Politik

2020 zehn Mal mehr Delikte von Rechts als von Links

Mit großer Verspätung wurde am Mittwoch der Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2020 veröffentlicht.

Leo Stempfl
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Die Corona-Proteste führten zu einem starken Anstieg der Anzeigen nach dem Verbotsgesetz.
Die Corona-Proteste führten zu einem starken Anstieg der Anzeigen nach dem Verbotsgesetz.
"Heute"

Wir schreiben den 16. Februar 2022. Nach langen Monaten des Vertröstens und einer Reform des Staatsschutzes ist er nun endlich da: Der Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2020. Dessen Vorwort schrieb noch der damalige Innenminister Karl Nehammer. 2020 nahm er eine Radikalisierung der extremen Ränder war, als größte Bedrohung sieht er den radikalen Islamismus.

Islamismus

Denn das wohl mit Abstand entscheidendste Ereignis des Jahres war der Terroranschlag am 2. November in Wien, bei dem vier Menschen getötet wurden. Der 20-jährige Österreicher mit nordmazedonischen Wurzeln hatte Kontakt zum Islamischen Staat und der hiesigen Jihad-Szene.

Zwar zählt Österreich nicht zu den am stärksten durch einen terroristischen Anschlag gefährdeten Ländern, gemessen an der Einwohnerzahl gibt es aber einen überproportional hohen Anteil an "Foreign Terrorist Fighters".

Rechtsextremismus

Auch im Berichtsjahr 2020 stellten rechtsextremistische Aktivitäten eine Demokratiegefährdung in Österreich dar. Das Problem: Die Szene ist äußert heterogen, tritt nicht geschlossen auf. Überschneidungen zeigen sich aber bei Protestveranstaltungen der COVID-19-Maßnahmengegner. Dort zeigten sie von Beginn an Präsenz und wollten die Demos so als eigene Kampagne vereinnahmen.

Ein Blick auf die Statistik zeigt einen Rückgang der rechtsextremen Tathandlungen um 18,7 Prozent (von 1.678 im Jahr 2019 auf 1.364 im Jahr 2020). 2021 dürfte sich das aber entscheidend ändern: Laut Kriminalstatistik gab es vergangenes Jahr 1.671 Anzeigen nach dem Verbotsgesetz.

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    Einsatzkräfte der Wiener Polizei verteidigen eine Absperrung gegen aggressive Chaoten im Rahmen der Demonstration von Corona-Maßnahmengegnern am 10. April 2021.
    Einsatzkräfte der Wiener Polizei verteidigen eine Absperrung gegen aggressive Chaoten im Rahmen der Demonstration von Corona-Maßnahmengegnern am 10. April 2021.
    GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com

    Linksextremismus

    Auch am linken Rand gibt es Gruppierungen, die Gewalt akzeptieren und "bewusst Gesetzesbrüche einkalkulieren". Der Verfassungsschutz unterscheidet hier zwischen zwei Strömungen: Einen marxistischen/leninistischen/trotzkistischen Bereich und ein autonomanarchistisches Spektrum. Ziel sei stets eine Überwindung des aktuellen kapitalistischen Systems.

    Statt auf Corona-Proteste setzte man auf Aktionen gegen rechtsextreme Burschenschaften und nahm eine Rolle als "kritischer Beobachter" der Demonstrationen ein. Immer wieder kam es aber zu nächtlichen Sachbeschädigungen und Schmieraktionen. 2020 gab es 167 Tathandlungen mit vermuteten linksextremen  Motiven, 2019 waren es 218. 12 Delikte konnten aufgeklärt werden.

    Kritik

    Die Grünen sind alles andere als begeistert vom Bericht ihres Koalitionspartners. Dieser zeige, warum der Verfassungsschutz so dringen reformiert werden musste. "Der Bericht geht in der Schwerpunktsetzung an den eigentlichen Problemen vorbei. Darüber hinaus fehlt die nötige Objektivität und Nachvollziehbarkeit", kritisiert der Sicherheitssprecher Georg Bürstmayr.

    "Das ist fast schon absurd. Über Schmierereien und Sachbeschädigungen am Rande von 'linken' Demos wird ausführlicher berichtet als über den Terroranschlag vom 2. November 2020 mit mehreren Toten, oder über die Gefahr durch rechtsextreme Gruppierungen mit riesigen Waffenlagern. Dabei zeigen schon die dazu veröffentlichten Statistiken im Verfassungsschutzbericht: es gibt hier keine auch nur annähernd vergleichbare Risikolage", sagt Bürstmayr.

    SPÖ-Sprecherin für Erinnerungskultur Sabine Schatz kritisiert vor allem die späte Veröffentlichung. "Um sinnvoll mit dieser Unterlage arbeiten zu können, muss sie spätestens im ersten Halbjahr des Folgejahres vorliegen."