Jagdgesetze unter Beschuss

"30.000 Haustiere erschossen" – Tierschützer klagen an

Laut einem Gutachten besteht für Hunde auf 98 Prozent der Landesfläche Österreichs Lebensgefahr. Immer wieder kommt es zu Abschüssen.
Aram Ghadimi
12.03.2025, 07:00

"Was anderen Ländern lange verboten ist, das ist in Österreich ganz normale Praxis", sagt die Umweltjuristin Michaela Lehner zu "Heute". Hierzulande gelte das sogenannte 3S-Prizip: "Schießen, Schaufeln, Schweigen", sagt Lehner.

Die leitende Juristin von Tierschutz Austria rechnet vor: "Schätzungen gehen davon aus, dass über 30.000 Haustiere jährlich von Jägerinnen und Jägern in Österreich erschossen werden, teils erst, nachdem sie zuvor in Lebendfallen gefangen wurden." Dabei sei der Schutz von Tieren "als Staatsziel in unserer Verfassung verankert", so Lehner.

Gutachten sieht Reformbedarf

Ein am 11. März veröffentlichtes Rechtsgutachten von Univ.-Prof.in Dr.in Erika Wagner sieht dringenden Reformbedarf für die Jagdgesetzgebung in Österreich. Denn die derzeitigen Jagdgesetze in Österreich erlauben den Abschuss von Hunden unter Bedingungen, die laut Wagner nicht mehr zeitgemäß sind.

Frei laufen lassen bedeutet Lebensgefahr

Nur auf etwa zwei Prozent der österreichischen Landesfläche können Hunde "sorgenfrei" von der Leine gelassen werden.

Frei laufende Hunde dürfen nicht nur im Wald erschossen werden, sondern auf allen Wiesen und Feldern, kurzum im gesamten für die Jagd freigegebenen Gebiet. Insgesamt sind das, laut Gutachten, 98 Prozent der Staatsfläche von Österreich.

Geschätzt 5.000 Tiere in NÖ

Legt man die Einschätzung zum Abschuss von 30.000 Haustieren in ganz Österreich auf Niederösterreich um, dürften im flächenmäßig größten Bundesland Österreichs jährlich mindestens 5.000 Haustiere von der Jägerschaft erschossen werden. Laut dem niederösterreichischen Jagdgesetz (§ 64 Abs. 2), sind Jäger berechtigt, alle

"Hunde, die sich erkennbar der Einwirkung ihres Halters entzogen haben und außerhalb ihrer Rufweite im Jagdgebiet abseits öffentlicher Anlagen umherstreunen und Katzen, welche in einer Entfernung von mehr als 300 m von Wohn- und Wirtschaftsgebäuden umherstreifen, zu töten."

Die weit verbreitete Annahme, dass es erlaubt sei, Hunde im Wald oder auf Wiesen und Feldern abseits von öffentlichen Wegen, frei laufen zu lassen, ist falsch, schreibt NÖ Jagd-Delegierter Wolfgang Straub in einem Informationsblatt des NÖ Landesjagdverbands.

Selbst wenn der Hund auf der Forststraße läuft, darf er erschossen werden: "Den Hund auf der Forststraße frei laufen lassen, bedeutet unbefugtes Durchstreifen lassen des Jagdgebietes abseits von öffentlichen Wegen", schreibt Straub weiter und fordert: "Auf der Forststraße Hund an die Leine!" Weiters könne das Betreten fremden Eigentums als Besitzstörung betrachtet werden.

In einem Punkt pflichtet ihm die Umweltjuristin Michaela Lehner bei: "Es sollte Pflicht sein, Hunde im Waldgebiet anzuleinen" und ergänzt aber: "Wenn ein Hund ausbüxt, sollte er nicht gleich abgeknallt werden, denn was kann der Hund dafür?" Lehner findet: "Nicht nur den Wald ist schützenswertes Eigentum von Grundbesitzern, auch ein Hund gehört wem."

Generelles Verbot von Abschüssen gefordert

"Ein generelles Verbot von Haustierabschüssen", wie in Norwegen, fordert indes Tierschutz Austria, denn im Moment seien nur Jagdhunde gesetzlich geschützt. Das widerspreche aber Gleichheitsgrundsätzen, denn obwohl man gerade Jagdhunden am ehesten einen Tötungstrieb unterstellen könne, seien sie in sämtlichen Jagdgesetzen vom Tötungsrecht ausgenommen.

Der Haustierabschuss sei ein Jahrhunderte altes Relikt, das sich einst gegen wildernde Hunde richtete. In der Zwischenzeit habe es aber einen epochalen Wandel gegeben, schreibt Tierschutz Austria: "Hunde haben den gesellschaftlichen anerkannten Status von geliebten Familienmitgliedern." Die Mensch-Hund-Beziehung sei heute eine völlig andere.

Uneingeschränkte Tötung in drei Bundesländern

Im Burgenland, in Tirol und Oberösterreich dürfen freilaufende Hunde sogar uneingeschränkt getötet werden, sagt Lehner: "Das heißt konkret auch mit Lebendfallen, wo der Jäger dann im besten Fall einen Gnadenschuss abgibt, wie es oft bei Katzen passiert. Die Besitzer hören nie wieder was von ihren Tieren. Sie bleiben einfach verschwunden."

Lehner selbst betroffen

"Ich bin auch selbst Betroffene", sagt Lehner dann mit hörbarer Traurigkeit in ihrer Stimme: "Es war westlich von Wien, bei Mauer. Ich hatte meinen Sohn, der damals ein Baby war, in einem Brustträger umgeschnallt und meinen Hund auf einem Waldspaziergang dabei, als ein Hobbyjäger auf meinen Hund losging."

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Was zuerst wie Schläge aussah, sagt Lehner, waren aber Messerstiche: "Der Mann hat auf meinen Hund eingestochen, der mit Beißkorb ausgestattet, nur fünf Meter vor mir gelaufen war. Unter Messerstichen brach mein Hund zusammen. Blut war in die Bauchhöhle gelaufen und mein Hund ist noch vor Ort verblutet."

Für den Hobbyjäger hagelte es Klagen und eine Strafe von mehreren Tausend Euro, erzählt Lehner: "Das hat mich einst zur Tierschützerin gemacht."

{title && {title} } agh, {title && {title} } Akt. 12.03.2025, 07:13, 12.03.2025, 07:00
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