Wirtschaft

Alarmstufe Rot! "Die Not in Österreich breitet sich aus

Die Caritas schlägt jetzt Alarm! Die Armut in Österreich ist deutlich gestiegen – 1,3 Millionen Menschen sind armutsgefährdet. Die Details.

Die Lage in Österreich spitzt sich zu – immer mehr Menschen sind armutsgefährdet.
Die Lage in Österreich spitzt sich zu – immer mehr Menschen sind armutsgefährdet.
Getty Images/iStockphoto (Symbolbild)

Die am Donnerstag veröffentlichten Zahlen zur Armut in Österreich 2022 bestätigen, worauf die Caritas seit Beginn der Teuerungswelle hingewiesen hat, sagt Michael Landau, Präsident der Caritas Österreich in einer ersten Reaktion: "Die Not in Österreich breitet sich aus. Gerade, dass die Zahl der erheblich materiell deprivierten Menschen gestiegen ist – von 160.000 auf 200.000 – ist extrem beunruhigend. Besonders betroffen sind Alleinerziehende –16 Prozent der erheblich materiell deprivierten Menschen. Worauf wir in den vergangenen Wochen und Monaten immer hingewiesen haben, ist jetzt auch in der Statistik bestätigt und muss ein klarer Weckruf für die Bundesregierung sein."

Die Zahlen belegen, dass vulnerable Menschen durch die Zeiten der Pandemie und die anhaltende Teuerung ungleich stärker betroffen sind. Jene Menschen, die bereits vor der Krise von Armut betroffen waren, sind jetzt noch ärmer geworden. Landau: "Nur strukturelle Maßnahmen helfen den Menschen nachhaltig und gewährleisten ein selbstbestimmtes Leben." Das zeigen auch die neuen Zahlen zu Sozialleistungen: "Wieder bestätigt sich: Sozialleistungen sind ein bedeutsamer Hebel in der Armutsbekämpfung. Ohne diese Leistungen wären 2022 um 30 Prozent mehr Menschen armutsgefährdet gewesen."

Explodierende Wohnkosten verschärfen Lage

Die Zahlen belegen, dass eine geheizte Wohnung für immer mehr Menschen keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Bei einem erheblichen Teil der besonders von Armut betroffenen Menschen in Österreich machen die Wohnkosten mehr als 40 Prozent ihres Haushaltseinkommens aus. "Mit den gestiegenen Preisen für Lebensmittel und den anhaltend hohen Energiepreisen sehen wir auch in der Sozialberatung, dass Menschen bereits am Anfang des Monats nach Abzug der Fixkosten kein Geld mehr haben“, sagt Landau.

Auch Ergebnisse der aktuellen "So geht’s uns heute" Befragungen der Statistik Austria zeigen etwa, dass sich die wirtschaftliche Situation für vulnerable Gruppen und atypische Haushaltskonstellationen wie Alleinerziehende, Haushalte mit nur einem Erwerbseinkommen und Menschen ohne Erwerbsarbeit zunehmend verschärfen. Landau: "Zwischen Ende 2021 und dem dritten Quartal 2022 hat sich etwa der Anteil der Personen, die ihre Wohnung nicht angemessen warmhalten können, verdoppelt."

Als besonders beunruhigend sieht Landau, dass 18 Prozent der erheblich materiell deprivierten Menschen in Österreich Kinder sind: "36.000 Kinder sind erheblich materiell depriviert. Ein derartiger Mangel in der frühen Kindheit wirkt sich auf alle Lebensbereiche aus – auf die Gesundheit, die Bildung und auf die kulturelle Teilhabe der Kinder. Die Folgen sind mitunter lebenslange."

Strukturelle Probleme erfordern strukturelle Lösungen

"Angesichts dieser Zahlen werden wir nicht müde zu wiederholen: Menschen, die wenig Geld oder Einkommen zur Verfügung haben, leiden unter der Inflation ungleich stärker!“, so Landau. Auch wenn die gestern präsentierte Inflation von März 2023 mit 9,2 Prozent leicht zurückgegangen ist, so ist sie erstens noch immer sehr hoch. Zweitens ist die Inflation bezogen auf den Mikrowarenkorb, der die Preisentwicklung der Güter und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs darstellt, noch immer bei +14 Prozent. Während die Caritas die Einmalhilfen und sonstigen Anti-Teuerungsmaßnahmen der vergangenen Monate begrüßt hat, pocht Landau angesichts der neuen Zahlen weiterhin auf nachhaltige Lösungen:

"Aus der täglichen Arbeit wissen wir, dass die Einmalzahlungen im vergangenen Jahr geholfen haben – sie brachten ein kurzes Aufatmen bei Betroffenen. Aber Einmalzahlungen reichen nicht, wenn die Teuerungswelle nach wie vor tagtäglich und bei jeder Rechnung zuschlägt. Es braucht jetzt strukturelle Maßnahmen und Reformen, um zu verhindern, dass nicht noch mehr Menschen in die Armut abrutschen. Das ist keine Frage des Könnens, sondern eine Frage des Wollens. Jetzt sind Bundesregierung und Bundesländer am Zug."

Armutsgefährdungsschwelle

Als nachhaltige, aber schnelle Lösung fordert der Caritas-Präsident allem voran eine Nachbesserung beim Ausgleichszulagen-Richtsatz: "Dieser ist eine zentrale Richtschnur für das österreichische Sozialsystem und u.a. die Basis für die Höhe der Mindestpension sowie der Sozialhilfe. Aktuell liegt der Richtsatz bei 1.110,26 Euro – d.h. 280 Euro unter der Armutsgefährdungsschwelle, die auf 1.392 Euro gestiegen ist. Wer Armut in Österreich wirklich und schnell bekämpfen will, muss diese Lücke schließen."

Zweitens, fordert Landau einmal mehr eine Grundsatz-Reform der Sozialhilfe zurück zu einem existenzsichernden letzten Netz: "Dafür braucht es Mindeststandards statt Obergrenzen, einheitliche, bedarfsorientierte Kinderrichtsätze, die Neugestaltung des Wohnbedarfs und das Verbot der Anrechnung anderer Sozialleistungen."

Drittens, pocht Landau wiederholt auf die Anhebung des Arbeitslosengelds auf ein armutsfestes Niveau: "Nach Scheitern der Arbeitsmarktreform und gleichzeitig explodierenden Preisen ist die ausgebliebene Inflationsanpassung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe nicht akzeptabel. Da muss dringend gehandelt und das Arbeitslosengeld inkl. der Familienzuschläge sowie die Notstandshilfe auf das aktuelle Preisniveau angehoben werden."

Viertens, fordert Landau auch strukturelle Lösungen für leistbares Wohnen: "Immer mehr Menschen sind durch die Wohnkosten schwer belastet! Es führt kein Weg an einem massiven Ausbau von sozialem Wohnbau vorbei. Die Schaffung und Sanierung von leistbarem Wohnraum muss priorisiert werden." Auch die Diskussion um die Wiedereinführung der Zweckwidmung bei der Wohnbauförderung muss weitergeführt werden, so Landau. Abschließend sagt der Caritas-Präsident: "Gerade beim Wohnen, aber auch in allen anderen Bereichen, müssen angesichts der notwendigen Energiewende soziale und ökologische Fragen konsequent zusammengedacht werden."

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