Österreich
71 Tote aus Lkw geborgen, jüngstes Opfer nicht älter...
Erst hieß es, bis zu 50 tote Flüchtlinge habe die Polizei am Donnerstag in einem Kühl-Lkw auf der A4 entdeckt. Die schlimmsten Erwartungen wurden jedoch noch übertroffen: 71 Menschen, darunter vier Kinder, dürften qualvoll erstickt sein. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner sprach von einem "dunklen Tag". Vier Verdächtige wurden in Ungarn festgenommen.
Erst hieß es, bis zu 50 tote Flüchtlinge habe die Polizei am Donnerstag in einem . Vier Verdächtige wurden in Ungarn festgenommen.
In der Nacht auf Freitag haben die Ermittler die Leichen aus dem Lkw geborgen und das Fahrzeug untersucht. Unter den Toten befinden sich 59 Männer, acht Frauen und vier Kinder - ein 1- bis zweijähriges Mädchen und drei Buben im Alter von acht bis zehn Jahren.
Flüchtlinge wahrscheinlich alle aus Syrien
Da ein syrisches Reisedokument aufgefunden wurde, geht man nach derzeitigem Ermittlungsstand davon aus, dass es sich um Flüchtlinge aus Syrien handelt. "Was wir ausschließen können ist, dass es sich um eine afrikanische Flüchtlingsgruppe handelt", sagte der nach wie vor geschockte burgenländische Landespolizeidirektor Hans Peter Doskozil bei einer Pressekonferenz am Freitag.
Keine Luftzufuhr
Die Todesursache ist noch nicht zu hundert Prozent geklärt, allerdings wurde festgestellt, dass im Laderaum großteils keine Luftzufuhr möglich war. In der Gerichtsmedizin Wien hat am Freitag die Obduktion der Leichen begonnen.
Festnahmen
In Ungarn wurden vier Männer festgenommen, aufgrund internationaler Ermittlungen stieß man auf die Verdächtigen.
Hotline eingerichtet
Nach der Obduktion soll mit der Bestattung Wien geklärt werden, wo die Leichname untergebracht werden. Die Abnahme von erkennungsdienstlichen Merkmalen und die Hinweise von Angehörigen sollen klären, um wem es sich bei den Toten handelt. Menschen, die Verwandte oder Begleiter vermissen, oder Hinweise haben, können sich an die Hotline 059133/103333 wenden.
Am Donnerstag von Asfinag-Mitarbeiter entdeckt
Der 7,5 Tonnen schwere Kühl-Lastwagen wurde bereits am Mittwoch in der Pannenbucht zwischen Neusiedl und Parndorf abgestellt. Am Donnerstag entdeckte ein Asfinag-Mitarbeiter bei Mäharbeiten das Fahrzeug und rief gegen 11.30 Uhr die Polizei.
Doskozil berichtete am Donnerstag, dass die Polizei verständigt wurde, dass in einer Pannenbucht in Fahrtrichtung Wien ein Lkw stehe. Mittlerweile ist verifiziert, dass er bereits seit Mittwoch dort gestanden ist.
Wie den Autobahnpolizisten auffiel, drang aus dem hinteren Bereich des Schwerfahrzeugs bereits Verwesungsflüssigkeit aus, das Areal um das Auto wurde sofort abgesperrt. Die Seite des Lkw war ausgebeult, als hätten die Insassen in Panik versucht zu fliehen.
Im Laderaum wurden dann die Leichen entdeckt, die Menschen dürften erstickt und bereits eineinhalb Tage tot gewesen sein. Der Volvo ist zum gekühlten Transport von Geflügel bestimmt. Da eine Bergung der Leichen am Tatort nicht möglich war, wurde das Fahrzeug am Donnerstag Nachmittag abgeschleppt und in eine von der ASFINAG zur Verfügung gestellten Kühlhalle nahe des Tatorts nach Nickelsdorf gebracht. Dort wurde der Lkw geöffnet.
Leichen zur Gerichtsmedizin
Die Tatortgruppe der Polizei nahm Gewebe- und Gebissproben, Gerichtsmediziner übernahmen die Befundaufnahme. "Es hat 31 Grad, insofern eilt die Zeit", sagte Fuchs am Donnerstag. Zuvor war der Laster und dessen Umgebung an Ort und Stelle akribisch kriminaltechnisch untersucht worden, um alle Beweismittel zu sichern und keine Spuren zu zerstören.
Die Leichen wurden am Freitag einzeln in Säcken verpackt nach Wien gebracht, wo die genau Todesursache ermittelt wird. Die Behörden gehen von einem Tod durch Ersticken aus.
Gedenkgottesdienst
Für Montag, 31. August, hat Kardinal Christoph Schönborn um 19 Uhr einen Gedenkgottesdienst im Stephansdom für die Opfer der jüngsten Katastrophe sowie alle auf der Flucht zu Tode gekommenen Flüchtlinge angekündigt. Der Kardinal wird der Seelenmesse selbst vorstehen. Er bittet zugleich auch, dass alle Kirchen am Montag um 19 Uhr als Zeichen des Respekts und Mitgefühls mit den Opfern die Glocken läuten.
Landeschef Niessl: Schleierfahndung verstärken
Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl sagte, es müsse in Österreich die Schleierfahndung intensiviert werden. Er spricht sich weiters für verstärkte Kontrollen an den Grenzen aus.
Caritas für humanitäre Visa
"Menschen sterben nicht nur im Mittelmeer, sondern auch auf den Straßen Europas, auch in Österreich", sagte Caritas-Präsident Michael Landau. Ein rascher Weg für besonders verletzliche Gruppen, wie Kinder und kranke Menschen, wäre etwa die Erteilung humanitärer Visa, die eine sichere Einreise in die EU ermöglichen.
Am Dienstag aufgegriffener Flüchtling: "Kaum Luft zum Atmen"
Immer wieder gibt es Berichte über Einreisende, die zusammengepfercht werden und dem Erstickungstod nahe sind. Am Dienstag waren drei Schlepper, die 34 Flüchtlinge nach Österreich brachten, bei Bruck an der Leitha gestoppt worden. Die Flüchtlinge erzählten der Polizei, "kaum Luft zum Atmen gehabt zu haben." Der Lenker habe alle Bitten ignoriert und sei ohne Pause von Serbien nach Österreich gefahren.
Die Zahl jener Personen, die illegal in Österreich sind und von der Polizei aufgegriffen werden, steigt massiv an: Waren es 2010 erst 16.727 Fälle (46 pro Tag), gab es im Vorjahr bis Ende Oktober bereits 25.486 Aufgriffe, also 84 pro Tag. 387 Personen wurden bei Grenzkontrollen, 370 am Flughafen Schwechat erwischt.
Von Jänner bis Oktober 2014 griff die Polizei 1.464 Illegale in Begleitung von Schleppern auf. Das ist gegenüber 2010 eine knappe Verdreifachung.