"Reinen Wein einschenken"

Afghanen-Abschiebung "ohne Deal mit Taliban unmöglich"

Deutschland schiebt kriminelle Afghanen nach Kabul ab. Österreich will das auch – doch ob das überhaupt möglich ist, ordnet ein Experte ein.

Newsdesk Heute
Afghanen-Abschiebung "ohne Deal mit Taliban unmöglich"
Am Freitagmorgen startete in Leipzig ein Charterjet mit 28 straffällig gewordenen Afghanen an Bord.
Michael Kappeler / dpa / picturedesk.com (Symbolbild)

Wie der "Spiegel" berichtet hob um 6.56 Uhr am Freitagmorgen eine Chartermaschine der Qatar Airways in Leipzig in Richtung Kabul ab. An Bord der Boeing 787 saßen 28 kriminell gewordene Afghanen, die aus verschiedenen Bundesländern hergebracht wurden. Die Aktion sei federführend vom Bundesinnenministerium organisiert worden. Jeder Abgeschobene erhielt demnach vor dem Flug 1.000 Euro Handgeld. Die Abschiebung sei vom Kanzleramt und den Innenbehörden seit gut zwei Monaten vorbereitet worden, hieß es weiter.

"Dass der Flug nun eine Woche nach dem Messerattentat von Solingen sowie kurz vor den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen vollzogen wird, lädt ihn symbolisch auf", schreibt dazu der "Spiegel". Im Vorfeld hatte die Bundesregierung nicht direkt mit den Taliban verhandelt, sondern die Hilfe des Emirates Katar in Anspruch genommen. Die Regierung in Doha verfüge über "tragfähige Kontakte" zu den Taliban. In Berlin geht man davon aus, dass die Taliban die Abgeschobenen anständig behandeln, um vor der internationalen Gemeinschaft gut dazustehen.

Politische Folge

Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte am Donnerstag angekündigt, dass Deutschland "sehr bald" Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan umsetzen werde. Ein "großes Rückführungs- und Abschiebepaket" sei schon vor dem tödlichen Anschlag von Solingen "auf den Weg gesetzt" worden. Bei einem Messerangriff auf einem Stadtfest in Solingen waren vor einer Woche drei Menschen getötet und acht weitere teils schwer verletzt worden.

Afghanen flüchten vor den Taliban

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    Rette sich wer kann: Ein kranker Mann auf der Flucht mit drei weiteren Afghanen bei der Grenze zu Pakistan Checkpoint (Chaman)
    Rette sich wer kann: Ein kranker Mann auf der Flucht mit drei weiteren Afghanen bei der Grenze zu Pakistan Checkpoint (Chaman)
    AFP / picturedesk.com

    Der mutmaßliche Täter, ein 26-jähriger Syrer, wurde am Samstag festgenommen. Die Bundesanwaltschaft geht von einer Tat mit islamistischem Hintergrund aus. Der Fall löste unter anderem eine Debatte über Abschiebungen und mögliche Versäumnisse der Behörden aus. Pikant: Der mutmaßliche Messermörder hatte in Österreich um Asyl angesucht.

    Österreich will, aber kann es?

    Abschieben nach Afghanistan, das wünschen sich auch viele Menschen und Politiker in Österreich. Doch geht das überhaupt? Das analysierte der ehemalige Richter am Bundesverwaltungsgericht, Friedrich Kinzlbauer, seines Zeichens Asylexperte, am späten Freitagabend in der "ZIB2" bei ORF-Moderatorin Margit Laufer. Die Abschiebung aus Deutschland sei über Vermittlung Katars geschehen, so Kinzlbauer, "was im Hintergrund gespielt wurde" seien wohl erhebliche Geldflüsse gewesen.

    "Übersehen" worden sei die rechtliche Seite, denn wenn einer der 28 Abgeschobenen Rechtsmittel ergreife, werde der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wohl die Abschiebungen als rechtswidrig beurteilen. "In jedem Fall ist eine Einzelprüfung zu machen", so Kinzlbauer, darunter falle, in welche Region der Abgeschobene in Afghanistan komme, ob er dort sicher sei, ob er eine Chance auf ein Erwerbsleben habe. Laute die Antwort "nein", sie die Abschiebung sowieso nicht möglich, so der Experte.

    Ohne Deal mit Taliban geht es nicht

    Und habe Österreich dann eine andere Möglichkeit, als mit den Taliban zu verhandeln? "Dieses Gespräch mit den Regierenden, und das sind die Taliban in Afghanistan, ist unumgänglich", so Kinzlbauer, "ohne diesen Deal wird es nicht gehen". Auch in einen ostafrikanischen Staat wie Ruanda könne Österreich "nicht juristisch einwandfrei" abschieben, denn Ruanda könne die Afghanen einfach selbst weiter nach Afghanistan abschieben. Das wäre dann eine verbotene "Kettenabschiebung", so Kinzlbauer.

    Was man dann tun solle? "Man soll der Bevölkerung schon reinen Wein einschenken, was los ist", so der Experte. Weigere man sich, mit den Taliban zu reden, müssen man eben sagen, die Menschen bleiben in den Ländern, in denen sie jetzt leben, so Kinzlbauer. Und weil immer wieder auf Dänemark und Schweden gezeigt werde: Die beiden Länder hätten nicht Abschiebungen im großen Stil durchgeführt, sondern rigorose Sozialkürzungen vorgenommen. Dort würden Migranten nun entweder weiterziehen, oder "sie bemühen sich, dass sie in das normale Erwerbsleben übergehen".

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      Screenshot Facebook/Markus Reperich; Google Street View

      Auf den Punkt gebracht

      • Deutschland hat kürzlich 28 kriminelle Afghanen nach Kabul abgeschoben, wobei die Aktion durch Vermittlung Katars und ohne direkte Verhandlungen mit den Taliban organisiert wurde
      • Ein Experte betont, dass Abschiebungen nach Afghanistan ohne einen Deal mit den Taliban rechtlich problematisch sind und Österreich ähnliche Herausforderungen bei der Umsetzung solcher Maßnahmen hätte
      red
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