Eizelle gestohlen

30 Jahre später darf Renée ihren Sohn umarmen

Die US-Amerikanerin Renée Ballou wollte verzweifelt Mutter werden – doch ihre Eizelle wurde heimlich einer Fremden eingesetzt.
20 Minuten
13.04.2025, 18:18

In Renée Ballous Traumleben, mit Ehemann, einem Sohn und einer erfüllenden Karriere, fehlte etwas: ein zweites Kind. Die Frau versuchte in den 1980ern erneut schwanger zu werden, doch bald wurde sie bitter enttäuscht, es wollte einfach nicht klappen. Getrieben von ihrem intensiven Kinderwunsch unterzog sich Renée sogar mehreren invasiven Behandlungen – erfolglos.

Als die damals 30-Jährige die renommierten Ärzte Ricardo Asch und José Balmaceda traf und von ihrer revolutionären Behandlung an der University of California, die sie "Gift" (übersetzt Geschenk) nannten, erfuhr, schöpfte sie wieder Hoffnung – Hoffnung, die sich aber bald in Herzschmerz verwandeln sollte.

Nach ihrer fehlgeschlagenen Behandlung gab Renée auf. Asch schlug ihr vor, es noch einmal zu versuchen. Doch Renée überkam ein Gefühl kalter Resignation. "Ich sah ihn nur an und sagte: 'Nein. Das war's'." Selbst die modernste verfügbare Behandlung hatte es nicht geschafft, dass sie schwanger wird. "Irgendwann muss man aufhören", sagt die heute 67-Jährige zum "Guardian". Wenig später zerbrach ihre Ehe, die Marketing-Fachfrau wurde alkoholsüchtig.

Eizelle gestohlen: Eine andere Frau bekam Renées Kind

Die Jahre vergingen, Renée zog nach Südkalifornien. Eines Tages erhielt sie den Anruf eines Journalisten, der ihr schockierende Neuigkeiten überbrachte: Die Eizellen, die Asch während ihrer Behandlung entnommen hatte, waren ohne ihre Zustimmung verwendet worden, um ein Kind für eine andere Frau zu zeugen. Renée war am Boden zerstört: Das Kind, nach dem sie sich so gesehnt hatte, war von einer fremden Frau geboren und aufgezogen worden.

Im Gespräch mit der britischen Zeitung betont Renée, damals ausdrücklich mitgeteilt zu haben, dass sie ihre Eizellen nicht spenden wollte. "Es ist dein genetisches Material. Es gehört zum Muttersein dazu", sagte sie. Ihre Anwälte drängten sie, das Sorgerecht oder ein Besuchsrecht zu beantragen – Renée weigerte sich aber, dem Kind oder der Familie wehzutun. "Auch sie waren Opfer", sagte die Frau.

Carole LieberWilkins wusste nichts von den gestohlenen Eizellen

Das Schicksal sollte sie bald zu Carole LieberWilkins führen. Die Therapeutin hatte sich verzweifelt gewünscht, Mutter zu werden. Die Wechseljahre mit 30 brachten sie aus dem Gleichgewicht. Durch Adoption bekam sie einen Sohn, doch die Schwangerschaft war ihr wichtig – sie sehnte sich nach der Verbindung der Geburt. Als sich ihr durch "Gift" eine Chance bot, ergriff sie sie, ohne die Herkunft der Eizelle zu hinterfragen. Sie war überglücklich, als Daniel geboren wurde. Jahrelang wusste Carole nicht, dass die Eizelle gestohlen worden war.

Als sie die Wahrheit erfuhr, war sie entsetzt. Sie fürchtete, ihren Sohn zu verlieren. "Habe ich ein Anrecht auf dieses Kind?", fragte sie sich. Ihre Welt fühlte sich gefährdet, als sie Renée – die unfreiwillige Spenderin von Daniels Eizelle – über ihre Anwältin kontaktierte.

Beide Frauen wählten den Dialog statt den rechtlichen Weg

Statt sich zu verschließen, entschied sich Carole für den Dialog. Zunächst mit großer Zurückhaltung, aber auch mit Mitgefühl traten die beiden Frauen in Kontakt: Renée stellte nie Forderungen und versuchte auch nie, direkt mit Daniel zu sprechen, Carole war offen, Renées Fragen zu beantworten. Ihre Beziehung entwickelte sich langsam zu tiefem Vertrauen.

Als Daniel älter wurde, sprach Carole mit ihm über seine Herkunft. Der mittlerweile junge, erwachsene Mann empfand keine Wut, sondern nur Verständnis. "Für mich ist das kein großes Drama", sagte er nur. Doch ein Interesse, Renée kennenzulernen, hatte er nicht. Ihren Verlust konnte der Sohn damals nicht nachvollziehen.

Renée Ballou darf endlich ihren Sohn umarmen

Erst als er heiratete, änderte sich die Situation der "erweiterten" Familie, wie Renée es nennt. Daniels Ehefrau machte ihm Mut, und so kam es zu einem ersten Zoom-Gespräch. Renée und "ihr" Sohn redeten eine Stunde lang über dies und das. "Ich schwebte wie auf Wolken", sagt sie.

Ihr Glück war perfekt, als es nach einiger Zeit zu einer persönlichen Begegnung kam. "Es war einfach wunderbar, meinen Sohn zu umarmen", sagte Renée in Erinnerung.

Daniel lässt ebenfalls den Abend durch den Kopf gehen: "Es fühlte sich an, als würde ich meine Familie wiedersehen." Er spürte plötzlich die tiefe Leere, die Renée jahrzehntelang ertragen musste. "Wie hätte sie nicht ein liebenswerter Mensch sein können, nachdem sie mir eine normale Kindheit ermöglicht hat – auch wenn es sie ihr Glück kostete?"

{title && {title} } 20 Minuten, {title && {title} } 13.04.2025, 18:18
Weitere Storys
Es gibt neue Nachrichten auf Heute.atZur Startseite