So arm ist Österreich
Alarmierende Zahlen: Kinderarmut hat sich verdoppelt
Die Zahl der Kinder, die hierzulande in Armut lebt, hat sich verdoppelt. Sozialminister Rauch bezeichnet die aktuelle Sozialhilfe als "beschämend".
Am 29. September steht die Nationalratswahl an. Viel Zeit bleibt ÖVP und Grünen nicht mehr, um gemeinsame Pläne umzusetzen. Bei der Reduzierung der Armut wird die Regierung ihr Ziel deutlich verfehlen, wie eine EU-Auswertung ergab. Dramatisch ist die Lage bei der Kinderarmut.
Regierung "grandios gescheitert"
Die Regierung sei bei der Armutsbekämpfung "grandios gescheitert", lautete das Urteil von Bischof Michael Chalupka vor Kurzem. Denn laut dem Regierungsübereinkommen von ÖVP und Grünen sollte der Anteil von armutsgefährdeten Menschen bis Ende 2024 halbiert werden.
Neue Zahlen zu Einkommen und Lebensbedingungen in der Europäischen Union zeigen: Kanzler Nehammer und Sozialminister Rauch werden dieses Vorhaben deutlich verfehlen. Denn 2023 waren 15 Prozent mehr Menschen in Österreich armutsgefährdet als zum Antritt der Regierung 2019, analysiert das Momentum Institut.
Sozialminister Rauch: "Für Österreich beschämend"
Als armutsgefährdet gilt, wer weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens verdient. Wer weniger als 1.572 Euro pro Monat verdient oder als Paar mit einem Kind weniger als 2.830 Euro pro Monat bekommt, ist von Armut bedroht. Für jedes weitere Kind steigt diese Grenze um weitere 472 Euro. Insgesamt sind derzeit 1,6 Millionen Menschen von Armut bedroht. Im Vergleich zum Vorjahr ist der Wert quasi unverändert. "Die hohe Inflation hat die Situation von armutsbetroffenen Menschen verschärft," sagt Sozialminister Johannes Rauch.
Die unter schwarz-blau eingeführte Sozialhilfe habe einen "wesentlichen Anteil" daran, dass manche Menschen nicht genug Geld für Miete, Heizung oder Lebensmittel haben. "Für ein Land wie Österreich ist das beschämend", betont Rauch. "Für mich ist klar: Es braucht eine Mindestsicherung neu, die ihren Namen wirklich verdient. Das ist eine der wesentlichen Aufgaben für die nächsten Jahre."
Armut gestiegen, Kinderarmut verdoppelt
Gestiegen ist aber die Zahl der Menschen in absoluter Armutslage. 336.000 Menschen in Österreich konnten sich im Vorjahr das tägliche Leben nicht leisten (rund 3,7 Prozent der Bevölkerung). 2022 waren es noch 2,3 Prozent (201.000 Personen). Besonders schlimm ist die Kinderarmut: "Die Zahl der Kinder in absoluter Armut hat sich gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppelt," mahnt Volkshilfe Direktor Fenninger. Hier stiegen die Zahlen von 36.000 Kinder und Jugendliche 2022 auf 88.000 im Jahr 2023.
Außerdem haben mehr als 930.000 Haushalte in Österreich kein Geld für unerwartete Ausgaben von 1.370 Euro. Gehen Waschmaschine oder Kühlschrank kaputt, können sie diese nicht ersetzen. Auch einmal pro Jahr auf Urlaub zu fahren, ist für rund 810.000 Haushalte nicht mehr möglich.
"Zwar heben Sozialleistungen jedes Jahr 860.000 Haushalte über die Armutsschwelle, der Sozialstaat schützt aber längst nicht alle, die er eigentlich absichern sollte, erklärt Ökonomin Sophie Achleitner vom Momentum Institut. 1,3 Millionen Menschen seien trotz Sozialleistungen weiter armutsgefährdet, betont sie.
Als "besorgniserregend" bezeichnet der Sozialminister die steigende Kinderarmut in Österreich: "Dass Kinder in Armut aufwachsen müssen, ist für mich völlig inakzeptabel." Der Minister fordert eine Kindergrundsicherung, die bestehende Leistungen bündelt und Kindern einen guten Start ins Leben ermöglicht.