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"Der Zerstörer" – wer ist der neue IS-Chef?

Heute Redaktion
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Nach dem Tod von IS-Chef al-Baghdadi ernannte die Terrororganisation einen Nachfolger. Lange war unklar, wer er ist. Jetzt haben Geheimdienste mehr rausgefunden.

Um seiner Verhaftung zu entgehen, sprengte sich IS-Chef Abu Bakr al-Baghdadi letzten Oktober mit seinen Kindern in der syrischen Provinz Idlib nahe der türkischen Grenze in die Luft. Fast umgehend präsentierte die Terrororganisation ihren neuen "Kalifen": Abu Ibrahim al-Hashimi al-Kuraishi.

Erst Monate später fanden Nachrichtendienste heraus, dass dies lediglich ein Kampfname war. Der echte Name des neuen IS-Chefs lautet Amir Mohammed Abdul Rahman al-Mawli al-Salbi.

Der Mann, dessen Alter unbekannt ist, stammt aus dem irakischen Tall Afar und gehört der ethnischen Gruppe der Turkmenen an. Er hat mindestens einen Sohn.

Familiärer Kontakt in die Türkei

Der Bruder des neuen IS-Chefs lebt in der Türkei und ist Repräsentant der Partei "Irakische Turkmenenfront", schreibt der britische "Guardian". Bis zu al-Salbis Ernennung zum IS-Anführer am 31. Oktober 2019 standen die beiden regelmäßig in Kontakt.

In den Reihen des IS gilt al-Salbi als populär. Zum einen, weil er als einer der wenigen Überlebenden aus dem alten irakischen IS-Führungszirkel stammt, zum anderen, weil ihn Baghdadi selbst zum Nachfolger erkoren hatte. Das kam nicht von ungefähr: Beide waren 2004 von den Amerikanern in Camp Bucca inhaftiert worden, beide waren studierte Theologen und von der "Unfehlbarkeit" des IS überzeugt. So trat al-Salbi zunehmend als Ideologe in Erscheinung, legitimierte etwa die Massaker und Versklavung der Jesiden. Er trägt Übernamen wie "der Professor" oder "der Zerstörer" und gilt als brutal in seinen Entscheidungen und Vorgehensweisen.

Wohl in der Region von Mosul untergetaucht

Ab 2014 soll al-Salbi in- und ausländische Militäroperationen des IS geleitet haben, da Baghdadi aus Sicherheitsgründen abgetaucht war. Erfolglos setzten die USA Mitte 2019 ein Kopfgeld von 5 Millionen Dollar auf den Mann aus. Es wird angenommen, dass er bis heute in der Region um Mosul lebt.

Die 2017 vom IS zurückeroberte Stadt gilt nach wie vor als Rückzugsort verbleibender IS-Leute und -Ideologen: Eben erst nahmen irakische Sicherheitskräfte in einem Vorort der einstigen IS-Hauptstadt den Geistlichen Shifa al-Nima fest. Der einflussreiche Ideologe der Terrorgruppe musste wegen seines Gewichts (254 kg) auf der Ladefläche eines Pick-up abtransportiert werden und wurde in den sozialen Medien als die wabbelige Star-Wars-Figur Jabba the Hutt verhöhnt.

UNO-Sicherheitsrat: IS fasst wieder Fuß

Al-Salbi ist derweil daran, Grundlagen für eine neue Generation von IS-Funktionären zu legen. Offenbar mit Erfolg: Kurz nach seiner Ernennung schworen Anhänger von IS-Ablegern in Syrien, Jemen, Pakistan sowie in Ländern Afrikas und Asiens dem neuen "Kalifen" die Treue.

An der strategischen Ausrichtung des IS dürfte sich auch unter dem neuen Anführer wenig ändern, schreibt der UN-Sicherheitsrat in einem kürzlich veröffentlichten Bericht. Gleichzeitig hält der Bericht fest, dass die Terrororganisation in ihren Kerngebieten wieder Fuß fasse und zunehmend gewagte Guerilla-Attacken durchführe. Zudem rufe der IS seine Kämpfer zum Ausbruch aus Internierungslagern auf und plane selbst auf solche Ausbrüche hin – ganz im Sinne des alten und des neuen Terror-Chefs.