist. Das ist für mich völlig absurd.

    "Heute": Die Gesetze sind aber wohl nicht der einzige Grund für die Probleme bei der MA35?

    Wiederkehr: Nein, ich habe schon in Opposition die Probleme offen angesprochen. Dazu zählen etwa die viel zu langen Verfahren. Als Stadtrat will ich die MA35 zu einer service-orientierten Behörde machen, die schnelle Verfahren gewährleistet und deren Erreichbarkeit gegeben ist. Dazu haben wir auch mehr Personal eingesetzt: 50 neue Mitarbeiter wurden bereits angestellt.

    "Heute": Wie soll das gelingen?

    Wiederkehr: "Dazu haben wir ein neues, externes telefonisches Service-Center geschaffen, das als erste Anlaufstelle fungiert und die Mitarbeiter bei der Arbeit an den Akten entlastet. Die MA 35 hat die Wiener Wohnen Kundenservice GmbH für die Umsetzung und den Betrieb beauftragt. Das telefonische Servicecenter läuft bereits im Testbetrieb und geht am 1. Dezember in den Vollbetrieb. 63 Mitarbeiter nehmen Anrufe entgegen und stellen so die Erreichbarkeit der MA35 sicher. Zusätzlich kümmern sich zwölf Mitarbeiter im Folgeschritt, dem "second level" um die Einsicht in den jeweiligen Akt. 

    "Jeder Anrufer erhält ein Ticket, das macht den Status über die Bearbeitung nachvollziehbar"

    Neu ist auch die Umstellung der Prozesse: Jeder Anrufer erhält nun ein Ticket, das macht den Status über die Bearbeitung und die Fertigstellung von Akten nachvollziehbarer. Und für die Kunden wird so eine rasche Rückmeldung möglich.

    "Heute": Sie wollen bei der Strukturreform der MA35 auch auf Digitalisierung setzen?

    Wiederkehr: Ja. Ein Grund, warum die Beschwerden über die MA35 gestiegen sind, liegt auch an Corona. Vieles wurde vor der Pandemie im persönlichen Gespräch am Amt besprochen. Corona machte das dann unmöglich. Zudem gab es noch keine elektronischen Akte, das wollen wir jetzt ändern. 

    Schrittweise werden alle Neuverfahren digitalisiert – das bedeutet, dass alle Akten, die bislang in Papierform bearbeitet wurden, nun digitalisiert werden und die internen Arbeitsschritte elektronisch erfolgen. Dabei gibt es aber zu bedenken, dass Anträge weiterhin persönlich gestellt werden müssen – das legt das Bundesgesetz so fest. Über den Sinn dessen kann man auch nachdenken. Das Ziel ist aber, bis Ende 2022 alle Verfahren, soweit eben möglich, digital bearbeiten zu bearbeiten. Nachzureichende Dokumente müssen weiterhin per Post oder per Mail übermittelt werden.

    Bis Ende 2022 sollen alle Neuverfahren digital möglich sein

    Ab Beginn 2022 schaffen wir schrittweise die Möglichkeit, Verfahren elektronisch zu erledigen. Dabei gibt es aber zu bedenken, dass bei manchen Verfahren, etwa dem Antrag auf Staatsbürgerschaft, ein persönliches Erscheinen gesetzlich vorgeschrieben ist. Über den Sinn dessen kann man auch nachdenken. Das Ziel ist, bis Ende 2022 alle Verfahren, soweit eben möglich, digital abwickeln zu können. 

    "Heute": Sie haben noch dem Bekanntwerden der Vorwürfe, dass Mitarbeiter bewusst Anrufe ignorieren, die interne Revision eingeschaltet. Hat die Prüfung schon Ergebnisse gebracht?

    Wiederkehr: Die Prüfung der internen Revision hat gezeigt, dass es eine Überforderung der Mitarbeiter durch die vielen Anrufe gegeben hat. Pro Monat müssen sie über 25.000 Telefonate annehmen. Als Folge haben wir das neue telefonische Service-Center geschaffen.

    Zur Entlastung trägt auch die Herauslösung des "Business Immigration Office" aus der Abteilung bei. Ab sofort kümmern sich 22 Mitarbeiter in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsagentur Wien um die Anliegen von Fach- und Schlüsselkräften aus Drittstaaten. 

    "Heute": Wie kommen Ihre Reformen bei den Mitarbeitern der MA35 an?

    Wiederkehr: Ich merke, dass sie die Unterstützung als gut und positiv ansehen. Das ist mir wichtig, denn Änderungen kann es nur mit den Mitarbeitern geben. Ich danke hier jeder und jedem Einzelnen, die und der die Reformen mitträgt. Auch unsere externe Beratungsfirma, die PURE Management Group, die im Rahmen einer europaweiten Ausschreibung ermittelt wurde, ist angehalten, die Mitarbeiter durch Workshops und Schulungen bei den Reformen mitzunehmen. Dabei sollen auch Ideen und Anregungen der Mitarbeiter einfließen, denn sie kennen ihre Arbeit am besten.