Wien

7,5 € pro Tag zum Leben "Mein Kühlschrank ist aus 1969"

40 Jahre arbeitete Adelheid P. als Buchbinderin, pflegte nebenbei ihre Mutter. Heute reicht die Pension der 81-jährigen kaum für das Nötigste. 

Yvonne Mresch
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Adelheid (81) kann sich das Leben kaum mehr leisten. Nach 40 Jahren Arbeit lebt sie von einer kleinen Pension.
Adelheid (81) kann sich das Leben kaum mehr leisten. Nach 40 Jahren Arbeit lebt sie von einer kleinen Pension.
Denise Auer

"Es wird immer schwieriger. Ich weiß nicht mehr, wo das noch hinführt", klagt Adelheid P. "Alles wird teurer, teilweise zahle ich für Produkte doppelt so viel wie früher". Die 81-jährige Donaustädterin lebt von einer Mindestpension. Nach Abzug aller Fixkosten bleibt der Pensionistin kaum mehr Geld zum Leben übrig. Aussicht auf Besserung gibt es keine – ganz im Gegenteil: Monatlich erreichen sie neue Briefe mit Erhöhungen.

40 Jahre Arbeit – die Pension reicht trotzdem nicht

"Plötzlich musste ich 100 Euro Miete nachzahlen. Gerade in Zeiten wie diesen sollte man die Unterstützung doch erhöhen", so P, die in einer 58 Quadratmeter-Wohnung im Gemeindebau lebt. "Am meisten Angst habe ich vor der nächsten Heizkosten-Abrechnung. Ich will mir gar nicht ausmalen, wie die aussieht", sagt sie. Die 81-jährige lebt alleine, für Kinder oder Ehemann hatte sie nie Zeit, wie sie erzählt: "Ich habe 40 Jahre lang als Buchbinderin gearbeitet und nebenbei meine Mutter gepflegt. Mein Leben blieb dabei auf der Strecke." Um der Einsamkeit zu entkommen, entschloss sich die Seniorin, zwei Katzen aus dem Tierschutz aufzunehmen. "Das sind meine Rabauken", lacht sie. "Für sie gebe ich auch viel Geld aus. Aber dafür bin ich nicht mehr ganz alleine." 

"Kasse zahlt immer weniger Medikamente"

Weil Adelheid P. ihre Wohnung aufgrund körperlicher Einschränkungen nicht ohne fremde Hilfe verlassen kann, ist sie auf eine Heimhilfe angewiesen. "Sie kauft für mich ein. Natürlich nicht in teuren Geschäften. Aber manchmal schreckt es mich trotzdem, zuletzt hat sie sechs Euro für einen Toast bezahlt." Essen bekommt P. vom Roten Kreuz. Hinzu kommt eine Versicherung, um die Begräbniskosten abzudecken sowie Kosten für Medikamente. Rechnet man alles zusammen, bleibt kaum etwas übrig.

Laut Doris Anzengruber, Leiterin der Caritas Sozialberatung in Wien, stiegen die Anfragen von Jänner bis April im Vergleich zum Vorjahr um 30 Prozent. Im Durchschnitt stehen den Klienten nach Abzug der Fixkosten 7,50 Euro am Tag zur Verfügung. "Viele Menschen erzählen mir, dass sie am Monatsende nicht mehr wissen, was sie mit dem wenigen Geld, das noch übrig ist, zuerst tun sollen – Miete und Stromrechnung bezahlen, den Kindern Schulsachen kaufen, oder doch noch den Kühlschrank mit dem Nötigsten auffüllen. Da reden wir noch nicht von Sonderausgaben, wie etwa Schulausflügen oder notwendigen Reparaturen. In diesen Gesprächen wird klar, das soziale Netz hat Risse bekommen und Zukunftsängste steigen", so Anzengruber.

Der Kühlschrank der Pensionistin ist aus dem Jahr 1969, hat schon 53 Jahre auf dem Buckel.
Der Kühlschrank der Pensionistin ist aus dem Jahr 1969, hat schon 53 Jahre auf dem Buckel.
Denise Auer

Kaputte Sessel, Kühlschrank aus dem Jahr 1969

"Süßigkeiten kann ich mir schon lange nicht mehr kaufen", meint Adelheid P. "Und wenn etwas kaputt wird, weiß ich sowieso nicht, wie ich das bezahlen sollte." Ihr Kühlschrank stammt aus dem Jahr 1969, ebenfalls in die Jahre gekommen sind die Sessel im Wohnzimmer: "Einer ist durchgebrochen, ich weiß nicht, wie lange die anderen noch halten", erzählt P. "Aber das Geld für neue reicht nicht. Ich bräuchte nämlich welche mit Armlehne, um mich beim Aufstehen besser abstützen zu können."

Auch für Kleidung greift Adelheid P. nicht mehr ins Börserl – was im Schrank ist, muss reichen. Geld für "Luxus" gibt es keines. Ihr größter Wunsch? "Ich würde gerne einmal ins Kino gehen. Aber das bleibt wohl ein Traum", sagt sie leise und ergänzt: "Aber eigentlich ist mein größter Wunsch ein anderer: Nämlich dass der Krieg nicht zu uns kommt. Ich bin im Krieg aufgewachsen und so etwas darf nie wieder passieren. Das ist noch viel wichtiger."

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