Spieletests
"Afterlife VR" im Test – simpel, aber gewaltig gruselig
"Afterlife VR" gibt es nun auch für PlayStation VR2. Die Technik ist zwar angestaubt, das macht das Spiel mit Setting und Sound aber mehr als wett.
"Afterlife VR" startet nach einem Release auf anderen VR-Systemen nun auch auf der PlayStation VR2 für die PlayStation 5. Und das Machwerk der Entwickler Split Light Studio hat so ziemlich alles im Gepäck, was man von einem Horror-Streifen erwartet. Ausgerüstet mit einer Knarre und einer Taschenlampe erkundet man als Nachwuchs-Polizist eine düstere und heruntergekommene Psychiatrie voller wahnsinniger Patienten, gruseliger Mädchen im Geisterkleid und Krankenschwestern mit leeren Augen, aber umso tödlicheren Absichten. Ja, "Afterlife VR" schöpft aus dem bekannten Horror-Einheitsbrei und ist technisch nicht unbedingt auf der Höhe. Der Schauplatz und vor allem die Soundeffekte schocken Spieler dennoch positiv.
Im rund zwei Stunden langen Game, das auch etwas länger ausfallen kann, wenn man sich mit den recht einfachen Rätseln schwertut oder alles in der Spielwelt erkunden will, schlüpft man in die Rolle von Adam Bernhard. Der Polizist, der noch kaum Diensterfahrung hat und sich gerade auf Streife in der Nachtschicht befindet, wird zum Black Rose Mental Hospital, einer alten Nervenheilanstalt gerufen. Dorthin wurde kürzlich auch unsere jüngere Schwester Allison verlegt – und nun machen plötzlich besorgniserregende Nachrichten über vermisste Patienten und auch Anstaltsmitarbeiter die Runde. Mehr wollen wir aus Spoiler-Gründen auch nicht verraten – die Handlung ist streckenweise spannend, reißt aber sicherlich nicht vom Hocker.
Ein gewaltig gruseliges Erlebnis in VR
Doch nachdem man sich ein Funkgerät, eine Pistole und eine Taschenlampe geschnappt und das Gebäude betreten hat, geht der Horror auch schon los – und neben der Aufgabe, die Geheimnisse des Gemäuers aufzudecken, geht es in einem Überlebenskampf auch schnell darum, nicht selbst Patient in der Einrichtung zu werden. Gewarnt seien alle Spieler, die auch im echten Leben leicht schreckhaft sind: Jumpscares mit plötzlich um die Ecke flitzenden Grusel-Gestalten und unerwartet laute Soundeffekte gibt es zuhauf und sie ließen auch uns als hartgesottene Horror-Fans oft vor Schreck zusammenzucken. Obwohl die Grafik nicht gestochen scharf ist, ist "Afterlife VR" doch ein gewaltig gruseliges Erlebnis in der virtuellen Realität.
Etwas seltsam fühlt sich die Steuerung an – zum Laufen muss man den rechten Stick der DualSense-Controller nach vorne drücken, auch gedreht wird sich per Stick. Andererseits nimmt das Spiel den Zocker zu sehr an der Hand, wortwörtlich. Zwar lassen sich die VR-Hände im Spiel unabhängig voneinander bewegen und man kann mit ihnen Objekte greifen sowie diese aus dem Inventar kramen und verwenden – beim Suchen allerdings verliert man die Kontrolle. Und das geht so: Nähert man sich Schränken und Schubladen nah genug, übernimmt das Spiel die Kontrolle und unser Protagonist durchsucht sie automatisch nach Items. Die wohl geplante Komfort-Funktion reißt uns aber immer wieder aus dem immersiven Erlebnis.
Teils nervenzerfetzend spannendes Gameplay
Allzu viel muss man sich dann mit der Steuerung aber nicht beschäftigen, denn die Möglichkeiten bleiben überschaubar. Anfangs fuchtelt man mit einer Taschenlampe herum, die Batterien verbraucht, die man in der Spielwelt suchen und finden muss. Das Spielt sich ähnlich wie die "Outlast"-First-Person-Survival-Horrorspiele, in denen man ständig auf der Jagd nach Kamera-Akkus ist. Schnell kommen auch Spritzen dazu, die im Schadensfall die Gesundheit des bedrohten Protagonisten wiederherstellen. Und schließlich stößt man selten aber doch auch auf Munition für die Dienstpistole, die aber wegen der Munitionsknappheit sowieso nur wohldosiert eingesetzt werden soll. Im Inventar bleibt es dank weniger Items aufgeräumt.
