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19-jähriger Mann vergewaltigt 15-Jährige im Schlaf
Im Aargau vergewaltigte ein 19-jähriger Mann eine Minderjährige, während beide im selben Bett schliefen. Doch ins Gefängnis muss er dafür nicht.
Das Bezirksgericht Kulm AG hat einen 19-Jährigen der Vergewaltigung freigesprochen, obwohl DNA-Tests die Tat eindeutig belegten. Der Angeklagte hatte jedoch angegeben, die sexuellen Handlungen nicht bewusst ausgeführt zu haben – er leide an einer Schlafstörung, erklärte der Mann.
Der Fall spielte sich laut "Aargauer Zeitung" im Oktober 2019 ab. Eine Gruppe junger Menschen übernachtete gemeinsam in der Wohnung einer damals 15 Jahre alten Frau. In einem Bett legten sich die Gastgeberin, ihre beste Freundin und deren Freund schlafen. Mitten in der Nacht spürte die 15-Jährige plötzlich, wie der Freund ihrer besten Freundin ihr an die Brüste fasste.
Mann sagt, er sei Schlafwandler
Die Jugendliche wehrte sich und stieß seine Hand weg – der 19-Jährige ließ trotzdem nicht von ihr ab. Er fasste ihr zwischen die Beine, drang mit einem Finger in sie ein. Das Opfer erstarrte. Anschließend vergewaltigte der Mann die Minderjährige mehrmals. Die Frau konnte nicht einmal schreien.
Das Opfer erstattete Anzeige bei der Polizei, der Mann wurde befragt. Dabei gab er an, die Nacht durchgeschlafen zu haben. Nur einmal sei er kurz aufgestanden, legte sich aber gleich wieder ins Bett. Einem DNA-Test stimmte er zu: Die Ergebnisse zeigten schließlich, dass es sein Sperma war, das nach der Tat am Opfer festgestellt worden war. In der Folge wurde er der Vergewaltigung, sexuellen Nötigung und sexuellen Handlungen mit einem Kind angeklagt.
Zu Beginn der Gerichtsverhandlungen erklärte die Verteidigung des Mannes, dass der Angeklagte an einer Parasomnie leide. Er sei Schlafwandler, meinte das Anwaltsteam vor Gericht, das daraufhin ein interdisziplinäres Gutachten in Auftrag gab. Letzten Dienstag sagte der forensische Psychiater Marc Graf aus.
Experte spricht von Sexsomnie
Der Experte gab zu, dass er zunächst an die Version der Verteidigung nicht geglaubt habe – bis er sich aber in den Fall vertieft habe. Tatsächlich seien in einer Untersuchung in einem Schlaflabor Auffälligkeiten beim Angeklagten nachgewiesen worden. Bei einer aktuelleren Untersuchung allerdings nicht mehr. Doch laut Graf neigt der Beschuldigte zum Schlafwandeln. Ob er in jener Oktobernacht vor knapp vier Jahren schlafgewandelt sei, lasse sich aber nicht beweisen.
Graf sprach von einer sogenannten Sexsomnie. Bei dieser Störung, in der der Betroffene nur scheinbar wach ist, führt er sexuelle Handlungen aus. Nach dem Aufwachen kann er sich oft nicht mehr daran erinnern.
Beim Angeklagten habe Graf keine manipulativen Tendenzen entdeckt, schreibt die "AZ" weiter. "Aus medizinischer Sicht ist es wahrscheinlicher, dass sich der Beschuldigte im Tatzeitraum nicht bewusst und aktiv über die Interessen des Opfers hinweggesetzt hat", sagte der Psychiater.
Opfer muss Gerichtskosten bezahlen
Die Staatsanwaltschaft äußerte Zweifel am Gutachten: "Man kann sicher nicht mit ausgeschaltetem Gehirn solche Handlungen vornehmen, die einer gewissen Präzision und Kraftaufwendung bedürfen", sagte der Staatsanwalt. Er verlangte eine teilbedingte Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren.
Die Richterinnen und Richter sprachen den Beschuldigten jedoch frei. "Wir haben keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Opfers", erklärte Gerichtspräsidentin Thöny Fäs. Aber ebenso glaubwürdig seien die Aussagen des Beschuldigten.
Das Urteil sei kein Freipass für sexuelle Übergriffe, stellte Fäs klar. Doch die Gerichtskosten muss nun das Opfer tragen.