Weniger Platz als Mastschwein
22 Klima-Kleber in 6er-Zelle gesteckt – Bund verurteilt
Das Verwaltungsgericht Wien hat eine Anhaltung von Klima-Aktivisten im PAZ Rossauer Lände für rechtswidrig erklärt.
In der letzten Februarwoche setzte es Aktion um Aktion der Klima-Kleber. Es kam zu insgesamt 100 Festnahmen, 41 davon alleine am 28. Februar, als 41 Aktivisten versuchten, ins Parlament einzudringen und sich vor dem Eingang aneinanderklebten – mehr dazu hier.
Was sich folgend hinter den verschlossenen Türen des Polizeianhaltezentrums abspielte, beschäftigte die Gerichte bis zuletzt. 41 Personen wurden erst nach Geschlechtern getrennt und dann rund sechs Stunden lang in kleine, etwa 26 Quadratmeter große Sechs-Personen-Zellen gesteckt – macht 1,23 Quadratmeter pro Person. Das Landesverwaltungsgericht Wien hat nun geurteilt, dass das gegen die Menschenwürde verstoßen habe, so die "Letzte Generation" in einer Aussendung.
Die Landespolizeidirektion Wien erklärte in ihrer Gegenschrift, dass die Betroffenen "nur relativ kurz", nämlich fünf Stunden und 50 Minuten in diesem "Warteraum" verwahrt wurden. Die Kapazität beziehe sich zudem nur auf eine längere Anhaltung, also über Nacht, und nicht auf eine kurzfristige Verwahrung tagsüber.
1.690 Euro für Klima-Kleber
Anders sah es das Gericht: "Gemäß § 28 Abs. 1 und 6 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und wird die Anhaltung der Beschwerdeführerin in einer mit 22 Personen belegten Gemeinschaftszelle im Polizeianhaltezentrum Rossauer Lände am 28.02.2024 für rechtswidrig erklärt", heißt es im Erkenntnis.
Dieses geht auf eine Beschwerde von Marina Hagen-Canaval zurück, auch Ex-Ski-Star Julian Schütter war mit dabei. Vertreten wurden die Aktivisten von Ralf Niederhammer, dessen Kanzlei auch auf Freiheitsentzug spezialisiert ist.
Der Bund muss der "Letzten Generation" nun 737,60 Euro Schriftsatzaufwand, 922 Euro Verhandlungsaufwand und 30 Euro an Barauslagen ersetzen.
Weniger Platz als Mastschwein
"Ein Mastschwein mit 110 Kilo in ökologischer Haltung hat in Österreich Anrecht auf 1,3 Quadratmeter Platz. Die LPD Wien hat uns an diesem Tag gerade mal rund 1,2 Quadratmeter zugestanden und damit weniger als bemitleidenswerten Tieren aus Massenhaltung. Und diese ganze Schikane nur, weil wir für ein Grundrecht auf Klimaschutz protestieren", sagt Lukas Zimmermann (28), der bei Maximalbelegung immerhin "nur" mit 18 anderen in der Sechser-Zelle sein musste.
"Besonders verstörend ist, dass die Landespolizeidirektion der Meinung war, dass anerkannte Mindeststandards für die Anhaltung in Haft nicht gelten würden", findet Letzte-Generation-Anwalt Ralf Niederhammer. Mit der Entscheidung sei ein Präzedenzfall für andere Betroffene geschaffen worden.
Auch das Argument der Behörde, die Menschen seien "nur kurz" unter solchen Bedingungen festgenommen gewesen, ließ das Gericht nicht gelten. "Eine Menschenrechtsverletzung ist eine Menschenrechtsverletzung – unabhängig davon, ob sie Stunden oder Tage dauert. Es ist absurd, dass wir das erst vor Gericht klären lassen müssen – eigentlich sollte das der Exekutive in einem Rechtsstaat und Demokratie klar sein", schließt sich Julian Schütter an.
Auf den Punkt gebracht
- In der letzten Februarwoche fanden mehrere Aktionen der Klima-Kleber statt, bei denen es zu insgesamt 100 Festnahmen kam
- 41 Aktivisten wurden in kleine Zellen gesteckt, was das Landesverwaltungsgericht Wien nun als Verstoß gegen die Menschenwürde beurteilte
- Die Aktivisten wurden von Anwälten vertreten und erhielten eine Entschädigung, da sie weniger Platz hatten als Mastschweine in ökologischer Haltung