Beim Gameplay verbringt man den Großteil des Spiels damit, nach Schlüsseln oder Nummerncodes zu suchen, die man zum Betreten abgesperrter Bereiche der Nervenheilanstalt benötigt. Was langweilig klingt, spielt sich aber nervenzerfetzend spannend, denn das Game deutet in Dauerschleife gruselige Gefahren hinter der nächsten Ecke an, setzt die Schockeffekte dann aber dosierter und jedes Mal überraschend ein. Das Highlight sind dann auch die Begegnungen mit den unheimlichen Bewohnern der Nervenheilanstalt, der folgende Kampf überzeugt dann weniger. Ohne sonderliches Waffenfeedback und ohne präzises Zielen in der VR-Welt wird einfach auf die auftauchenden Feinde geschossen, bis sich diese in Luft auflösen.
Technisch eingestaubt, aber das ist kein Problem
Sonderlich herausfordernd sind die Kämpfe ebenfalls nicht – nach dem ersten Schrecken beim Auftauchen sind die Feinde schnell besiegt und haben kaum Chancen, unserer Gesundheit Schaden zuzufügen. Das nimmt den vielen Gesundheits-Items im Game auch etwas die Existenzberechtigung. Alles unter dem härtesten Schwierigkeitsgrad sollte man deshalb außer Acht lassen. Ab der Hälfte des Spiels kommt dafür eine interessante Mechanik dazu, die das Spiel leider nicht so wirklich logisch in die Handlung integrieren konnte: Unser Protagonist lernt, telekinetische Kräfte zu benutzen. Objekte auf die Feinde zu schleudern, das spielt sich überraschend befriedigend – und am Spielende muss man die Kräfte auch zwingend einsetzen.
Vor allem grafisch ist die Technik des Games schon etwas in die Jahre gekommen. Vor allem die Mauern, Wände und Böden der Nervenheilanstalt sind weit weg von scharfen Details und erscheinen manchmal gar als Texturen-Matsch. Da wundert es wiederum, dass einige – aber bei weitem nicht alle – Gestalten im Spiel äußerst detailliert umgesetzt wurden, mit verrückt ausdruckslosen Gesichtern, schwarzen Schatten um die leeren Augen und dreckverschmierter Kleidung. Und auch die Beleuchtungs-Effekte darf man nicht unterschätzen. Flackern Lichter in den sonst so detailarmen Gängen und huscht der Schein der Taschenlampe nervös umher, reicht das für eine ordentliche Portion Grusel und eine tolle Horror-Atmosphäre.
"Afterlife VR" im Test – simpel, aber gewaltig gruselig
Wahrlich preisverdächtig sind dann sogar die Soundeffekte. Schon die Sprachausgabe kommt recht solide rüber, der Rest ist dann einfach fantastisch gut umgesetzt worden. Stöhnende Stimmen aus dem Schatten, knarrende Türen beim Laufen durch die düstere Nervenheilanstalt, unheimliche Schritte am Teppich hinter uns und knallhart die Lautstärke aufdrehende Schock-Momente samt Kreischen und markerschütterndem Zischen oder Schrillen sind so einfache, wie effektive Mittel, die die Atmosphäre im Spiel unheimlich gut machen. Hier haben sich die Entwickler wirklich Gedanken gemacht und jeden kleinsten Moment des Spiels perfekt mit Audio betont – selbst Horror-Kenner werden damit immer wieder komplett überrascht.
Doch nicht nur schreckhafte Menschen seien gewarnt, hinweisen wollen wir auch dringend darauf, dass Themen wie Mord und Selbstmord sowie psychische Erkrankungen eine große Rolle spielen. Technisch mag das Spiel zwar weit weg von einem Next-Gen-VR-Headset sein, dennoch ist die Umsetzung überraschend gut. Vor allem Soundeffekte und Jumpscares sind durchdacht und die Handlung motiviert genug, die Nervenheilanstalt zu durchsuchen. Einen Wiederspielwert gibt es nach einem Durchgang allerdings nur bedingt und mit rund zwei Stunden ist "Afterlife VR" auch recht kurz ausgefallen. Zockt man es allerdings im Dunklen mit Kopfhörern, ist das Virtual-Reality-Spiel ein einziger Horror-Marathon voller guter Schrecken.