"Der Himbeerpflücker"-Premiere

"'A ganz gewöhnlicher Jud'', das ist wirklich hart…"

Die Kellernazis sitzen nicht nur im Keller, sondern laufen in Bad Brauning frei herum. Bis ein plötzlicher Gast für Unruhe sorgt…

Fabian J. Holzer
"'A ganz gewöhnlicher Jud'', das ist wirklich hart…"
Günther Franzmeier in "Der Himbeerpflücker" in den Kammerspielen der Josefstadt
Moritz Schell

Steisshäuptl ist reich. Die Hauptfigur in Fritz Hochwälders "Der Himbeerpflücker", das am Donnerstag Premiere in den Kammerspielen der Josefstadt feiert, ist nicht nur der Bürgermeister von Bad Brauning, sondern auch noch der örtliche Wirt und auch noch der Kinobesitzer. So modern ist man im kleinen fiktiven, aber zutiefst österreichischen Örtchen Mitte der 1960er Jahre. Seinen Reichtum verdankt der ehemalige NSDAP-Ortsgruppenleiter aber nicht seinem kaufmännischen Geschick, sondern einer Kiste mit Zahngold aus einem nahegelegenen Konzentrationslager, die sein Hausknecht Zagl im Auftrag des berüchtigten Massenmörders "Himbeerpflücker" zur Aufbewahrung übernommen hatte. Und plötzlich scheint dieser Himbeerpflücker zurück in das Örtchen zurückgekommen zu sein.Was nach einem schweren Drama klingt, ist aber eigentlich zum Lachen: "Ich finde es sehr interessant, dass wir eine Komödie spielen" meint Hauptdarsteller Günter Franzmeier zu "Heute",  "so wie es auch Fritz Hochwälder geschrieben und gemeint hat. Er hat tatsächlich hingeschrieben: 'Eine Komödie' und das finde ich interessant."

Es ist natürlich wieder eine Quadratur des Kreises, aber Fritz Hochwälder, der als Jude und Sozialist gleich zwei Gründe hatte 1938 aus Wien in die Schweiz zu flüchten, wollte 1965 mit "Der Himbeerpflücker" eine Komödie über die Kellernazis und Mitläufer schreiben, bei der den Zuschauern das herzhafte Lachen auch immer wieder im Hals stecken bleibt. Das gilt jetzt auch für die Aufführungen in den Kammerspielen: "Genau das ist der Plan, genau das wollen wir. Die Leute sollen lachen und sie sollen genau in dem Moment überlegen: Warum lachen sie eigentlich?!" Nicht nur Steisshäuptl, sondern auch die anderen ehemaligen Honoratioren des Ortes biedern sich dem Fremden aus Furcht an, schließlich will es sich niemand mit dem Massenmörder von früher schlecht stellen. Also wird der vermeintliche Himbeerpflücker in Bad Brauning ganz schnell zu so etwas wie einem Ehrenbürger…

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    Claudius von Stolzmann mit Günter Franzmeier
    Claudius von Stolzmann mit Günter Franzmeier
    Moritz Schell

    Günter Franzmeier, den die TV-Zuschauer als Gerichtsmediziner Kreindl aus den Austro-Tatorten kennen, spielt einen herrlich durchtriebenen und herrlich unsympathischen Steisshäuptl: "Agil, böse und natürlich manipulierend, dass ist klar, denn genauso steht es im Stück. Nicht so weit weg von einem heutigen Politiker eigentlich…" Und es ist ein Genuss zu sehen, wie viel Freude der Oberösterreicher hat, sich in den fiesen Ex-Nazi reinzusteigern, "Es macht Spaß. Obwohl es komplett gegen jede meiner persönlichen Meinungen ist, das ist klar. Aber ein Bösewicht ist immer interessanter als der gute. Aber es ist hart heutzutage Sätze zu sagen wie: 'A ganz gewöhnlicher Jud'', das ist wirklich hart, aber das gehört zum Job." 

    Wo führt es hin, wenn man darf das nicht mehr sagen und das nicht nicht mehr? Dann brauchen wir das Theater nicht mehr.
    Günter Franzmeier
    über Maulkörbe im Theater

    Eine Komödie über Massenmörder, Raubgold, Ex- und Kellernazis. Da gibt es sogar mehrere Passagen, bei denen das Schmunzeln wehtut. Aber die Geschichte von Fritz Hochwälder, der dem Nachkriegsösterreich einen Spielgel vorhalten wollte, soll ihre Wirkung nicht verfehlen. Und politisch unkorrekt ist sie auch nicht: "Er als Jude konnte es so schreiben", meint Franzmeier, "und als Schauspieler darf man auch nicht zu politisch korrekt sein. Denn wo führt es hin, wenn man darf das nicht mehr sagen und das nicht nicht mehr? Dann brauchen wir das Theater nicht mehr. Denn das Theater hat noch immer die Aufgabe, Menschen aufzuwecken."

    Fritz Hochwälder wollte mit "Der Himbeerpflücker" aufrütteln, aber in erster Linie unterhalten. Und die Inszenierung in den Kammerspielen ist absichtlich so, als hätte Hochwälder sein Stück gerade erst abgegeben: "Wir haben explizit versucht, keine der heutigen Mechanismen einzubauen, wir haben überhaupt nichts aktualisiert. Es ist so, als wird es jetzt 1965 und genau das ist das interessante daran." Nach der Premiere am Donnerstag - für die es hier noch wenige Restkarten gibt - ist "Der Himbeepflücker" noch bis zum Ende der Saison Ende Juni laufend in den Kammerspielen der Josefstadt zu sehen.  

    Die VIP-Bilder des Tages:

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      Schauspieler Florian David Fitz transportiert seinen Hund auf die etwas andere Art.
      Schauspieler Florian David Fitz transportiert seinen Hund auf die etwas andere Art.
      Instagram/florian.david.fitz
      fh
      Akt.